Wie jede gute Beziehung will auch „Gemüseliebe“ gepflegt sein. Dazu sind Macarena Gargiulo (Seckenheim) und ihr Partner Niko Avramidis (Neckarstadt) nur allzu bereit. Vergangene Woche waren die beiden Mannheimer und ihr kleines Team schwer am Ackern, um den Boden zu lockern und mit Kompost zu beleben. „Die Jungpflanzen wollen in die Erde“, sagt Avramidis kurz vorm jüngsten Auspflanztag. Denn Anfang Mai soll der erste Ernteanteil dieser Saison ausgegeben werden.
Im dritten Jahr wächst und gedeiht das „Gemüseliebe“-Konzept des ökologischen Landbaus in Edingen-Neckarhausen. „Vielleicht sollten wir unser Leben überdenken.“ Dieser Gedanke begründet vor fünf Jahren die Idee des Paars von einer Mischung aus Marktgärtnerei – also biointensivem Anbau auf kleinstem Raum – und einer Prise solidarischer Landwirtschaft. Denn „Gemüseliebe“ arbeitet mit dem Edinger Junkershof von Silke und Georg Koch zusammen. „Sie vermieten uns Flächen, stellen Infrastruktur und nehmen uns einen Teil unserer Produkte ab“, erklärt Avramidis. Den Großteil ihres Umsatzes machen jedoch „Gemüseabos“ aus. Und das funktioniert so: Bezieherinnen und Bezieher erwerben Ernteanteile, die sie von Anfang Mai bis Mitte November wöchentlich abholen. Anfangs bekommt „Gemüseliebe“ wertvolle Impulse vom Mannheimer Mikro-Landwirt Bertram Fischer. Über die Edingen-Neckarhäuser Mietgärten der „Freizeitfarmer“ um Richard Bleil kommt Bauer Koch ins Spiel.
„Gemüseliebe“
- Macarena Gargiulo und Niko Avramidis sind die Gesellschafter der 2021 gegründeten „Gemüseliebe“-Marktgärtnerei auf dem Edinger Junkershof (Bahnhofstraße 52; Internet: www.gemueseliebe.com; Telefon: 0176/13 97 24 55).
- Durch verschiedene Saisonpreise (ermäßigt, normal und solidarisch) soll es auch Menschen, die über weniger Mittel verfügen, ermöglicht werden, frisches Gemüse zu abonnieren. So finanziert ein etwas teurerer Saisonpreis einen etwas günstigeren Gemüseanteil.
- Abholstationen für Abonnenten befinden sich auch in Ilvesheim und in den Mannheimer Stadtteilen Franklin, Lindenhof und Schwetzinger Vorstadt.
Bis zu 50 Kulturen
Dieses Jahr versorgt das vierköpfige „Gemüseliebe“-Team rund 80 Familien in der Region mit erntefrischem Saisongemüse. „Bis Ende April sind noch wenige Ernteanteile frei“, sagt Avramidis. Los gehen soll es – sofern das Wetter mitspielt – mit Schnitt- und Asia-Salat, Spinat, Radieschen, Frühlingszwiebeln, Rucola und Schnittlauch. Insgesamt werden in 28 Wochen bis zu 50 verschiedene Gemüsekulturen auf kleinster Fläche angebaut – „mit einer Fruchtfolge von drei bis vier Kulturen pro Beet“, wie Avramidis betont. Er kümmert sich um Bodenaufbau, Kompost, Organisation und Vertrieb. Seine Partnerin ist die Anbauplanerin. „Die Erkenntnis, dass auf kleinstem Raum reiche Ernten an qualitativ hochwertigem und schmackhaftem Gemüse erwirtschaftet werden – und das nicht zu Lasten der Natur –, verändert mein Leben“, sagt Macarena Gargiulo zufrieden.
Die Biologin und der Informatiker haben nebenberuflich ein Projekt aus dem Boden gestampft, mit dem sie ein großes Ziel verfolgen: „Wir möchten eine Art Modellprojekt schaffen im Leitbildprozess von Mannheim 2030“, erklärt Avramidis. Die in Edingen gesammelten Erfahrungen sollen auch dazu dienen, ein Gründungs- und Ausbildungszentrum für die gewerbliche Produktion von saisonalem Gartengemüse für die Nahversorgung zu realisieren. Schon jetzt geht über die Hälfte ihrer Ernte nach Mannheim. Abholstationen gibt es – außer in Edingen und Ilvesheim – bereits in den Stadtteilen Franklin, Lindenhof und Schwetzinger Vorstadt.
„Wir sind im Gespräch mit verschiedenen Stellen der Stadtverwaltung von Mannheim, um dort Flächen zu bekommen und eine Plattform für Interessierte zu schaffen, die unsere Idee vom Gärtnern mit umsetzen wollen“, führt Avramidis aus. Er sieht sich dabei voll im Einklang mit der „Zukunftsstrategie ökologischer Landbau“ der Bundesregierung. Laut Koalitionsvertrag soll bis 2030 ein Anteil von 30 Prozent Öko-Landbau erreicht werden. Gezielte Förderangebote, die unter anderem auf die Stärkung von Nachfrage und Angebot auszurichten seien, sollen den Umstieg erleichtern. Doch das könnte dauern, befürchtet Avramidis, denn ein Entwurf dieser Strategie wird im kommenden Mai auf der Nachhaltigkeitskonferenz des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft erst vorgestellt.
Für das leidenschaftliche „Gemüseliebe“-Team ist jedoch längst klar, dass angesichts vielfacher Probleme auf Dauer nur „eine kleinstrukturierte und nachhaltige Landwirtschaft“ weiterhelfen könne. Mit schonender Bewirtschaftung, biologischer Düngung und kurzen Wegen wirke man der Klimakrise entgegen. Mit Blühstreifen und Heckenpflanzungen schaffe man Lebensräume für bedrohte Organismen. „Dieser Ansatz macht die ganze Sache so reizvoll“, erklärt Avramidis, warum er und seine Partnerin im Hauptberuf reduziert haben, um ihren Traum zu verwirklichen.
„Eine Bereicherung“
„Wir sind noch meilenweit davon entfernt, davon leben zu können“, weiß Avramidis. Doch bedeute ihnen das Gärtnern „Sinnerfüllung, Spaß, Abwechslung und Herausforderung“. Die Verbindung zu Natur und Mensch sowie das bewusste Lernen durch Beobachten und Ausprobieren bereichere ihr Leben. Und so lautet ihr Motto: „Wir machen Gemüse aus Liebe, und Gemüseliebe macht uns aus.“
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/edingen-neckarhausen_artikel,-edingen-neckarhausen-gemueseliebe-in-edingen-neckarhausen-ein-modellprojekt-schaffen-_arid,2074204.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/edingen-neckarhausen.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/edingen-neckarhausen.html