Landwirtschaft

Warum regionale Landwirte möglichst schnell mit ihrem Gemüse am Markt sein wollen

Im Gemüsegarten Pfalz läuft die Ernte der frühen Gemüsesorten auf Hochtouren. Es ist ein hartes Geschäft: Die Margen sind eng, die Energiepreise hoch - und andere Länder kennen keinen Mindestlohn

Von 
Bernhard Zinke
Lesedauer: 
Steffen Sahler (Gemüsebau Sahler, Dannstadt-Schauernheim) zeigt zwei Bund Radieschen auf einem Feld bei Meckenheim. © Bernhard Zinke

Meckenheim. Die erste Qualitätskontrolle findet direkt auf dem Acker statt. Die Erntehelferinnen und Erntehelfer, die sich knieend durch die Reihen auf dem Acker bei Meckenheim arbeiten, wissen genau, welche Radieschen auf dem Markt eine Chance haben und welche sie erst gar nicht in den Bund zu je 20 Knollen hinzufügen müssen. Denn auch wenn Radieschen mit leicht eingedrückter Schale oder kleinerem Umfang noch immer absolut genießbar ist: Bei den Kunden im Supermarkt hätten die Knollen keine Chance. Und deshalb würden die Handelsriesen sie auch gar nicht erst abnehmen. Darum bleiben viele Knöllchen auf dem Acker zurück.

Ernte in der Pfalz läuft auf Hochtouren

Es ist ein hartes Geschäft im Gemüsegarten Pfalz, in dem die Ernte der frühen Gemüsesorten wie Radieschen, Bundzwiebeln und Lauch längst auf Hochtouren läuft. Die Margen sind eng, die Energie- und Materialkosten seit dem vergangenen Jahr enorm gestiegen. Der Wettbewerb findet international mit Ländern statt, in denen es keinen Mindestlohn gibt und die mit ihren Produkten schon früh im Jahr die großen deutschen Handelsketten beliefern können.

Die Erntehelfer auf einem Feld bei Meckenheim ziehen die Radieschen aus dem Boden. © Bernhard Zinke

Aber: Die Pfalz hat ein gewichtiges Wort mitzureden. Schließlich gilt sie als Deutschlands größtes Freilandanbaugebiet für Frischgemüse. Und daran kommt auch der Lebensmitteleinzelhandel kaum vorbei - wenn zuverlässig mit den erforderlichen Mengen geliefert werden kann.

Wenn die Pfalz als Anbieter dazukommt, dann purzeln die Preise.
Björn Wojtaszewski Pfalzmarkt-Sprecher

Deshalb ist es für die Pfälzer Landwirte so wichtig, mit ihren Produkten möglichst früh am Start zu sein. Denn die regionale, frühe Ernte sorgt nicht nur für fallende Preise im Supermarkt, sondern auch für frische Produkte, die nicht erst durch halb Europa gekarrt werden müssen. Pfälzer Gemüse liegt schon am Tag nach der Ernte bundesweit in den Auslagen der Supermärkte. Aus Südeuropa sei die Ware dagegen immer zwei bis drei Tage unterwegs, streicht auch Pfalzmarkt-Sprecher Björn Wojtaszewski das Frische-Argument heraus: „Wenn die Pfalz als Anbieter dazukommt, dann purzeln die Preise.“

Mit Vlies und Folie gelingt den Pfälzer Bauern der Frühstart

Und wie schaffen die Pfälzer Bauern, die Natur zu überlisten und einen Frühstart hinzulegen. Was ist das Geheimrezept? „Vlies und Folie“, sagt Steffen Sahler. Anfang Februar beginnt der Landwirt mit der Aussaat der Radieschen. Sie gelten als die ersten Vitaminbomben, die im Pfälzer Boden reifen. Sahler ist spezialisiert auf Suppengemüse, Sellerie, Karotten, Bundzwiebeln, Petersilie. Unmittelbar nach der Aussaat kommt das Vlies direkt auf die Erde, darüber eine perforierte Folie, die Wasser und Luft durchlässt. Diese doppelte Decke hält die Wärme im Boden, auch wenn die Sonne noch nicht mit voller Kraft scheint. „Das Schlimmste ist eigentlich der Wind“, erläutert Sahler. Der trockne die Böden aus. Und auch das verhindern Vlies und Folie. Die sind zudem wiederverwendbar, werden direkt auf anderen Feldern mit späteren Kulturen weiterverwendet. Das spart Ressourcen und Kosten.

Mehr zum Thema

Landwirtschaft

Die Erdbeer-Saison in Lampertheim ist eröffnet

Veröffentlicht
Von
Rosi Israel
Mehr erfahren
Agrarprojekt

"Gemüseliebe" in Edingen-Neckarhausen: „Ein Modellprojekt schaffen“

Veröffentlicht
Von
Peter Jaschke
Mehr erfahren

„Ohne Vlies und Folie wären wir sicher vier bis fünf Wochen später am Start“, sagt Sahler. Wenn das Laub dann sprießt, kommt die Folie weg. Das Vlies bleibt bis kurz vor der Ernte drauf, verhindert, dass die Pflanze zu viel ihrer Kraft in die Blätter schießt. Schließlich geht es ja darum, eine schöne runde, saftige Knolle zu bekommen. Aber auch da kommt es auf gutes Timing an. Denn wenn die Pflanze zu viel Wasser bekommt, platzt sie - und auch diese Knollen braucht der Landwirt gar nicht in den Pfalzmarkt nach Mutterstadt zu transportieren. Er würde sie dort nicht abgenommen bekommen. Und was passiert damit? „Das wird Gründünger“, sagt Sahler achselzuckend.

Pfälzer Familienunternehmen ist generalstabsmäßig organisiert

In dem Familienunternehmen ist die Produktion generalstabsmäßig organisiert. Es dauert allenfalls ein bis zwei Stunden, bis die Radieschen vom Feld auf dem Weg zum Pfalzmarkt, der Großhandelsgenossenschaft, sind. Schon auf dem Feld werden die Radieschen zusammengebunden. In einer Produktionshalle kommen sie in eine Art „Whirlpool“, der die Knollen von Erdresten befreit. Eine weitere Qualitätskontrolle ist dazwischengeschaltet, bevor die Radieschen in grüne Transportkisten gepackt und in schon bereitstehende Lkw verladen werden.

Die Erntehelfer verpacken das Gemüse für den Transport zum Pfalzmarkt in grüne Kisten. © Bernhard Zinke

Dann geht’s weiter zum Pfalzmarkt, in dem rund 120 Erzeuger ihr Gemüse und Obst gemeinsam für den deutschen Lebensmitteleinzelhandel vermarkten. Dort blickt man freilich mit Sorgenfalten auf die Situation und den internationalen Wettbewerb. Zwar ist der Warenumsatz im vergangenen Jahr bei gleichbleibenden Produktionsmengen (rund 210 000 Tonnen Obst und Gemüse) um rund sechs Millionen Euro auf 173 Millionen Euro leicht gestiegen. Christian Deyerling, Aufsichtsratsvorsitzender der Pfalzmarkt eG, beklagt jedoch, dass die Erzeugerpreise die Steigerung der Produktionskosten nicht aufgefangen hätten. Das dürfe sich 2023 nicht wiederholen, weil sonst „unseren Betrieben die Existenzgrundlage entzogen wird“, so Deyerling.

Wachsendes Bewusstsein für regionale Produkte hilft heimischen Landwirten

In die Karten spielen könnten den regionalen Erzeugern indessen das wachsende Bewusstsein der Kunden, vermehrt bei regionalen Produkten zuzugreifen. Und der schon jetzt herrschende Wassermangel in Südeuropa sei sicher auch eine schwere Bürde für die internationale Konkurrenz. Zusammen mit gestiegenen Frachtkosten für Kühltransporte durch halb Europa könne dies dafür sorgen, dass die Bürger nicht zwingend mehr bezahlen müssten und die regionalen Erzeuger trotzdem von den Entwicklungen profitieren könnten, hofft Deyerling. Eine Prognose für Erntemengen und Warenumsatz will er freilich nicht abgeben.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen