Herr Schubert, ist es nicht an der Zeit, dass Sie Ihre Kündigung einreichen?
Alexander Schubert: Ja, ich glaube, das haben manche schon vor fünf Jahren erwartet. Aber ich habe schon zu Beginn gesagt: ,Ich bin gekommen, um zu bleiben’.
Wenn wir bis ins Jahr 1992 zurückgehen, dann sind Sie der seither am längsten amtierende Direktor des Historischen Museums der Pfalz. Sie sind zehn Jahre hier. So lange hat es seit Otto Roller (Direktor von 1977 bis 1992) niemand mehr ausgehalten.
Schubert: Grundsätzlich bin ich ein hartnäckiger Mensch, der sich nicht so schnell ins Bockshorn jagen lässt. Dann ist es aber auch so, dass dieses Museum einfach ein unglaublich großes Potenzial hat. Es hat die Strahlkraft eines Landesmuseums. Und das in einer schönen, mittelgroßen Stadt wie Speyer. Museen, die pro Jahr über 200 000 Besucher erreichen, hat man normalerweise eher in Landeshauptstädten. Das macht es für mich besonders interessant.
Das Speyerer Museum galt Ihren drei Vorgängern Cornelia Ewigleben, Alexander Koch und Eckhart Köhne lediglich als Durchgangsstation auf dem Weg zu höheren Weihen. Sie wollen wirklich nirgendwo mehr hin?
Schubert: Ich bin kürzlich in den Speyerer Stadtrat gewählt worden. Das heißt, ich bin noch mehr in der Stadt angekommen. Ich sage manchmal zu meiner Frau: ,Irgendwann sitzen wir hier im Garten und schauen den Pflanzen beim Wachsen zu’.
Wir transportieren auch mit den populären Themen Inhalte und erfüllen einen Bildungsauftrag.
Wie blicken Sie heute auf Ihre Zeit an den Mannheimer Reiss-Engelhorn Museen zurück?
Schubert: Ich verbinde allerbeste Erinnerungen damit und war dort ja an großen Ausstellungsprojekten beteiligt. Das hat mir den Sprung nach Speyer erleichtert, weil ich für ein großes Netzwerk zuständig war und viele Entscheider schon kannte. Die Position als wissenschaftlicher Direktor, die ich am Ende hatte, hat mich ein Stück weit vorbereitet auf die Stellung hier am Historischen Museum. Es war kein vorgefertigtes Karriereziel, sondern ich konnte in die Aufgabe hineinwachsen.
Wir blicken auf schwierige Pandemiejahre zurück, unter denen vor allem auch die Kultur gelitten hat. Wie sehr müssen Sie sich als Direktor jetzt wieder an Besucherzahlen messen lassen?
Schubert: In der Wahrnehmung der Menschen ist die Pandemie schon wieder weit weg. Umgekehrt ist es so, dass wir ja im Frühjahr 2023 noch Einschränkungen hatten. Bei der überregionalen Anreise gab es noch Maskenpflicht. Das haben wir noch sehr stark während unserer Habsburger-Ausstellung gespürt. Normalerweise hatten wir bei den großen kulturgeschichtlichen Ausstellungen immer 100 000 Besucher, damals waren es nur 50 000. Aktuell sind wir in normalem Fahrwasser. Die Playmobil-Ausstellung haben jetzt 100 000 Menschen besucht, und bei der Ausstellung zu Ludwig I. sind es zirka 30 000. Das sind beides sehr gute Zahlen, aber es lässt sich nicht leugnen, dass sich in der Kulturlandschaft durch die Pandemie etwas verändert hat. Freie Reiseveranstalter sind so gut wie vom Markt verschwunden. In Geschichtsvereinen sind die Leute nicht mehr im Amt, die früher Fahrten ins Museum organisiert haben. Einen Nachfolger gibt es oft nicht. Insgesamt hat die Pandemie den Stellenwert der Kultur nicht gestärkt. In den Lockdowns wurden Museen in einem Atemzug mit den Bordellen geschlossen und nicht als Bildungseinrichtung wahrgenommen. Unsere gesellschaftliche Relevanz muss wieder sichtbarer werden - auch wenn wir merken, dass die Menschen heute viel mehr Wahlmöglichkeiten haben als noch vor 20 oder 30 Jahren.
Da hört man deutliche Kritik an der Corona-Politik. Haben Sie die damals an die Politik adressiert?
Schubert: In den Arbeitskreisen haben wir uns schon deutlich positioniert, und es wurde dann ja auch in den folgenden Allgemeinverfügungen etwas anders gehandhabt.
Über Alexander Schubert
- Dr. Alexander Schubert studierte von 1992 bis 2001 Geschichte, Germanistik, Politikwissenschaft und Erziehungswissenschaften in Bayreuth und Bamberg.
- Ab 2007, bis zu seinem Wechsel nach Speyer, wo er mit seiner Frau lebt, war Schubert an den Reiss-Engelhorn-Museen in unterschiedlichen Aufgabenbereichen tätig.
- Seit Januar 2022 ist er auch Honorarprofessor an der Uni Heidelberg.
Nach der Pandemie kam Playmobil. Vorher gab es Lego und Grüffelo - die Zielgruppen haben sich verändert. Müssen diese populären und wenig wissenschaftlichen „Shows“ sein, um die Habsburger-Ausstellung oder eine Schau zu Ludwig I. möglich zu machen?
Schubert: Lego ist schon sehr lange her. Rund um die Pandemie zeigten wir neben dem Grüffelo noch „Expedition Erde“. Sicher ist es so, dass Ausstellungen wie Playmobil, die sehr niederschwellig sind, die anderen mitfinanzieren. Aber wir transportieren auch mit den populären Themen Inhalte und erfüllen einen Bildungsauftrag. Finanziell generieren die Ausstellungen mit populären Themen mehr Eintritte, was für uns auch wichtig ist, um als Stiftung existieren zu können.
Aber stehen Sie persönlich hinter Playmobil? Es gibt ja doch durchaus Kräfte, die in einer solchen Schau fast den Untergang des kulturellen Abendlandes sehen?
Schubert: Da war vor 20 Jahren womöglich die Erregung größer. Ich persönlich bin ein Verfechter davon, auch niederschwellige Themen anzugehen. Das war mit ein Grund, warum ich mich überhaupt hier beworben habe. Wir haben das sogar noch weiter entwickelt und schauen schon danach, was im Buchhandel und im Kino funktioniert. Wir sind ja nicht in einer Blase. Als nächstes machen wir jetzt den kleinen Drachen Kokosnuss. Der Drache reist durch die Zeit und ist bei den Ägyptern und den Griechen. Da kann man das Museale mit einem populären Gewand gut vermitteln.
Wie steht es um die seit Jahren notwendige Sanierung des Erweiterungsbaus?
Schubert: Nach der Titanic-Ausstellung 2015 haben wir ihn wegen Feuchtigkeit geschlossen. Dass wir mehr als zehn Jahre nach Bekanntwerden des Problems noch immer in der Theorie verharren, ist unbefriedigend. Ich habe mir aber abgewöhnt, schlaflose Nächte zu haben.
War das so?
Schubert: Ja, bis ich gemerkt habe, dass der langwierige Prozess durch nichts beschleunigt werden kann. Uns fehlen mehrere tausend Quadratmeter Fläche. Aber es gibt ja jetzt konkrete inhaltliche Architekturentwürfe, die in den kommenden Jahren umgesetzt werden sollen.
Wenn Sie frei wählen könnten, welche Schau wäre ab Morgen im Historischen Museum zu sehen?
Schubert: Mir liegt immer das kommende Projekt am meisten am Herzen. Ich freue mich jetzt auf den Drachen Kokosnuss und auf Caesar und Cleopatra.
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