Walldorf. Es ist ein Freitagnachmittag, kurz vor Feierabend. SAP-Mitarbeiter Philip Träutlein ist mit seiner Kollegin Alina Wachter zwischen zwei Bürokomplexen auf dem Campus in Walldorf unterwegs, als er plötzlich ein lautes Quieken hört.
Auf einem angrenzenden Feldstück sieht er zwei Raben, doch die jämmerlichen Laute können unmöglich von den Vögeln stammen. Kurzentschlossen nähert sich der 31-Jährige der Szenerie - und sieht, dass die beiden Raben auf einen kleinen Babyhasen einhacken. „Sie haben ihn richtig malträtiert, er war schon schwer verletzt und hat geblutet“, berichtet Träutlein.
Kontakte
- Für verletzte Wildtiere sind Jäger zuständig. Die entsprechenden Kontakte kann in der Regel die örtliche Polizeidienststelle vermitteln.
- Die Berufstierrettung Rhein-Neckar kümmert sich ebenfalls um versehrte Wildtiere – aber meist nur, wenn sie vertraglich zuständig ist. Telefon: 0151/61 40 08 40
- In Sandhausen gibt es die private Wildtierhilfe von Jeanette Plehn-Mahler. Dort liegt der Schwerpunkt auf Eichhörnchen. Telefon: 0152/53 92 92 86
- Luzie Eder päppelt verletzte oder geschwächte Hasen und Kaninchen auf. Auch die zweite Vorsitzende des Tierschutzvereins Schwetzingen ist ehrenamtlich tätig. Telefon: 06202/71088
Nachdem er die angriffslustigen Vögel verscheucht hat, liegt das kleine Häschen regungslos in einer Pfütze. Träutlein beginnt im Internet eine kurze Recherche: Was tun, wenn man ein verletztes Wildtier findet? In der Zwischenzeit legen er und Wachter das blutende und unterkühlte Tier behutsam in einen Pappkarton. Sie bringen es in ein Büro, um es aufzuwärmen. „Nach kurzer Zeit hat es sich dann wieder ein bisschen bewegt“, sagt der 31-Jährige.
Tierrettung, Tierheim, Polizei?
Was dann folgt, ist ein nervtötender Telefonmarathon. Träutlein ruft bei Tierheimen an, bei der Polizei, der Berufstierrettung Rhein-Neckar. Zuständig fühlt sich zunächst niemand, immer wieder wird er weiterverwiesen. Die Zeit verrinnt.
Tatsächlich sind die Zuständigkeiten in einem solchen Fall nicht leicht zu überblicken. „Wenn es sich um jagbares Wild handelt, fällt es in die Zuständigkeit des Jägers“, sagt Michael Sehr, Chef der Berufstierrettung Rhein-Neckar, auf Anfrage. Diesen dann aber auch zu erreichen, ist die große Schwierigkeit.
Die Berufstierrettung transportiere zwar auch versehrte Wildtiere, in der Regel aber nur für Vertragspartner. „Wir sind ein Unternehmen und müssen schauen, dass wir unsere Kosten eintreiben“, sagt Sehr.
Keine zentrale Anlaufstelle
Eine zentrale Anlaufstelle, an die man sich beim Fund eines verletzten Wildtiers wenden kann, gebe es jedenfalls nicht, berichtet der Tierretter. „Das ist regional sehr unterschiedlich. Es gibt beispielsweise Wildtiergruppen bei Facebook. Meistens stehen dann Privatpersonen dahinter“, berichtet Sehr.
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So eine Privatperson ist auch Luzie Eder aus Brühl. Bei ihr landet letztlich auch Philip Träutlein mit seinem verletzten Hasenjungen. Selbst Besitzer von zwei Katzen, ruft er nach zahllosen vergeblichen Anläufen schließlich bei seinem Tierarzt an, der ihm den entscheidenden Tipp gibt. Eder engagiert sich ehrenamtlich im Tierschutzverein Schwetzingen, verletzte Wildtiere nimmt sie inzwischen seit vielen Jahren bei sich auf und kümmert sich um sie.
„Es ist wirklich ein schwieriges Thema“, sagt die Tierschützerin. „Eigentlich fühlt sich keiner zuständig, die Wege sind umständlich und lang.“ Ehrenamtliche wie sie würden allein auf weiter Flur stehen. „Hier in der Region päppelt sonst eigentlich niemand verletzte Hasen auf.“
Helfer untereinander vernetzt
Untereinander seien die Helferinnen und Helfer aber vernetzt. „Ich arbeite etwa mit dem Tierschutzverein Frankenthal zusammen. Die leiten solche Fälle dann auch an mich weiter“, sagt Eder. Die Auslastung sei entsprechend hoch. „In den vergangenen drei Wochen habe ich sieben Tiere reinbekommen. Ich bin dauerüberfüllt“, sagt sie - denn auch um Hauskaninchen kümmert sich die Frau noch.
Während Eder auf Hasen und Kaninchen spezialisiert ist, landen bei der Wildtierhilfe Sandhausen überwiegend Eichhörnchen. Was nach einer großen Anlaufstelle klingt, ist letztlich aber auch nur eine Privatperson. Jeanette Plehn-Mahler steckt seit vielen Jahren Herzblut in den Tierschutz. „Tierärzte und die Polizei in Heidelberg melden sich bei mir, wenn sie Fälle haben“, berichtet sie im Gespräch mit dieser Redaktion.
Neben Eichhörnchen nimmt auch sie kleine Hasen oder Singvögel in ihrer zwei Zimmer großen Station auf. Das Ziel ist am Ende wie bei Luzie Eder, die Tiere wieder in die Wildnis zu entlassen, wenn sie dafür stark genug sind.
Beide Helferinnen wünschen sich bessere Strukturen bei der Wildtierhilfe, doch es ist kompliziert. Tierheime etwa haben oft nicht die Kapazitäten. „Bei uns gibt es keine Station zum Aufziehen der Tiere“, sagt etwa eine Mitarbeiterin des Mannheimer Tierheims. Die Einrichtung arbeite mit der Berufstierrettung zusammen, außerdem laufe viel über den Ordnungsdienst, wenn es sich auf städtischer Gemarkung abspielt.
"Für Menschen schwer anzusehen"
Jäger würden ohnehin meist dazu raten, die verletzten Tiere einfach liegen zu lassen, sagt Eder. Auch Michael Sehr von der Berufstierrettung geht in diese Richtung: „Natürlich ist sowas für Menschen schwer anzusehen, aber es wäre der natürliche Ablauf“, sagt er mit Blick auf den kleinen Hasen. Für Philip Träutlein war das keine Alternative. Am Tag nach seinem Fund hat er sich nach dem Wohlergehen des Tiers erkundigt. Die Perspektive ist nicht allzu schlecht, dass „Blitz“, wie er ihn getauft hat, bald wieder über die Felder der Region hoppeln kann - dank ehrenamtlicher Helfer wie Luzie Eder.
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[2] https://www.walldorf.de/
[3] https://www.tierrettung-rhein-neckar.de/unser-team
[4] https://www.tierschutzverein-schwetzingen.de/
[5] https://www.facebook.com/privatewildtierhilfesandhausen/
[6] https://www.tierheim-mannheim.de/