Speyer. Wie gut private Verbindungen in die neue englische Partnerstadt von Speyer bereits funktionieren, zeigt die Geschichte von zwei Fotodrucken aus einer Ausstellung in Chichester, die in Speyer neue Liebhaber gefunden haben.
Dazu muss man vorausschicken, dass der bargeldlose Zahlungsverkehr auf der britischen Insel bereits weit vorangeschritten ist. Dort wird deutlich mehr Plastikgeld über die Ladentheke geschoben als das bei uns der Fall ist. Viele Geschäfte nehmen kein Bargeld mehr entgegen. Das haben die Teilnehmer der sommerlichen Bürgerreise nach Chichester mit Erstaunen wahrgenommen und manches vorab in Deutschland eingetauschte englische Pfund Sterling wieder mit nach Hause gebracht, weil sie es in England nicht mehr ausgeben konnten. Wie weit dieser Trend zum bargeldlosen Zahlungsverkehr in Großbritannien fortgeschritten ist, konnten die Englandreisenden aus Speyer auch an einigen Straßenmusikern bewundern, die keinen offenen Gitarrenkoffer mehr auf dem Bürgersteig stehen hatten, um Bares einzusammeln, sondern ein Cash-Karten-Lesegerät bevorzugten, mit dem die Zuhörer ihren Obolus für das dargebotene Musikprogramm bargeldlos per EC-Karte entrichten konnten. Bestaunt wurde auch eine Toilettenanlage, bei der Geldmünzen nicht mehr als Türöffner halfen, sondern nur noch die Kreditkarte die Möglichkeit eröffnete, ein dringendes Bedürfnis zu verrichten. Um überhöhte Bankgebühren beim Rücktausch der englischen Währung im heimischen Speyer zu vermeiden, mussten also kreative Ideen entwickelt werden, wie die vorhandenen englischen Pfunde doch noch dem Wirtschaftskreislauf zugeführt werden konnten.
Spontan verliebt in Motive
An diesem Punkt beginnt die Geschichte von Edeltraud und Helmut Merz aus Speyer, die während der Bürgerreise nach Chichester im Rathaus der Partnerstadt eine Ausstellung des „Chichester Camera Clubs“ mit landschaftlichen Motiven aus England besuchten. Sie verliebten sich spontan in zwei Fotomotive dieser Ausstellung, die sie gerne mit nach Hause genommen hätten. Der Preis der beiden Kunstfotografien schien erschwinglich, die notwendigen Barmittel in englischer Währung waren vorhanden. Aber die beiden Fotografen waren kurzfristig nicht aufzutreiben und die noch anstehende Laufzeit der Ausstellung machte es unmöglich, die Fotoarbeiten während des Aufenthalts in der Partnerstadt abzuhängen und mit nach Speyer zu nehmen.
Edeltraud und Helmut Merz waren hartnäckig. Sie nahmen nach der Rückkehr aus Chichester per E-Mail mit den beiden Fotografen Chris Worsley und Guy Partington Kontakt auf und suchten einen Weg, die beiden Fotoarbeiten im Nachgang der Bürgerreise zu erwerben und nach Speyer schicken zu lassen. Schließlich waren ausreichend englische Pfund vorhanden, um den geforderten Preis zu bezahlen.
Am Bankschalter in Speyer erntete Helmut Merz allerdings nur Kopfschütteln: Er hätte seine englische Währung zunächst in Euro zurücktauschen müssen, natürlich mit entsprechenden Verlusten, um dann eine Auslandsüberweisung nach England zu tätigen, die ebenfalls mit saftigen Gebühren verbunden gewesen wäre.
Das war für ihn kein fairer Weg und er suchte, unterstützt vom Freundeskreis Chichester, in einem umfangreichen Mailwechsel mit den beiden englischen Fotografen über Wochen hinweg nach alternativen Möglichkeiten für den Geldtransfer seiner vorhandenen Pfund Sterling nach England.
Prominenter Bote
Eine passende Gelegenheit ergab sich dann mit dem Besuch des Organisten der Kathedrale von Chichester in Speyer, Charles Harrison, der am 16. September im Rahmen des Internationalen Orgelzyklus 2023 ein viel beachtetes Orgelkonzert im Speyerer Dom spielte. Helmut Merz bat Domkustos Dr. Christoph Kohl, der ebenfalls an der Bürgerreise nach Chichester teilgenommen hatte, um Vermittlung des Kontaktes zu Harrison und dieser war spontan bereit, die in Chichester geforderte Summe für die beiden Kunstfotografien in englischer Währung mit nach Hause zu nehmen und den beiden Fotografen persönlich auszuhändigen. Gesagt getan, der prominente Bote vollzog seinen Auftrag und aus Chichester kam nach dessen Rückkehr in die Heimat schnell grünes Licht. Die beiden Fotoarbeiten fanden sicher verpackt per Post ihren Weg nach Speyer und hängen jetzt, passend gerahmt, im Esszimmer der Familie Merz. Allein der Zoll sorgte bei dieser langwierigen, aber letztendlich erfolgreichen Transaktion noch für einen kleinen Wermutstropfen. Neben den Versandkosten wurden 25 Euro Zollgebühren fällig, um die beiden Fotoarbeiten aus dem Nicht-EU-Land England rechtmäßig nach Speyer einzuführen.
„Schwamm drüber“, sagt Helmut Merz, der sich jetzt über zwei Kunstfotografien mit landwirtschaftlichen Motiven aus Sussex freut. Sie erinnern ihn an seine eigene Kindheit in einem landwirtschaftlichen Betrieb in Speyer, sagt Merz. Das sei auch der Grund dafür gewesen, warum er diese Fotoarbeiten gerne erworben hat.
Und die Moral von der Geschichte: Auch im Zeitalter des bargeldlosen Zahlungsverkehrs sind persönliche Kontakte hilfreich, um bürokratische Hürden und den Gebührendschungel der Banken zu überlisten. Mit Hilfe der Städtepartnerstadt und des Freundeskreises Speyer-Chichester war es dann doch möglich, diesen ganz privaten Wunsch eines Speyerer Ehepaars unbürokratisch zu erfüllen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-speyer-kontakte-nach-chichester-wachsen-_arid,2144500.html