Jugendfete

Sexuelle Übergriffe auf Fasnachtsparty in Speyer: Wie eine 14-Jährige den Abend erlebte

Sechs Wochen nach den Vorfällen sind nicht alle Beteiligten vernommen. Ein Mädchen, das auf der Fete war, erzählt. Eine Whatsapp-Sprachnachricht hat sich außerdem schnell verbreitet

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Stephan Alfter
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So ähnlich sah das aus auf der Tanzfläche im Keller von St. Joseph in Speyer am Samstag vor Rosenmontag. Dann kam die Polizei. © istock

Speyer. Wie wird die 14-jährige Leonie eines Tages ihre erste richtige Party erinnern? Woran wird sie als Erstes denken, wenn ihre Kinder in 25 Jahren fragen, wie sie war - diese Faschingsfeier im Keller neben der Kirche St. Joseph? Welche Musik lief da? Wurde getanzt? Was gab es zu trinken? „Mit wem hast Du geknutscht, Mama?“, werden die Kinder womöglich wissen wollen. Erinnern wird sich Leonie aber am ehesten an das, was die Schlagzeile transportiert hat, die drei Tage nach der Party in der BILD zu lesen war. „Gruppen-Vergewaltigung einer 15-Jährigen? Tatort: Karnevalsparty bei der katholischen Jugend“. Seit 10. Februar diskutiert man in der Domstadt darüber, was an dem Tag genau geschehen ist.

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Stephan Alfter
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Leonie trägt in Wahrheit einen anderen Namen. Wir haben ihn geändert. An besagtem Samstag ist sie mit Freundinnen im Keller neben der Kirche nahe des Speyerer Zentrums unterwegs. Seit Jahrzehnten nutzt die KJG den Keller für Partys. Ob es dort zu sexuellen Übergriffen gekommen von angeblich vier Beteiligten auf ein 15-jähriges Mädchen gekommen ist, wird noch immer von den Ermittlungsbehörden untersucht.

Würde Leonie von der Polizei befragt, könnte sie zu neuen Erkenntnissen wahrscheinlich nicht viel beitragen, gegenüber dieser Redaktion spricht sie mit Erlaubnis ihrer Eltern aber darüber, wie der Abend abgelaufen ist, an dem sie das erste Mal die Wirkung von Alkohol gespürt hat. „Um 18 Uhr haben wir uns auf dem Platz vor dem Keller getroffen“, erinnert sich Leonie. Vorglühen. Die Mädchen stimmen sich auf die Party ein, zu der 14- bis 18-Jährige Zutritt haben. Neben der Kirche trinken Jugendliche vorwiegend Mischgetränke aus Bier und Wein.

Aus den Musikboxen dröhnen Texte des US-Rappers Travis Scott

Als die ersten Besucher gegen 19 Uhr den Keller betreten, übergibt sich draußen in der Schlange jemand. Er erlebt die Party nicht mehr. An der Türe werden von Sicherheitsleuten, die die KJG ausgewählt hat, Bändchen verteilt. Wer hereinwill, muss seinen Pass vorzeigen, beschreibt Leonie das Prozedere. Das Alter hat Einfluss auf die Farbe der Bändchen und auf die Frage Alkohol ja oder nein. Leonie wird an diesem Abend zwei große Weinschorle trinken, die ältere Mädchen für sie besorgen.

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Aus der Box im Gewölbekeller donnern Songs des US-Rappers Travis Scott und des inzwischen getrennten Berliner Hip-Hop-Duos SXTN. Vor dem DJ wird gegen 20 Uhr schon getanzt. Die Stimmung ist ausgelassen, wie die Veranstalter aus der KJG-Jugend das dienstags in einer Pressemitteilung beschreiben. Dass es in der Stunde danach auf der Jungentoilette zu Vorgängen kommt, die seit sechs Wochen von Ermittlern der Polizei rekonstruiert werden, bekommen zu diesem Zeitpunkt nur wenige mit. Klar zu sein scheint, dass es sexuellen Kontakt zwischen einem 15-jährigen Mädchen und mutmaßlich drei Jungs mit Migrationshintergrund im Alter zwischen 15 und 19 Jahren gab.

Unklar ist aber, wie der Geschlechtsverkehr einzuordnen ist. Die 15-Jährige wendet sich danach weinend an einen der Verantwortlichen bei der KJG, der die Polizei verständigt. Was das Mädchen gesagt hat, ist öffentlich nicht bekannt. Aus einer Sprachnachricht bei Whatsapp, die als Audio-Datei Verbreitung in Speyer (liegt vor) gefunden hat, geht aber hervor, dass es sich um einen Vergewaltigungsvorwurf gegen eine Person handeln muss.

Beteiligter beschreibt Abend per Whatsapp-Sprachnachricht

Einer der Beteiligten hat diese Nachricht nach der Party verschickt. Zum Inhalt gleich mehr. Fest steht, dass an dem Samstag Ermittler anrücken und bis 22.15 Uhr niemand den Keller verlassen soll. Die Jungs, um die es geht, sind da bereits weg und werden später im Rahmen einer Fahndung eingesammelt und zu einer Aussage mitgenommen. Sie kommen noch am Abend wieder auf freien Fuß. Die Handys werden ihnen aber abgenommen. Leonie und ihre Freundinnen bleiben weiter im Keller. Das Mädchen, um das es geht, sehen sie an diesem Abend das erste Mal.

Als die 15-Jährige mittwochs danach mehrere Stunden lang von Ermittlern förmlich vernommen wird, ist die genannte Schlagzeile schon mehr als 24 Stunden alt. Wenn sie wahr wäre, wäre eine Anordnung einer U-Haft gegen die Beschuldigten zu erwarten gewesen. Das bleibt aber aus. Ein Indiz dafür, dass die Aussage des Mädchens widersprüchlich sein könnte?

Beteiligte noch nicht alle vernommen

Wie der Leitende Oberstaatsanwalt Hubert Ströber sagt, sind die Beteiligten auch jetzt noch nicht alle vernommen. Ein ärztliches Untersuchungsergebnis des Mädchens liegt zwar vor, wird aber mit Verweis auf die schutzwürdigen Interessen nicht öffentlich gemacht. Das Ende der Ermittlungen sei nicht absehbar. Die wichtigste Frage bleibt: Geschah der sexuelle Kontakt zu den Jungs gegen den erkennbaren Willen des Mädchens. Das muss nun für jeden einzelnen der Beteiligten festgestellt werden.

In der besagten Audio-Datei, die auch den Ermittlern vorliegt, beschreibt einer der Jungs in einem üblen und respektlosen Jargon, dass er und zwei seiner Freunde Sex mit dem Mädchen hatten. Er habe sie vorher gefragt, ob sie möchte. Sie habe gesagt, „klar, komm“. Dabei habe sie gelacht und sogar noch gesagt, dass der eine „Kollege“ beim Sex besser gewesen sei als der andere „Kollege“. Sie habe sich die ganze Zeit an ihn herangemacht und sei deshalb mit auf die Toilette gegangen. Unter den Schülern glauben nach Leonies Darstellung inzwischen viele, dass die Version der Jungs eher zutrifft - auch wenn niemand mit denen, was zu tun haben wolle. Leonie auch nicht.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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