Mannheim. Alljährlich lädt der Bundespräsident Ehrenamtliche aus ganz Deutschland in seinen Amtssitz nach Berlin. Als Zeichen des Dankes für ihren wertvollen Einsatz. 4.000 waren in diesem Jahr bei Frank-Walter Steinmeier zu Gast, davon 15 aus der Metropolregion. Die Redaktion dieser Zeitung hat drei von ihnen im Schloss Bellevue begleitet. Und konnte feststellen: Sie haben es wahrlich verdient. Denn die drei Frauen engagieren sich seit Jahren für ihre Mitmenschen in Bereichen, die nicht die unbeschwerten des Lebens sind.
Martina Lenz arbeitet in der Notfallseelsorge
Da ist zum einen Martina Lenz. Mit ihrer Familie wohnt die 56-Jährige in Mannheim-Käfertal und ist beruflich als Trauerbegleiterin tätig. Ehrenamtlich engagiert sie sich seit den 1990er Jahren nach entsprechender Ausbildung als Notfallseelsorgerin. Zunächst im Ausland, unter anderem in den USA, dann wieder in Mannheim, als Fachberaterin bei der Notfallseelsorge.
Auch bei zwei großen Ereignissen ist sie im Einsatz: Als 2024 der Polizist Rouven Laur am Marktplatz mit einem Messer schwer verletzt wird (woran er bald darauf verstirbt), betreut sie dessen Familie im Krankenhaus. Nach der Amokfahrt auf den Planken am 3. März dieses Jahres, bei der zwei Menschen getötet, 14 verletzt und Dutzende als Augenzeugen traumatisiert werden, leitet sie den Einsatz der ehrenamtlichen Notfallseelsorge.
In ihrem Wirken unmittelbar nach der Tat und in den Wochen danach erweist sich Martina Lenz als „eine äußerst kompetente und verlässliche Ansprechpartnerin mit unermüdlichem Engagement“, heißt es in der Würdigung des Bundespräsidialamtes: „Ihr Auftreten war geprägt von Wertschätzung, klarer, konstruktiver Kommunikation und Einsatz für ihr Team und die Bürgerinnen und Bürger Mannheims.“
Mitmenschlichkeit lebt sie auch im privaten Rahmen: Neben ihren drei leiblichen Kindern gibt sie zwei Pflegekindern aus der Ukraine ein Zuhause. Die Pflegetochter hat gerade ihr Abi gemacht, der Pflegesohn absolviert im dritten Lehrjahr eine betriebliche Ausbildung.
Fenja Tappe engagiert sich für Verbrechensopfer
Fenja Tappe wohnt in den Quadraten und arbeitet bei der MWSP, der städtischen Gesellschaft, die für die Mannheimer Konversionsflächen zuständig ist. Seit 2021 engagiert sich die 30-jährige Germanistin im Weißen Ring, mittlerweile als Leiterin der Außenstelle Ludwigshafen. Um Opfern von Gewaltverbrechen praktisch zu helfen, schafft sie Netzwerke mit wichtigen Organisationen.
Und das quasi rund um die Uhr: „Gewalt kennt keine Sprechzeiten“, formuliert Tappe. Zuweilen bringt sie es auf zwei Stunden Arbeit für den Weißen Ring am Tag. „Ihr ehrenamtliches Engagement übersteigt das übliche Maß bei Weitem“, schreibt das Bundespräsidialamt.
Sarah Marx hilft bei den Maltesern Obdachlosen
Sarah Marx wohnt in Schriesheim und ist hauptberuflich Lehrerin. Ehrenamtlich engagiert sich die 37-Jährige seit zehn Jahren bei den Maltesern, ist in Heidelberg stellvertretende Stadtbeauftragte. 2021 initiiert sie das Projekt Wärmebus. Ein umgebauter VW-Bus, der zweimal wöchentlich in Heidelberg unterwegs ist, um Obdachlose mit Getränken, Speisen und Hygieneartikeln zu versorgen. Und oft ist sie mit dabei.
Als die Einladung Steinmeiers mit dem goldfarben aufgeprägten Bundesadler eintrifft, da ist das für alle Drei natürlich etwas Besonderes. „Das war schon eine Überraschung“, bekennt Fenja Tappe: „Und eine Freude. Denn ein Dankeschön zu bekommen, ist ja für einen Ehrenamtlichen der einzige Lohn.“ Sarah Marx findet die Idee dieser Veranstaltung, „Danke zu sagen für etwas, das oft als etwas Selbstverständliches betrachtet wird“, eine ganz tolle Sache. Und natürlich freut sie sich über „die große Ehre, vom Bundespräsidenten dazu eingeladen zu werden.“ Welche Erwartungen haben sie? Vor allem die, sich mit anderen Ehrenamtlichen auszutauschen, lautet unisono die Antwort.
Wunsch nach Austausch mit anderen Ehrenamtlichen
Tappe reist schon zwei Tage früher an. „Eine langjährige Freundin hat Geburtstag, und das wollen wir feiern.“ Und als Geschenk kann sie etwas überbringen, das man nicht kaufen kann: Die Freundin darf jene Begleitperson sein, die jede Eingeladene und jeder Eingeladene mitbringen kann. Sarah Marx muss am Vortag noch arbeiten, fährt deshalb mit ihrem Partner erst am Tag des Festes um 3 Uhr nachts mit dem Auto los und am Tag darauf schon wieder zurück. Martina Lenz dagegen möchte etwas länger bleiben, um ihrer Pflegetochter die Hauptstadt zu zeigen.
Dann der Tag des Festes. 15 Uhr. Der Einlass beginnt. Vor dem Schloss Bellevue warten die Gäste in zwei langen Schlangen auf die Sicherheitsschleuse. Die Drei aus der Kurpfalz haben sich früh angestellt und sind daher schnell drin. Das Schloss betreten sie auf einem roten Teppich durch den Haupteingang, vorbei an Wachsoldaten, die das Gewehr präsentieren – wie bei Staatsgästen. Aber das sind sie an diesem Tag ja auch.
Es geht durch das Foyer, in dem sich Könige und Präsidenten ins Goldene Buch eintragen, das auf einem Tisch aufgeschlagen aufliegt, über die Gartenterrasse in den Park. An beiden Seiten des Perron haben sich 30 Bedienungen aufgereiht, reichen Sekt, Wein und Häppchen.
Portugals Staatspräsident als Ehrengast
Dann, Punkt 16.45 Uhr, verkündet Moderatorin Bärbel Schäfer: „Meine Damen und Herren, der Bundespräsident und der Präsident der Portugiesischen Republik!“ Die beiden Staatsmänner betreten die Terrasse zum Park hin, alle Anwesenden erheben sich. Eine Atmosphäre, die niemanden unbeeindruckt lässt. Wann trifft man schon mal einen ausländischen Staatspräsidenten?
Doch beim Bürgerfest des Bundespräsidenten ist es Tradition, dass ein hochrangiger Vertreter des jeweiligen Partnerlandes anwesend ist. Diesmal eben sogar das Staatsoberhaupt. Marcelo Rebelo de Sousa ist keiner, den man bei uns kennt. In seinem Heimatland jedoch ist der 76-Jährige überaus populär.
Sousa hat in München studiert, hält sein Grußwort daher teilweise auf Deutsch. Doch vor allem hat er etwas mitgebracht, das am Abend ein beliebtes Fotomotiv sein wird: den Pokal der Uefa Nations League. „Wir sind etwas neidisch“, bekennt der Bundespräsident: „Aber wir sagen noch einmal: Herzlichen Glückwünsch zum Sieg!“
Doch vor allem beeindruckt Steinmeier, als er die Ehrenamtler würdigt: „Sie zeigen: Wir sind ein Land der Kümmerer, der Anpacker und Bessermacher, der Füreinandereinsteher und Ideengeber“, sagt er und setzt hinzu: „Gerade jetzt, wo Extremismus um sich greift, wo Spalter und Hetzer die sozialen Medien täglich zuschütten“. Und er ruft aus: „Diese Demokratie verteidigen wir!“ Und da bricht spontan riesiger Beifall los, der gar nicht mehr enden zu wollen scheint. Da ist auch der Bundespräsident gerührt: „Der Applaus an dieser Stelle tut gut.“
Selfies und Small Talk gleich mit zwei Präsidenten
Danach begeben sich die beiden Präsidenten zum Rundgang. Man kann sich den Kordon vorstellen, den Bodyguards um die zwei Staatsoberhäupter bilden. Die angekündigte Begegnung mit den Gästen ist etwas schwierig, doch möglich. Unentwegt stellen sich beide Präsidenten geduldig für Selfies in Positur, zuweilen kommt sogar ein kurzes Gespräch zu Stande. Mehr ist bei 4.000 Gästen eben nicht drin.
Insofern sind die Drei auch nicht enttäuscht, Steinmeier zwar aus der Nähe sehen, aber nicht mit ihm sprechen zu können. Am späten Abend gibt es für Sarah Marx aber ein Gruppenfoto „ihrer“ Malteser mit dem Bundespräsidenten.
Überhaupt gilt: „Man hat viele interessante Leute getroffen“, freut sich Marx. An den Ständen kommt man sofort mit anderen Ehrenamtlichen ins Gespräch, „war flott beim Du“. Für Marx natürlich interessant: das Berliner Projekt „Kältebus“. „Da kam man natürlich ins Fachsimpeln.“
26 Stiftungen und Unternehmen sowie 50 Initiativen haben im Schlosspark ihre Stände aufgebaut. Speisen und Getränke kommen aus den Partnerländern – dem internationalen, also Portugal, und einem deutschen, Rheinland-Pfalz. Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, dass die Auswahl an gutem Wein gigantisch ist. Die Winzer aus Rheinland-Pfalz haben eine riesige Weinkiste aufgebaut. „Es heißt, die größte der Welt“, sagt Steinmeier.
Die Drei aus der Metropolregion ziehen begeistert Bilanz
Wie ist die Bilanz der Drei? „Es war noch größer als ich gedacht hatte“, bekennt Sarah Marx. Und scheut sich nicht, das Wort „überwältigend“ zu verwenden: „Es braucht ein paar Tage, um es sacken zu lassen.“
„Es hat einfach alles gepasst“, bilanziert auch Fenja Tappe: „Vom Programm auf der Bühne und den Gesprächen an den Ständen über die kulinarischen Angebote bis zum Wetter.“ Zudem hat sie die Gelegenheit genutzt, das Schloss zu besichtigen: „Das war sehr eindrucksvoll.“
„Man hat gespürt: Es ist ein Fest, das für uns gemacht wurde“, sagt Martina Lenz: „Schön, mal nicht mit anpacken zu müssen, sondern genießen zu können. Ein Wohlfühlpaket für Ehrenamtliche.“
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