Konzert

Spektakuläre Effekte im Kirchenschiff

Improvisierte Orgelmusik von Dominik Susteck und Farbinstallationen im Dom

Von 
Uwe Rauschelbach
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Ewiges Licht im dunklen Dom: Kurt Laurenz Thei-nert projiziert ein Farbenmeer. © Landry

Speyer. Eine Stunde lang erlebt das Publikum der Internationalen Musiktage im Dom zu Speyer die Kathedrale einmal anders. Mit „Lux Aeterna – Ewiges Licht“ ist das multimediale Konzert betitelt, das über Klänge und Farbinstallationen akustische und optische Eindrücke zu exotischen Netzen verwebt. Und das die spektakulären Effekte, die sich dabei einstellen, nutzt, um die sakralen Höhen und Tiefen dieses heiligen Raumes auszuloten.

Die Lichter im Dom werden stufenweise gelöscht. Dann ist es fast ganz dunkel. Nur auf der Orgelempore über unseren Köpfen brennt noch Licht. In der Dunkelheit ist es still. Geheimnisvoll. Doch dann flirren die ersten Töne durch die Luft. Und Apsis, Chorraum und Säulen werden mit beweglichen Schraffuren bedeckt, die sich in bunte Unterwasserwelten verwandeln. Weiße Felder zerplatzen wie bei einem lautlosen Feuerwerk.

An der Hauptorgel sitzt der Bochumer Kirchenmusiker Dominik Susteck, der sowohl für seine Hinwendung zu zeitgenössischer Musik wie für seine kunstvollen Orgelimprovisationen einen Namen hat. Im Dom produziert Susteck dissonante Tonfolgen und akkordische Cluster mit allmählich alterierenden Tönen. Durch den Dom wabern improvisierte, atmosphärisch und assoziativ aufgeladene Klangmuster, die Kurt Laurenz Theinert an seinem „Visual Piano“ – einem Midi-Keyboard – sichtbar macht: mit kaleidoskopartig ineinander fließenden Farben und Strukturen, die durch mehrere Projektoren wie von schneller Hand auf Steine und Wände geworfen scheinen.

Neue Bedeutung für „Klangfarbe“

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Der Begriff „Klangfarbe“ wird hier sinnfällig und bekommt seine synästhetische Bedeutung. Denn durch die enge Verzahnung von Ton und Bild entsteht so etwas wie ein Gesamtkunstwerk, das an mehrere Sinne appelliert und vor allem eines bewirkt: den Innenraum des Domes mit anderen Augen zu sehen. Sogar die Apsis bekommt auf einmal ein unheimliches Gesicht – dank der Schattenwürfe, die die Farbinstallationen der Projektoren bewirken.

Rot-blaugraue Streifenmuster ergießen sich über die Säulen, während Dominik Susteck an der Orgel ein Bassgewaber anstimmt, das in Klangwolken zerbirst. Dann wieder wird der Raum in ein satt-buntes Farbenmeer getaucht, aus dem korallenartige Skulpturen wachsen. Und als die Orgel hellste Töne in die Dunkelheit träufelt, wirft das Farbenklavier Kurt Laurenz Theinerts Sternenpunkte an die Wände, bis der Raum wie von einem dichten Mosaik aus eng aneinander geschmiegten Kreisen ausgelegt erscheint.

Ein motorisch stampfender Bass, der wie aus dem Maschinenraum eines Vehikels klingt, das unterwegs in utopische Gefilde ist, provoziert kreisende Spinnenwebmuster. Tiefe Bassfrequenzen werden allmählich mit Tonintervallen aufgefüllt, bis der Klang – einschließlich der Echo-Effekte durch die gekoppelte Chororgel – den Raum flutet. Illustriert von bizarren Formen, die teilweise wie riesige Fratzen über dem Altar ins Mittelschiff starren. Die Orgel hebt mit einem dystopischen Rauschen und Brausen an, als sei Unheilvolles im Anmarsch; und selbst, wer das Instrument als Hörer etwas kennt, ist überrascht von der Neuartigkeit der Klänge und perkussiven Effekte, die Dominik Susteck ihm entlockt.

Extrem hohe Pfeifentöne animieren den Lichtkünstler dazu, aus imaginären Klangwolken silbrigen Sternenstaub quellen zu lassen. Sie tanzen wild auf den Oberflächen und vermitteln den Eindruck einer kosmischen Explosion – immerhin mit friedlichem Ausgang. Eine Stunde lang hat der Dom für Augen und Ohren eine Kulisse geboten, die neue Raumerfahrungen ermöglichte und neue spirituelle Zugänge schuf, indem sinnliche Wahrnehmungen verwandelt und verfremdet wurden. Und das auf eine Weise, die die sakrale Würde dieses Ortes nicht im mindesten beschädigte.

Verzauberung weicht nur langsam

Als der letzte Ton verklungen ist und im Dom die Lichter wieder angehen, will die innere Verzauberung durch Licht und Klang nur langsam weichen. Alles sieht auf einmal so nüchtern aus und die romanische Linienführung wirkt starr. Doch immerhin wissen wir jetzt: Die Dunkelheit in der Speyerer Kathedrale ist voller Geheimnisse und Geschichten. Und manchmal offenbaren sie sich uns. Wenn auch nur für kurze Zeit.

Die Internationalen Musiktage enden am Samstag, 7. Oktober, 19.30 Uhr, mit dem Oratorium „Lux in Tenebris“ von Helge Burggrabe für Soli, Sprechstimme, Streichorchester, Bläsertrio, Schlagwerk, Orgel, Schola und Chöre – ein Werk aus Klang, Text und Licht über Krieg und Zerstörung sowie der Sehnsucht nach Frieden.

Freier Autor

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