Oberhausen-Rheinhausen. „Ich kenne Leute, die das Land schon verlassen haben. Ich würde das nicht tun. Ich kann nicht gehen. (...) Ich werde mit den Konsequenzen leben müssen.“ Was klingt, wie aus dem Tagebuch eines Juden in den 30er Jahren in Deutschland, sind in Wahrheit die Worte des amerikanischen Bestseller-Autors T.C. Boyle vor wenigen Tagen in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Es ging um die gegenwärtige Stimmungslage in den USA. „Er will Diktator werden“, sagt Boyle über den Mann, über den die Welt gerade am meisten spricht – Donald Trump.
Bundesstaat Oklahoma
- Sophie Schwechheimer studierte an der Oklahoma State University und lebte rund zehn Jahre in der Hauptstadt Oklahoma City. Oklahoma ist ein Bundesstaat im zentralen Süden der Vereinigten Staaten von Amerika, nördlich von Texas. Dort leben rund vier Millionen Menschen.
- Das Wort Oklahoma stammt aus der Choctaw-Sprache: okla ‚der Mensch‘ und humma ‚rot‘, die Zusammensetzung bedeutet so viel wie „Das Land des roten Mannes“.
Dass die USA in Teilen bereits jetzt zu einem relativ unfreien Land geworden sind, hat Sophie Schwechheimer selbst erlebt. Sie ist in Oberhausen-Rheinhausen aufgewachsen und in Speyer zur Schule gegangen. Nachdem sie in Norwegen ein internationales Abitur abgelegt hat, weil es sie bereits in der zehnten Klasse ins Ausland zog, bekam sie ein Vollstipendium an der University of Oklahoma in den Südstaaten der USA. Zwischenzeitlich sah es gar so aus, als würde sie gar nicht mehr zurückkehren in die Kurpfalz. Dann ging alles aber schneller als gedacht. Der Grund: Die Geschwindigkeit, in der sich das Leben in den USA seit der ersten Amtszeit Donald Trumps verändert hat – auch unter Präsident Joe Biden.
Corona: Masken und Impfung wurden schwierige Themen
Schwechheimer arbeitete seit dem Ende ihres Studiums für eine wohltätige Stiftung. Eine Greencard hatte sie zwischenzeitlich unter Einsatz einer Rechtsanwältin schwer erkämpft, denn wenigstens einmal pro Jahr wollte sie ihre Eltern zu Hause besuchen. Sie beschreibt im Gespräch mit dieser Zeitung eine zunehmende Spaltung in der US-Gesellschaft, die sich in der Corona-Zeit beschleunigt habe. Über Masken und Impfungen sei die Kommunikation mit manchen Kollegen und Kolleginnen schwergefallen, sagt die 29-Jährige.
Auffällig sei die Unterschiedlichkeit der Meinungen je nach Art des Medienkonsums gewesen. Überhaupt, sagt sie, gebe es in den USA oft weniger objektive Information und stattdessen ganz viel Meinung in den Fernsehbeiträgen. Social-Media-Freundschaften seien während und nach der Pandemie je nach Lager-Zugehörigkeit beendet worden. „Ich konnte aber auch nicht alle aus meinem Leben ausschließen, die anderer Ansicht waren“, erinnert sie sich an die Entscheidung einiger ihrer Freunde, Kontakte zu republikanischen Anhängern gänzlich zu löschen. Die Lösung sei dann oft der Satz gewesen: „We agree to disagree.“ (Wir sind uns einig, dass wir uns uneinig sind). Die Tötung von George Floyd durch einen weißen Polizeibeamten im Mai 2020 sei zu einem weiteren Tabu-Thema geworden. Corona, Rassismus und der Sturm aufs Capitol am Ende der ersten Trump-Amtszeit – das Land der unbegrenzten Möglichkeiten hatte sich zuvor schon entzweit. Aber jetzt wurde es für jeden sichtbar.
Als Deutsche habe sie lange Zeit keine Schwierigkeiten gehabt in den USA, sagt Sophie Schwechheimer. Geholfen hat ihr dabei stets ein perfektes Englisch. Man hörte ihr einfach nicht an, dass sie aus Deutschland kam. Gerade im Süden der USA gebe es aber auch eine sehr große Gastfreundschaft, sagt sie. Doch je näher die zweite Amtszeit Trumps rückte, desto größer wurden auch ihre Bedenken, als sie die sich verändernde Welt um sich herum beobachtete. Der Bildungsstandard sei in Oklahoma weniger hoch als anderswo, gleichzeitig seien die Bürger weiterhin davon überzeugt, dass die USA besser seien als der Rest der Welt. Das Wissen um die Geschichte anderer Erdteile und Staaten ist derweil begrenzt. So ungefähr beschreibt es die gebürtige Heidelbergerin. Hinweise darauf, dass es in Europa oder anderswo Länder gebe, in denen manches besser funktioniere, hätten dann häufiger zu dem Satz geführt: „Dann geh doch wieder zurück“.
10.000 Dollar für Menschen, die Mitbürger verraten
Inzwischen, so Schwechheimer, äußere sich die Spaltung bereits darin, dass sogar Geld an Leute bezahlt werde, die andere Bürger oder Nachbarn denunzieren – zum Beispiel wegen illegaler Abtreibungen. Der Gouverneur von Oklahoma, Kevin Stitt, hatte im Mai 2022 ein Gesetz unterzeichnet, das so gut wie alle Schwangerschaftsabbrüche in dem US-Bundesstaat verbietet. Bis zu 10.000 Dollar würden in Texas an Leute bezahlt, sagt die Rückkehrerin, die Hinweise auf Schwangerschaftsabbrüche gäben.
Und sie nennt ein weiteres Beispiel, in welcher Weise sich der politische Geist verändert: Das kostenfreie Schulessen sei mancherorts abgeschafft worden, weiß sie. Stattdessen habe es für jeden Schüler und jede Schülerin eine kostenlose Bibel gegeben. Auf dem medizinischen Sektor seien Frauen mit ungeklärten Blutungen zum Teil nicht mehr behandelt worden. Dass eine Frauenarztpraxis wegen der gesetzlichen Bedingungen geschlossen wurde, habe sie selbst miterlebt – und die Tränen gesehen, die deshalb geflossen seien.
Sophie Schwechheimer ist zurück in Deutschland – und erfährt nach eigenen Worten gerade, „wie privilegiert wir hier leben.“ Aber: Sie steht noch am Anfang ihres neuen Lebens. Vorübergehend wohnt sie wieder in Oberhausen-Rheinhausen. Einen Job hat sie schnell gefunden – als Social-Media-Referentin bei der Landesgartenschau in Neustadt, die im Jahr 2027 eröffnet wird. Zwischen der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten und ihrer USA-Ausreise lagen nur wenige Wochen. „Wir sind in derselben Situation wie Deutschland 1933“, sagt T.C Boyle in dem eingangs genannten Interview.
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