Es dauert über eine Stunde, bis Verbandsdirektor Michael Heilmann den sprichwörtlichen Elefanten im Raum anspricht - oder, wie er es nennt, den „definitiv unerfreulichsten Punkt“ auf der Tagesordnung. Es geht um die aktuelle Personalsituation bei den Verkehrsunternehmen und der Deutschen Bahn (DB). Bei der 70. Verbandsversammlung des Zweckverbands Öffentlicher Personennahverkehr Rheinland-Pfalz Süd (ZÖPNV) am Dienstag in Neustadt an der Weinstraße wurde vor allem über mögliche Maßnahmen diskutiert, die den Nahverkehr in der Region wieder zuverlässiger gestalten sollen.
Der Personalmangel bei der DB ist allgegenwärtig
Dass das Thema dabei über allem zu schweben scheint, wird schnell deutlich. Schon beim vierten Tagesordnungspunkt, der eigentlich für den Haushalt vorgesehen ist, kommen die Anwesenden der Versammlung schnell auf die prekäre Situation zu sprechen. Es wird von zahlreiche Beschwerden in der Westpfalz, von nicht funktionierendem Schienenersatzverkehr und akutem Personalmangel berichtet - die Verbandsmitglieder scheinen kollektiv unzufrieden. „Die aktuelle Situation ist für uns alle unbefriedigend“, stimmt der Vorsitzende des ZÖPNV, der Germersheimer Landrat Fritz Brechtel, den Wortmeldungen zu, verweist aber auf den extra für das Thema angesetzten siebten Tagesordnungspunkt.
Unser oberstes Ziel in den Gesprächen ist es, Stabilität hineinzubringen, notfalls mit Reduzierungen, um zuverlässiger zu sein.
Brechtel selbst wandte sich vor einigen Tagen mit einem Brief direkt an Bahnchef Richard Lutz. In diesem Schreiben kritisierte er die aktuell prekäre Situation im Personenverkehr scharf. Sie nehme für die Kunden und Kundinnen unerträgliche Maße an, da schon seit vielen Monaten in der Pfalz Züge ausfielen. Verantwortlich hierfür sei vor allem akuter Personalmangel in den zuständigen Stellwerken.
ZÖPNV will für mehr Stabilität sorgen
Bei der Versammlung verleiht er diesen Aussagen noch einmal Nachdruck. Das Schreiben sei nötig gewesen, da die aktuelle Situation mehr als unzumutbar sei. „Wie bekomme ich wieder mehr Personal?“ - eine zentrale Frage, die sich die DB nun stellen müsse.
Der ZÖPNV muss sich unterdessen mit den Folgen dieser Probleme auseinandersetzen. Wie können Fahrpläne angesichts des Personalmangels stabil bleiben? „Der Kunde oder die Kundin muss sich auf das, was veröffentlicht ist, verlassen können“, stellt Heilmann fest, als er auf den wichtigen siebten Tagesordnungspunkt zu sprechen kommt. Eine vergleichbare Situation habe er so noch nicht erlebt. Der Fachkräftemangel, aber vor allem auch die extrem hohe Krankheitsquote würden immer häufiger für Einschränkungen sorgen.
So habe die DB Regio erst vor Kurzem im Bereich des ZÖPNV ohne Abstimmung zwei Strecken auf Schienenersatzverkehr umgestellt. Bei zwei weiteren Strecken wurde das Angebot halbiert. Informationen seitens der DB Regio seien erst sehr spät gekommen. Mit dem nichtbesetzten Stellwerk in Ludwigshafen vor einigen Wochen, das für zahlreiche Ausfälle und Einschränkungen während eines gesamten Wochenendes sorgte, habe man laut Heilmann den Tiefpunkt erreicht.
Doch Besserung scheint nicht in Sicht. Das Stellwerk Neckargemünd sei nun mehrere Wochen nachts nicht besetzt, berichtet der Verbandsdirektor. Ziel sei es nun, ein zuverlässiges Angebot zu schaffen. Laut Heilmann muss sich die DB in erster Linie auf die hohe Krankheitsquote einstellen und zudem neues Personal gewinnen. Im Notfall ziehe das reduzierte Fahrpläne und Angebote nach sich.
Dazu will sich der ZÖPNV nächste Woche mit der DB Regio zusammensetzen und mögliche Maßnahmen diskutieren. Gemeinsam wolle man sich anschauen, inwiefern Betriebsabläufe reduziert werden können, um Arbeitskräfte freizuschaufeln, erklärt Heilmann. Auch eine Ausdünnung der Fahrpläne in den Ferien solle geprüft werden. „Unser oberstes Ziel in den Gesprächen ist es, Stabilität hineinzubringen, notfalls mit Reduzierungen, um zuverlässiger zu sein“, erklärt der Verbandsdirektor.
Damoklesschwert Riedbahnsanierung schwebt über allem
Dass die gewünschte Stabilität durch Reduzierung dabei im Widerspruch zur ausgerufenen Mobilitätswende und zum Schienenausbau steht, ist sich Brechtel bewusst. „Wir können nichts dafür, wir müssen jetzt aber mit den Folgen leben“, stellt er fest.
Über all der Problematik des Personalmangels schwebt zusätzlich das Damoklesschwert der Riedbahnsanierung. Wenn im nächsten Jahr die Verbindung zwischen Mannheim und Frankfurt für mehrere Monate gesperrt ist, scheint fraglich, wie die Bahn mit der zusätzlichen Belastung auskommen wird. Brechtel sieht daher die vorgelagerten Arbeiten an der Riedbahn im Januar 2024 als Generalprobe. Die daraus gezogenen Erkenntnisse müssten gut genutzt werden.
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