Speyer. Speyer und die Region haben mit Dieter Wenger eine ihrer außergewöhnlichsten Persönlichkeiten verloren. Der kreative Kopf, der über 60 Jahre lang die Motivwagen des Mainzer Rosenmontagszugs entwarf und baute, verstarb am 18. Januar im Alter von 84 Jahren. Nach einem Leben voller Schaffenskraft wollte er seinen Ruhestand in der Domstadt genießen, doch der Tod seiner Frau Hannelore im Oktober und seine eigene Gesundheit ließen diesen Wunsch unerfüllt. Wenger hinterlässt zwei Söhne aus erster Ehe sowie einen Stiefsohn.
Von Speyer in die Welt – ein Leben für Kreativität und Humor
Dieter Wenger, 1940 in Mainz geboren, kam früh mit dem künstlerischen Handwerk in Berührung. Nach seiner Ausbildung zum Bildhauer führte ihn sein Weg nach Speyer, wo er als Chefdekorateur beim Kaufhof tätig war. Dort lernte er auch seine spätere Frau Hannelore kennen, mit der er eine kreative und liebevolle Partnerschaft lebte. Die Domstadt wurde zur Heimat der Familie Wenger, auch wenn ihn sein Engagement für die Fasnacht immer wieder nach Mainz führte.
„Dieter und Hannelore haben das Leben in Speyer geliebt“, sagt Franz Becker. Der in Ketsch lebende Vorsitzende des in Altlußheim beheimateten Fides Carneval Clubs ist seit fast 50 Jahren ein enger Freund der Familie Wenger. Er erinnert sich an viele schöne Momente mit den Wengers. So kehrten sie regelmäßig gemeinsam im Narrenstübchen in Speyer ein. „Das war genau nach Dieters Geschmack. Hier kam es zu ungezwungenen Gesprächen mit so ziemlich allen Gästen im Raum“, erinnert sich Becker. „Viele kannten Dieter ja auch und sprachen ihn dann auf seine Motivwagen an. Da war er dann in seinem Element.“
Wenger galt als Meister der Satire mit politischen Festwagen
Wenger galt als Meister der Satire. Seine politischen Festwagen für den Mainzer Rosenmontagszug – von der „Pegida-Hexe“ bis zum „Trumpeltier“ – sorgten jahrzehntelang für Lacher und Denkanstöße. Dass er dafür jährlich rund 9000 Stunden Arbeit investierte, zeigt seine beispiellose Leidenschaft für das närrische Treiben. „Dieter hat seinen Beruf geliebt und nie als Belastung empfunden. Deshalb hat er es ja auch so lange gemacht“, erzählt Becker.
Seine letzten Glanzstücke präsentierte Wenger im Februar 2024, darunter den „fliegenden Robert“ und einen Biontech-Goldesel. Diese Werke waren die Krönung eines Lebenswerks, das nicht nur Mainz, sondern auch Speyer bereicherte.
Spuren in Speyer: Der Brezelbu und mehr
Auch in seiner Wahlheimat Speyer hinterließ Wenger bleibende Eindrücke. Für den Verkehrsverein Speyer (VVS), dessen Ehrenmitglied er seit 2021 war, gestaltete er das ikonische Eingangstor zum Brezelfest mit dem Speyerer Brezelbu. Zudem gingen zahlreiche Festwagen für den Brezelfest-Umzug auf seine kreative Arbeit zurück.
Uwe Wöhlert, Vorsitzender des Verkehrsvereins, würdigt Wenger als „wahren Freund“ und „kreativen Part“, der dem Verein und der Stadt viel zu verdanken sei. Besonders bemerkenswert: Wenger vermachte dem Verein einen großen Wagenanhänger, der auch in Zukunft beim Brezelfestumzug genutzt werden soll. „Viele weitere in Mainz geschaffene Dinge konnten nach Speyer transportiert werden und bereichern den Fundus unseres Vereins“, berichtet Wöhlert.
Wenger hatte noch zahlreiche Ideen für Projekte in Speyer, von denen einige bereits weit fortgeschritten waren. Der Verkehrsverein plant, diese in seinem Sinne weiterzuführen und so sein Erbe lebendig zu halten.
Für Verdienste um die Mainzer Fasnacht hoch dekoriert
Für seine Verdienste um die Mainzer Fasnacht wurde Wenger im August 2024 mit der Gutenberg-Plakette, einer der höchsten Auszeichnungen der Landeshauptstadt, geehrt. An seiner Seite bei der Verleihung: eine Delegation aus Speyer, die seine Leistungen auch über die Stadtgrenzen hinaus würdigte.
„Dieter Wenger war ein Macher, ein Künstler und vor allem ein Mensch mit großem Herz“, sagte Wöhlert. „Er hat nicht nur Mainz, sondern auch Speyer geprägt. Wir werden ihn sehr vermissen.“
Abschied von einem kreativen Visionär
Nach dem Tod seiner Frau Hannelore im Oktober war Dieter Wenger schwer gezeichnet. Das Paar, das über Jahrzehnte ein unzertrennliches Team war, hatte sich 2024 vom Wagenbau zurückgezogen. Gemeinsam wollten sie ihren Lebensabend in Speyer verbringen – ein Wunsch, dessen Verwirklichung ihnen nicht mehr vergönnt war. „Das macht uns unfassbar traurig. Wir hatten so viel gemeinsam vor“, sagt Becker, um direkt anzufügen: „Was uns tröstet, ist die Tatsache, dass sie mit dem Motivwagenbau bis zuletzt das gemacht haben, was sie geliebt haben.“
Wengers Schaffen bleibt unvergessen. Seine Werke, von den Mainzer Motivwagen bis zum Brezelfesttor, sind Zeugnisse eines Lebens, das ganz der Kreativität und der Freude gewidmet war. Beim Fides Carneval Club in Altlußheim, bei dem Wenger beim Bau der Motivwagen stets als Ideen- und Ratgeber präsent war, werden sie ihrem Mentor nicht nur bei den anstehenden Umzügen Gedenken. „Dieter wird in unserem Narrenstübchen in unserer Faschingshalle einen Ehrenplatz erhalten“, sagt Becker und fügt an: „Wir werden ihn nie vergessen.“
Die Beerdigung von Dieter Wenger findet am Donnerstag, 6. Februar, um 12 Uhr auf dem Friedhof in Speyer statt.
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