Speyer. Von Domkapellmeister Markus Melchiori als einer der ältesten Knabenchöre weltweit begrüßt, ließen die Regensburger Domspatzen nun ihr Licht in Speyer leuchten. Mit „Lux et Vita – Licht und Leben“ hatten sie ihr Programm im Dom überschrieben. Der Titel fügte sich ins Konzept der Internationalen Musiktage, die sich in diesem Jahr der Lichtmetapher im sakralen und kirchenmusikalischen Kontext widmen.
Zum einen bedeutet Leben das Gegenteil von Tod und damit von Dunkelheit. Zum anderen leuchtet das Licht als Zeichen göttlicher Präsenz mitten im Leben auf. Unter ihrem Leiter, Domkapellmeister Christian Heiß, unternahmen die Regensburger Domspatzen einen Streifzug durch 500 Jahre Chormusik. So hat Renaissancekomponist Thomas Tallis den gregorianischen Hymnus „Te lucis ante terminum“ fünfstimmig ausgesetzt – die Bitte um Schutz in der Nacht wird darin als Erfahrung einer verzagten Seele beschrieben, die sich vor den Erscheinungen der Dunkelheit sorgt.
Regensburger Domspatzen
Die Regensburger Domspatzen wurden 975 gegründet und sind damit möglicherweise der älteste Knabenchor überhaupt.
Bis heute liegt die Hauptaufgabe in der Gestaltung der Gottesdienste im Regensburger Dom St. Peter. Das Repertoire reicht von der Gregorianik bis zum Volkslied und Werken zeitgenössischer Komponisten.
Es gibt zwei weitere Knabenchöre und seit 2022 auch einen eigenen Mädchenchor. Zum Campus der Domspatzen gehören eine Grundschule, ein Gymnasium und ein Internat. urs
Die rund 70 Knaben und jungen Männer demonstrierten von Beginn an A-cappella-Gesang auf hohem Niveau. Eine präzise Intonation, klar konturierte Stimmlagen und eine atmende, impulsive und lebendige Dynamik sind Belege für eine gründliche Vorbereitung und eine ausgeprägte Disziplin. Davon künden auch das vierstimmige „Exultate Deo“ von Alessandro Scarlatti und „Aleph: Ego vir videns“ von Tomas Luis de Victoria. Die klangliche Ausgewogenheit, die zudem eine homophone Strahlkraft und polyphone Transparenz aufweist, ist ein weiteres Markenzeichen.
Konsistente Melodiebögen durchziehen Palestrinas doppelchöriges „Surge illuminare Jerusalem“, jener Stadt, der das Licht des Herrn verheißen wird. Nicht erst mit diesem Titel erweist sich der A-cappella-Gesang im Dom gleichsam als anschmiegsam wie raumfüllend. Dirigent Christian Heiß hat ein feines Händchen, um die hallige Akustik als Medium zu nutzen, das die Stimmen trägt. Trotz der zahlreichen Tempo- und Rhythmuswechsel in Pachelbels „Singet dem Herrn“ bleiben die vokalen Strukturen stabil. Sprachverständlichkeit und textnahe Artikulation ermöglichen beim Zuhören den gedanklichen Nachvollzug.
Voller Wut und Verzweiflung
Von Pachelbel zu Andrej Makors zeitgenössischem „O lux beata trinitas“ ist es ein vermeintlich großer Sprung; doch das fließend-harmonische Stück erweist sich als tief verwurzelt in der Chortradition, deren einzelnen Kapiteln die Regensburger Domspatzen eine authentische Darbietung widmen. Felix Mendelssohn Bartholdys achtstimmige Motette „Warum toben die Heiden“ bilden die Domspatzen in ihrer dramatischen Faktur ab; Wut und Verzweiflung verwandeln sich in einen andächtig-hymnischen Ausdruck.
Mit der zeitgenössischen Psalmvertonung „Ich will dir singen“ von Christian Heiß ist vor allem rhythmusbetonter Gesang gefordert, den die Regensburger mit lockerer Präzision darbieten. Ihr Konzert verstehen sie auch als christliches Bekenntnis, das Mut machen soll, aus der Dunkelheit dieser Zeit zu treten und nach dem Licht Ausschau zu halten, das laut christlicher Tradition Hoffnung geben kann. Das dreifache „Halleluja“ in Palestrinas „Dum complerentur“ wirkt überzeugend und wird mit leidenschaftlichem Nachdruck artikuliert.
Berührende Harmonien kennzeichnen Philip Stopfords „Ave maris stella“. Und es scheint, als würde das Lächeln im Antlitz der Marienstatue vor der Chororgel besonders begütigend auf diesen Chor blicken. Mag Max Reger auch älter sein als die Gegenwartskomponisten, so klingt doch sein „Morgengesang“ dank der scharfen chromatischen Modulationen am modernsten. Giovanni Croces „Buccinate in neomenia“ stößt mit seiner kanonischen Faktur auf einen sehr beweglichen Chorgesang, der auch den „Hörner- und Trompetenschall“ imaginiert. Mit Joseph Rheinbergers „Bleib bei uns, denn es will Abend werden“ entlassen die Regensburger Domspatzen das berührte Publikum in einen windigen und regnerischen Abend.
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