Bad Dürkheim. Hat Michael S. in Bad Dürkheim auf einen Rollstuhlfahrer eingeschlagen und den Senior bestohlen? Hat er den Mann unter die laufende Dusche gesetzt, um seine Spuren zu verwischen? Hat er ihn anschließend wieder ins Wohnzimmer geschoben und ihn gemeinsam mit einem Komplizen gefesselt und geknebelt? Oder sitzt Michael S. seit einem halben Jahr unschuldig in Untersuchungshaft?
Am Donnerstag ist vor dem Landgericht in Frankenthal ein Prozess fortgesetzt worden, der um diese Fragen und weitere offene Fragen kreist. Es geht um einen schweren Raub am 5. Mai 2023, an diesem Tag soll der 44-jährige Michael S. gemeinsam mit einem Komplizen an der Haustür eines Rollstuhlfahrers in Bad Dürkheim geklingelt haben. Beide Männer gaben laut Staatsanwaltschaft an, für die Gartenarbeit angeheuert worden zu sein. Dann drangen sie laut Anklage ins Innere des Hauses vor und sollen sich dort auf die Suche nach Wertgegenständen gemacht haben. Der Rollstuhlfahrer soll sie aufgefordert haben, das Haus zu verlassen.
Bevor er einen Notruf absetzen konnte, traf ihn der erste Faustschlag im Gesicht. Dann sollen die beiden Männer den Rollstuhlfahrer unter die laufende Dusche im Badezimmer gesetzt haben - um die Herausgabe der EC-PIN des Mannes zu erzwingen. Vielleicht auch um Spuren zu verwischen, schenkt man den Ausführungen des mutmaßlichen Komplizen Glauben. Dieser soll den Senior mit einem Hammer bedroht haben, dann fesselten und knebelten die beiden Täter den Mann laut Anklage und verließen mit 350 Euro Bargeld, einem Schmuckkästchen samt Inhalt und weiteren Wertgegenständen das Haus. Am Donnerstag äußert sich Michael S. vor Gericht zu den Vorwürfen.
Er streitet die Tat ab und erzählt eine ganz andere Version der Geschichte. Der 44-Jährige berichtet von seinem Entzug in einer Klinik in Bad Dürkheim, wo er einen alten Bekannten - den mutmaßlichen Komplizen - wieder traf, dem er aber aus dem Weg gegangen sei. Am 5. Mai 2023 seien beide gemeinsam zu einer Tankstelle gelaufen und es seien noch zwei weitere Männer dabei gewesen, so der Angeklagte. Dann trennten sich ihre Wege, sagt Michael S., der in diesem Moment mit sich selbst haderte, sagt er, weil er sich an der Tankstelle wieder Alkohol besorgt hatte, obwohl er doch eigentlich trocken werden wollte. Irgendwann sei er langsam zurück Richtung Klinik gelaufen.
Mutmaßlicher Komplize hat die Tat gestanden - und belastet den 44-Jährigen
Der mutmaßliche Komplize - er befindet sich aktuell in U-Haft und wartet auf seinen Prozess-Beginn - schildert das Geschehen am Donnerstag ganz anders: Michael S. habe das Haus des Rollstuhlfahrers am Vortag observiert und ihn am 5. Mai mit dem Vorschlag überrascht, den gehbehinderten Mann zu bestehlen. Die beiden hätten den Plan gefasst, einer solle den Rollstuhlfahrer in ein Gespräch verwickeln und ablenken, während der andere ihn bestehle. „Doch dann hat er ihn ins Haus geschoben“, sagt der Mann. Darauf habe sich die Situation verselbstständigt und dann habe er zugeschlagen.
Immer wieder funkelt der Mann Michael S. an, weil der ihn bei der Polizei angeschwärzt hatte, einen Unfall mit einem gestohlenen Auto begangen zu haben, den Michael S. dann aber doch einräumte. Laut Staatsanwaltschaft wurden am Tatort keine DNA-Spuren von S. gefunden, auch andere Spuren stimmten laut Gericht nicht überein.
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