Speyer. Mit Werken von Edward Elgar haben die Internationalen Musiktage im Dom zu Speyer begonnen. Sie stellen die spirituelle Bedeutung des Lichts in den Mittelpunkt. Diese findet sich sowohl in Elgars Werk „The Light of Life“ versinnbildlicht als auch im Friedensoratorium „Lux in Tenebris“ von Helge Burggrabe, das im Abschlusskonzert am 7. Oktober erklingen wird. Dazwischen wird in multimedialen Konzerten das Ewige Licht – Lux Aeterna – auf musikalische Weise entzündet. Mit „Bach zur Nacht“ soll in der Domkrypta die christologische Bedeutung des Übergangs von der Dunkelheit ins Licht nachvollzogen werden.
Bevor zum Auftakt der Domchor Speyer mitsamt dem Konzertchor des Mädchenchores und den Männerstimmen der Domsingknaben unter Begleitung der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz Edward Elgars Oratorium aufführten, erklang das Werk „Sursum corda – Erhebet die Herzen“ des Briten, das in romantisch-schwelgenden Klangwogen und seinen starken liturgischen Bezügen in der Tat die Herzen zu erheben vermochte. Im voll besetzten Dom sorgte vor allem das Zusammenspiel von Orchester und Orgel (Markus Eichenlaub) für eine feierliche, erhabene Stimmung.
Festlicher Glanz
Hörner und Posaunen verleihen dem pastoralen Grundcharakter einen festlichen Glanz. Dabei enthält das Stück durchaus Passagen, die eine eher verhaltene Diktion verraten und offensichtlich die andächtigen Seiten des religiösen Dialogs zwischen dem Beter und seinem Schöpfer betonen. Zuweilen scheint es so, als wolle das Werk nicht aus dem Schatten treten. Die gemächliche Gangart unter dem Dirigat von Domkapellmeister Markus Melchiori wird jedoch immer wieder aufgebrochen durch höhepunktartige Verläufe, in denen die Musik hymnisch aufwallt und von der Überwältigung einer geisterfüllten Seele kündet. Elgars Vertonung des biblischen Berichts über die Heilung eines Blinden durch Jesus wird von den Celli und Kontrabässen der Staatsphilharmonie mit scharfer Prägnanz in Szene gesetzt. Harfe, Oboe und Klarinette verschaffen sich dank des behutsamen Dirigats von Markus Melchiori Gehör. Mit dem kräftigen Einsatz der Männerstimmen im Chor, die den Leviten am Hof des Tempels gehören, gewinnt das Werk an Kontur.
„The Light of Life“ erstattet von der wundersamen Heilung nicht einfach Bericht, sondern reichert diesen mit Reflexionen und Betrachtungen an. Mit der Figur der Mutter des Blinden erhält das Oratorium einen zusätzlichen dramatischen Akzent. Mechthild Bach verleiht der mütterlichen Betroffenheit im Angesicht des göttlichen Eingreifens empfindsam Ausdruck, kann in ihren Sopran aber auch leidenschaftliche Emotionen mischen.
Sehr sensibel in der Darstellung, aber mit stimmlichen Schwächen – ein übermäßiges Vibrato – ist Tenor James Gilchrist zu vernehmen, der sich in die Rolle des Blinden versetzt. Anke Vondung ist eine souveräne Erzählerin mit gerundeter Altstimme, und Bassist Klaus Mertens singt den Jesus mit der ihm eigenen Fähigkeit zu authentischer Rollengestaltung. Die Sänger des Domchors bestätigen auch mit diesem Werk ihren ausgezeichneten Rang für die Aufführung kirchenmusikalischer Chorliteratur, ob älterer oder modernerer Epochen.
Mitreißende Melodie
Irgendwie scheint Elgar in seinen Instrumental- wie in seinen geistlichen Werken stets eine Spur patriotischer Gesinnung zu legen, die sich möglicherweise auf das ästhetische Element der Erhabenheit zurückführen lässt. Die Aufführenden greifen diesen Umstand am Ende auf und stimmen mit Hubert Parrys Vertonung von William Blakes „And did those feet in ancient time“ eine Weise an, die als Englands populärstes patriotisches Lied gilt.
Für einen Moment verwandelt sich der Dom in die Londoner Royal Albert Hall, wo das Lied in jedem Jahr die „Night of the Proms“ krönt. Niemand, der zu dieser mitreißenden Melodie nicht aus vollem Herzen mitsingt.
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