Speyer. Der Jazz wird im Innenhof des barocken Speyerer Rathauses nicht neu erfunden. Aber er wird auf besonders leidenschaftliche Weise zelebriert. Auch in diesem Jahr wartet die Veranstaltungsreihe „Jazz im Rathaushof“ bis zum Sonntag mit Ensembles und Bands auf, die in heimeliger Kulisse reichlich Genuss und Amüsement versprechen. Zum Auftakt frönten die „Hot Four“ dem Sound der Roaring Twenties, wie er 1920 und 1930 durch die Tanzpaläste, Bars und Clubs brauste.
Eröffnung von "Jazz im Rathaushof" in Speyer mit den "Hot Four" im Stil der Roaring Twenties
Als „Die heißen Vier“ ziehen sie schon seit 20 Jahren durch die Lande. Dabei pflegen die Musiker um den Künstlerischen Leiter des Rathausjazz, Bernhard Sperrfechter, einen betont gelassenen und entspannten Sound, der obendrein mit heiteren Pointen gespickt ist. Sperrfechter ist im Quartett als Banjospieler und Gitarrist in Aktion; bei dieser Veranstaltungsreihe waren die „Hot Four“ nun erstmals zu erleben.
Kornettbläser Joachim Lösch brachte sich als Moderator ein, der in lockerer Weise Informationen über Stücke, Komponisten und berühmte Interpreten einstreute. Duke Ellington, Louis Armstrong oder Fats Waller sind die Leitgestirne der „Hot Four“. Deren Songs werden in eigene Arrangements verpackt, die dem Originalsound huldigen, ihn aber zugleich für heutige Ohren auffrischen.
Auch modernere Poptitel werden nach Art des traditionellen New-Orleans-Jazz adaptiert. Stevie Wonders „Sir Duke“ oder „Proud Mary“ von John Fogerty bekommen auf diese Weise einen überraschend neuen Charakter, der den Stücken aber nicht wehtut, sondern sie eher aufwertet. Man hätte sich beim Auftaktkonzert im Rathaushof durchaus mehrere Kostproben solcher Neuinterpretationen gewünscht.
Leichtfüßige Musik bei "Jazz im Rathaushof" in Speyer macht Laune
Mit dem zünftigen New-Orleans-Jazzklassiker „Struttin’ with some Barbecue“, den Louis Armstrong populär machte, legten die „Hot Four“ los und bewiesen zugleich solistische und improvisatorische Qualitäten. Gut gelaunte, leichtfüßige Musik mit viel Swing, dem das agile Quartett mit Gesang durch Flüstertüten oder gepfiffenen Melodien zusätzliche Reize verlieh. Im Geiste sah man Josefine Baker mit Bananenröckchen durch den legendären New Yorker Cotton Club tanzen.
Garrelt Sieben, der für Ensemblemitglied Jens Hunstein eingesprungen war, ließ sich am Sousaphon – einer Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten Basstuba – vor allem als Walking-Bass-Spieler vernehmen, so zum rasanten Gospel „Down by the Riverside“. Bernhard Sperrfechter war ein agiler Banjospieler, der zugleich für rhythmische Akzente sorgte. Horst Aussenhof, der den Sound des Quartetts sowohl als Klarinettist als auch am Bass-Saxofon prägt, lieferte sich mit Kornettist Joachim Lösch launige Musikerdialoge. Jazzlegende Louis Armstrong machte Lösch mit dem Song „On the sunny Side of the Street“ auch stimmlich alle Ehre.
Begeistertes Publikum und fulminanter Abschluss bei den "Hot Four" in Speyer
Selbst der Satzgesang funktionierte im Quartett bestens. Überhaupt erwies sich das Zusammenspiel der „Hot Four“ als überaus harmonische Angelegenheit. Packende, dynamische Arrangements wechselten mit ruhigeren Titeln, etwa „Black and Blue“ von Fats Waller. Ilse Werners Schlager „Wir machen Musik“ aus dem gleichnamigen Spielfilm wurde flugs umgedichtet in „Vier machen Musik“, und an die Andrew Singers erinnerte der jüdische Song „Bei mir bist du shein“.
Mit dem Spiritual „When the Saints go marching in“ fanden die „Heißen Vier“ einen perfekten Abgang. Vom Publikum bejubelt, zogen die vier Musiker während der letzten Takte durch den Rathaushof. Stimmungsvoller kann man ein solches Musikfestival nicht eröffnen.
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