Mannheim. Aus allen Seitenstraßen laufen die Leute auf den Rathausplatz zu, schleppen Stühle. Denn so sind die Spielregeln: Kein Eintritt, aber jeder muss seine Sitzgelegenheit selbst mitbringen. So werden alte Holzklappstühle gebracht und leichte aus Plastik, man sieht einfache Hocker, edle Gartenmöbel und gepolsterte Campingliegen, Bewohner umliegender Häuser genießen ihre Logenplätze.
Manche Besucher haben gar Kühltaschen mitgebracht und machen Picknick, andere holen sich Pizza und Eis von den beiden italienischen Gastronomen am Platz oder eine Bratwurst im Brötchen, die das Team von Bauer Thomas Bossert ebenso anbietet wie Leihstühle.
Rathausplatz voll besetzt
Die Idee zu diesem Abend geht auf Thomas Bossert zurück. Der Landwirt hat sich da an die Zeiten des Open-Air-Kinos im Schneckenhof erinnert. Er wollte zugleich etwas tun, um Wallstadt zu beleben. Doch „Brillenmacher“-Inhaber und Augenoptikermeister Michael Penczek greift sie auf und es gelingt ihm, etwa bei den Behörden, einige Probleme zu überwinden. Bei der Premiere 2018 war der Rathausplatz mit rund 600 Zuschauern voll besetzt, 2019 kamen trotz Gewitterwarnung und Regenschauer etwa 500 Personen. Dann musste die für den Ort neuartige, aber auf Anhieb beliebte Veranstaltung wegen der Corona-Pandemie zwei Jahre lang pausieren und auch jetzt war lange unklar, ob die behördlichen Auflagen eine Wiederholung zulassen. Aber Penczek, inzwischen Vorsitzender vom Bund der Selbständigen (BDS) in Wallstadt, hat es nun wieder geschafft –und die Wallstadter danken es ihm. Bis zum Maibaum am westlichen Ende ist der gesamte Rathausplatz besetzt. Dort hat sich die Freiwillige Feuerwehr des Ortes mit einem Löschfahrzeug postiert, die ohnehin an diesem Wochenende Bereitschaftsdienst hat. „Wir wollen für den Ort da sein“, sagt Kommandant Enrico Starck.
Um Leinwand und Tontechnik auszuleihen und den Platz von der Stadt zu mieten, fallen allerdings Kosten an. Aber zahlreiche Wallstadter Geschäftsleute, von denen jeweils ein kleiner Filmspot läuft, helfen – ein Werbeblock eben, wie im Kino. Bis der Film anlaufen kann, muss es ohnehin ausreichend dunkel sein. Die Zeit bis dahin sorgt Singer und Songwriter Robin Carpe, der mal Teilnehmer von „Voice of Germany“ war, für hervorragende Unterhaltung an diesem schönen Sommerabend.
Nach Sonnenuntergang läuft auf der fünf mal drei Meter großen Leinwand vor dem rot illuminierten Rathaus mit einem Hochleistungssprojektor in Kinoqualität der Film „Ein Tick anders“ von Andi Rogenhagen, eine Komödie aus dem Jahr 2011. Im Mittelpunkt steht die 17-jährige Eva (Jasna Fritzi Bauer), die unter dem Tourette-Syndrom leidet, die Schule abbricht, an einem Gesangscasting teilnimmt und noch viel mehr erlebt. Manchmal treiben ihre Ticks sie zwar in den Wahnsinn, doch eigentlich ist Eva glücklich. Denn im Kreise ihrer schrägen, aber liebevollen Familie akzeptiert jeder sie, wie sie ist. Erst als ihr Vater (Waldemar Kobus) seinen Job verliert, gerät die familiäre Balance aus dem Lot: Gemeinsam mit ihrer Oma (Renate Delfs) und ihrem Onkel (Stefan Kurt) versucht Eva, trotz ihrer Krankheit der Familie bei der Existenzsicherung zu helfen, was zusehends ins Chaos führt – bis Eva schließlich über sich und ihre Krankheit hinauswächst und merkt, dass es Zeit wird, ihr eigenes Leben zu führen...
Er habe einen deutschen Film zeigen wollen, so BDS-Vorsitzender Michael Penczek. „Es ist ein Familienfilm, der Spaß macht“, sagt er, auch wenn obszöne Worte vorkämen.
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