Rhein-Neckar. Es ist eine der letzten Fragen, die das Leben stellt. Wie möchte ich beerdigt sein? Zu behaupten, es gebe hierzulande einen bunten Strauß voller Antwortoptionen, wäre wohl euphemistisch. Es läuft eher folgendermaßen: Knapp 80 Prozent der Sterbenden verfügen in ihrem Testament, dass ihre leiblichen Überreste in einem Krematorium verbrannt werden sollen, um später in einer Urne auf dem Friedhof oder im Friedwald beigesetzt zu werden.
Die Übrigen entscheiden sich für die teurere Erdbestattung in einem Sarg. Nun gibt es einen neuen „Trend“, dem im vergangenen Jahr sechs Menschen in Schleswig-Holstein gefolgt sind. Bei der Re-erdigung - so der Name der neuen Bestattungsform - handelt es sich um eine Art Turbo-Kompostierung des Leichnams. Gewissermaßen der Umwelt zuliebe. Aus Erde - und dahinter steckt ein biblischer Gedanke - wird nach 40 Tagen und einem von Mikroorganismen beschleunigten Prozess wieder Erde.
Was das mit der Metropolregion zu tun hat? Nicht viel, um ehrlich zu sein. Denn: Re-erdigungen sind links und rechts des Rheins bisher vom Gesetzgeber nicht vorgesehen, wie die Pressestellen der zuständigen Ministerien in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auf Anfrage erklären. Ein Sprecher des Stuttgarter Sozialministers Manne Lucha sagt: „Rechtlich stufen wir die ,Re-erdigung’ mit dem Bestattungsgesetz als nicht vereinbar ein. Denn dabei befindet sich der Verstorbene - nach den uns verfügbaren Angaben - 40 Tage ,oberirdisch’ in einem Stahlzylinder und wird täglich gedreht.“ Es sei deshalb derzeit nicht vorgesehen, Re-erdigungen in Baden-Württemberg zuzulassen.
20 Kilogramm CO2 pro Leichnam in Krematorien
Pablo Metz möchte diese Sichtweise gerne rasch ändern. Der 42-jährige Betriebswirtschaftler ist einer von zwei Geschäftsführern eines Berliner Start-up-Unternehmens, das sich zum Ziel gesetzt hat, der Bestattungskultur auch an Rhein und Neckar eine CO2-freie Option hinzuzufügen. Mit der Landtagsfraktion der baden-württembergischen Grünen, die die Pläne unterstütze, sei man im Gespräch. Demnächst wolle man auf den Minister zugehen und über die Re-erdigung sprechen.
Es klingt zunächst etwas seltsam, aber es geht Metz um die Frage, wie nachhaltig - nun ja - der Tod ist. Oder besser ausgedrückt, wie nachhaltig wir mit den seelenlosen irdischen Überbleibseln eines gelebten Lebens umgehen. Auf den Punkt gebracht: „Emmitieren“ wir pro Leichnam in Deutschland weiterhin rund 20 Kilogramm CO2 in einem Verbrennungsvorgang, wie Wissenschaftler errechnet haben, oder schaffen wir es, dass der Mensch wirklich ein Klimaschützer wird - und zwar über den Tod hinaus.
Was heißt Re-erdigung?
- Natürliche Mikroorganismen kombiniert mit grüner Technologie verwandeln den menschlichen Körper innerhalb von 40 Tagen in Humuserde.
- Die Bestattungsform verbraucht kein CO2 und ist nicht teurer als eine Verbrennung im Krematorium.
- In Schleswig-Holstein läuft seit einem Jahr ein Pilotprojekt. Bisher haben sich sechs Menschen re-erdigen lassen.
- In der Metropolregion ist die Methode bisher nicht erlaubt.
Circulum Vitae (Kreislauf des Lebens) - der Name ist bei Metz Programm. Denn die Re-erdigung soll das Leben zu einem Kreislauf werden lassen. Das geht so: In einem Kokon aus Stahl, der äußerlich einem abgerundeten Sarg ähnlich ist, wird der oder die Verstorbene auf Grünschnitt, Stroh und Blumen aufgebahrt. Der Kokon wird geschlossen und es beginnt ein Prozess, der selbstständig von Bakterien vorangetrieben wird. Dabei spielen auch Luft und Wasser eine Rolle. Der Kasten aus Stahl wird - wie ein guter Wein - regelmäßig gedreht.
Re-erdigung: Viren sterben beim Zersetzungsprozess ab
Schon durch den Zersetzungsprozess selbst entsteht eine Temperatur von bis zu 70 Grad. Viren sterben nach Metz’ Worten nach kurzer Zeit ab - Sars-CoV-2 beispielsweise nach 60 Minuten. Nach 40 Tagen ist der leblose Körper zu einem Haufen Erde geworden. Die Knochen würden gemahlen und anschließend der Erde wieder beigefügt. Alles ganz ohne den Einsatz von Energie oder Chemie. Eine Option für die Pfalz? Aus dem Mainzer Gesundheitsministerium heißt es auf Anfrage knapp, dass derzeit viele Bestattungsformen diskutiert würden. Über die Re-erdigung könne jetzt keine Aussage getroffen werden.
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„Das hört sich grundsätzlich gut an“, sagt Tobias Göck, ein erfahrener Bestattungsunternehmer aus Speyer, zum Vorhaben der Berliner Kollegen. Diesbezügliche Erkundigungen oder Anfragen hat es bei ihm bisher aber nicht gegeben. Das Thema sei schlicht nicht angekommen in der Region, auch wenn es im Austausch innerhalb der Branche hin und wieder eine Rolle spiele. Göck äußert beispielsweise Bedenken wegen der Gerüche, mit denen die entstehende Erde behaftet sein könnte. Dass es 40 Tage dauere, bis die Erde schließlich bestattet werde, sieht er als Kostenfaktor, denn die Kokons müssten ja irgendwo stehen.
Der Berliner Unternehmer Metz widerspricht: Die nach dem Zersetzungsprozess entstandene Erde rieche wie frischer Humusboden, sagt er. Was die 40 Tage betreffe, so nutze man gerne Friedhofskapellen als Alvarium (im Gegensatz zum Krematorium). Metz ist es vor allem wichtig zu erwähnen, dass ihm schon jetzt viele Menschen mitteilten, dass es ein sehr tröstender Aspekt sei, wenn sie wüssten, dass aus der neu entstandenen Erde wieder etwas zu wachsen beginne und somit neues Leben entstehe.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Erde zu Erde: Ein fruchtbareres Ende gibt es nicht