Rhein-Neckar. Felder brennen, Früchte wachsen sich nicht mehr zu ihrer vollen Größe aus, Getreide vertrocknet – und stirbt ab. Der Klimawandel ist in der Landwirtschaft in der Region angekommen. Im Interview spricht der Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Pfalz Süd, Eberhard Hartelt, über trockene Böden, dramatische Ernteausfälle und über die Wasserfrage – „das herausforderndste Thema der kommenden Jahre“.
Herr Hartelt, die Landwirtschaft ächzt unter den Folgen von Hitze und Trockenheit. Können Sie als Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland Pfalz Süd nachts überhaupt noch ein Auge zu tun?
Eberhard Hartelt
Eberhard Hartelt (63) aus Göllheim im pfälzischen Donnersbergkreis ist seit 2014 Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd.
Er ist außerdem Verbandsvorsteher der Wasser- und Bodenverbände Rheinland-Pfalz. sowie Umweltbeauftragter des Deutschen Bauernverbandes.
Hartelt baut auf seinem eigenem landwirtschaftlichen Betrieb, der rund 80 Hektar Fläche umfasst, Weizen, Gerste und Raps an. agp
Eberhard Hartelt: In diesen heißen Nächten schläft man ohnehin schlecht (lacht). Aber im Ernst: Was ich gerade in der Natur und auf den Feldern beobachte, macht mir Angst. Ich wohne mitten im Wald und kann dort alten Eichen beim Sterben zusehen. Auf meinen Feldern habe ich einen Ton-Boden, der quillt und reißt. Überall fehlt es an Wasser.
Wie stark sind die Folgen für die Landwirtschaft?
Hartelt: Wir haben immer weniger Reservegrundwasser, auch im oberflächennahen Bereich. Das hat zur Folge, dass wir sehr stark auf aktuelle Niederschläge angewiesen sind, die die Früchte bis zur Ernte tragen. Dort, wo sie ausbleiben, haben wir zum Teil ganz dramatisch schlechte Ernten – oder Früchte, die gar nicht erst geerntet werden.
Inwiefern?
Hartelt: Wenn zum Schluss das Wasser nicht reicht, fallen die Früchte kleiner aus, das beobachten wir in diesem Jahr im Obstbau. Die Früchte werden dann vom Handel nicht mehr aufgenommen, weil sie bestimmte Größenkategorien nicht erreichen. Der Handel kauft stattdessen in der Türkei Kirschen ein, die diese Größe haben. Und bei uns bleiben sie hängen, weil sie etwas kleiner sind. Das ist nicht nachvollziehbar, das tut weh.
Und bringt Landwirte in Existenznot?
Hartelt: Wenn durch die Folgen des Klimawandels an der Nachhaltigkeit von Ernten gekratzt wird, dann verändert sich natürlich auch die wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Da kann man sich durchaus die Frage stellen, ob wir nachfolgenden Generationen guten Gewissens empfehlen können, weiterzumachen. Wenn es jedes Jahr ein größeres Lotteriespiel wird, ob es regnet oder nicht. Oder ob es viel zu viel regnet. Die ganzen Wetterextreme haben eine Dramatik, die mir Sorgenfalten auf die Stirn treibt.
Die Wetterextreme – mit das größte Problem für die Bauern?
Hartelt: Das größte Problem ist das Wasser selbst. Die Wasserfrage wird zum herausforderndsten Thema der kommenden Jahre werden, der Wasserkonflikt wird sich verschärfen. Das liegt am Grundwasser, das ich schon erwähnt habe. Wir haben auch in der Pfalz immer eine Grundwasserneubildung gehabt. Das heißt, die Wassermenge, die dem Boden entnommen wurde, war geringer als das, was an Regenfällen dazu kam und was sich über Jahrzehnte neu an Wasser gebildet hat.
Das hat sich aber geändert?
Hartelt: Inzwischen wird mehr Wasser entnommen – in erster Linie Trinkwasser in Tiefbrunnen – als an Niederschlägen herunter kommt. Das merken wir aktuell noch nicht akut, aber die Grundwasserneubildung ist gefährdet. Wir brauchen dieses Wasser natürlich, um unsere Trinkwasserversorgung sicher zu stellen. Aber wir brauchen es auch für die Lebensmittelproduktion.
In der Vorderpfalz dürfte das weniger ein Problem werden …
Hartelt: Was die Vorderpfalz betrifft, haben wir das große Glück, dass es den Beregnungsverband gibt, der einen vergleichsweise kleinen Teil des Rheinwassers nutzt, um rund 13 500 Hektar Fläche zu bewässern. Das belastet das Grundwasser nicht, aber in anderen Teilen der Region benötigen Landwirte dringend mehr Wasser. Zum Beispiel um Junganlagen im Weinbau zu wässern, wenn deren Wurzeln noch nicht so tief sind oder für Frostberegnung im Obstbau.
Was können wir also tun?
Hartelt: Wir haben in den vergangenen fünfzig Jahren überall durch die Versiegelung unserer Böden, – etwa durch Straßen und Wohnbebauung– sowie eine entsprechende Kanalgestaltung dafür gesorgt, dass Wasser ganz schnell in die Flüsse zurück fließt und keine Zeit mehr hat, zu versickern. Das rächt sich jetzt stückweise. Wir müssen nun eigentlich bei Starkregen dafür sorgen, dass wir mehr Rückhalt in der Fläche haben, zum Beispiel über Speicherbecken. Und wir müssen dem Wasser wieder die Möglichkeit geben, vor Ort zu versickern, um neues Grundwasser zu bilden. Daran müssen wir arbeiten.
Tut sich in diesem Bereich bereits etwas?
Hartelt: Ich bin auch Verbandsvorsteher der Wasser- und Bodenverbände Rheinland-Pfalz. Mir ist das Thema wichtig und wir arbeiten gemeinsam an dem Problem. Wir stehen aber noch ganz am Anfang, weil wir es hier mit einer Entwicklung zu tun haben, die Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird. Wir brauchen umfassende Infrastrukturmaßnahmen: Speicherbecken, kleine und größere, und Beregnung. Wenn ich an die Südpfalz denke, geht es auch darum, das Areal mit an das Rheinwasser anzuschließen, damit wir eben keine Entnahme mehr aus Brunnen benötigen. Das sind Maßnahmen, die sehr viel Geld kosten und die die Politik mitveranlassen muss, es braucht einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz. Ein einzelner Landwirt kann das gar nicht stemmen.
Was kann er dann tun?
Hartelt: Wir versuchen, die massiven Auswirkungen des Klimawandels abzumildern, das fängt bei der konsequenten, wasserschonenden Bodenbearbeitung an, sprich dass man weniger tief in den Boden eingreift. Und wir sind jedes Jahr auf der Suche nach Weizen – oder Gerstensorten, die mit Trockenperioden besser zurecht kommen. Wir haben auch die Hoffnung, dass sich in der Züchtung etwas tut.
Das ist im Moment aber noch ein Problem.
Hartelt: In Europa ist es verboten, moderne Züchtungsmethoden anzuwenden, auch wenn sie mit klassischer Gentechnik nichts zu tun haben. Gerade beim Getreide, könnten sie uns aber wirklich weiterhelfen Bekommt es kein Wasser, ist es tot. Andere Pflanzen stellen ihr Wachstum bei Trockenheit dagegen nur ein und nehmen es wieder auf, sobald sie wieder mit Wasser versorgt werden. Das wäre ein echter Fortschritt im Getreideanbau. Was uns Landwirten dagegen nicht weiterhilft ist eine Umstellung auf Zitrus- oder Olivenbäume – danach werde ich öfter gefragt.
Warum nicht?
Hartelt: Dafür gibt es bei uns keinen Markt, keine Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen. Dazu müssten auch die Böden passen, die passen aber nicht. Unsere Großväter haben sich aus guten Gründen für bestimmte Kultursorten entschieden. Das einfach umzudrehen, ist ohne weiteres nicht möglich. Man kann Anpassungsstrategien fahren, natürlich, das versuchen wir auch, mit Sonnenblumen oder ähnlichem. Wenn aber das Wasser für das Pflanzenwachstum fehlt, dann wird es einfach schwierig.
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