Ein Jahr unterwegs - Eine Speyerer Familie ist seit neun Monaten mit einem umgebauten Bus zwischen Europa und Asien auf Tour

So erlebt eine Speyerer Familie ihre "Weltreise" im Wohnmobil

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Stephan Alfter
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Bizarre Felsformationen: Christian, Levin und Erika Müller-Runge stehen auf kleinen Gipfeln des Waschlowani-Nationalparks in Georgien. © Sebastian Schubbe

Speyer. Anfangs „nur" von Corona überschattet, wurde der Trip in den vergangenen Wochen auch zu einer Vorbeifahrt an den Unruheherden, die die Welt seit Jahrzehnten immer wieder mehr oder weniger in Atem halten. Der Streit zwischen Armenien und Aserbaidschan um die im Kaukasus gelegene Region Bergkarabach blieb den Müllers nicht verborgen. Der Iran-Irak-Konflikt, die Kurdenfrage - nicht zuletzt der Angriffskrieg der Russen auf die Ukraine hat die Reiseroute der Speyerer beeinflusst.

Am Dienstag stehen die drei, die auf dem Weg eine weitere Familie aus Speyer getroffen haben, in Lallisch, einem Tal im Norden des Irak an der Grenze der heute autonomen Region Kurdistan. Es ist das geheimnisvolle Mekka der Jesiden, einer Religionsgemeinschaft, deren religiöse Traditionen ausschließlich mündlich überliefert sind. Nicht weit entfernt hat die türkische Armee wenige Stunden zuvor Stellungen der kurdischen Untergrundorganisation PKK angegriffen. Beobachter sprechen von einer innenpolitisch motivierten Aktion des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Schatten des Ukraine-Krieges. Peschmerga-Soldaten haben den Müllers jedenfalls versichert, dass für sie keine Gefahr bestehe. Die Türken würden sehr gezielt gegen die PKK vorgehen.

Mancherorts jubelnde Menschen

Kann es - um Theodor W. Adorno zu bemühen - das Richtige im Falschen geben? Also eine gute Reise durch eine schlechte Welt? Es kann. Wie aus einem Mund sagt das Paar: „Wir haben so viele positive Dinge erfahren und das wollen wir auch hervorheben.“ Und die beiden widersprechen dem Eindruck, dass die Welt derzeit einfach nur ein Trauerspiel ist. „Die Welt ist gut“, sagt Erika Müller-Runge. Es seien nicht die normalen Menschen, die die Welt zu dem machten, was sie ist, sondern die Politiker.

Zwischenstopp auf einem Hochplateau irgendwo in Armenien: Immer wieder treffen die Müllers auf Menschen, die auf ähnlichen Routen unterwegs sind. © Sebastian Schubbe

Jubelnde Menschen seien ihnen auf dem Weg begegnet. Da, wo die Armut am größten ist, da seien die Menschen besonders gastfreundlich und hilfsbereit, bestätigt die Familie ein gängiges Urteil. Auf Instagram hat Erika Müller-Runge viele Stationen des Abenteuers festgehalten. Immer wieder zeigen die Bilder die drei Speyerer mit Einheimischen beim Essen, beim Schafscheren oder einfach nur beim Tanken an einer einsamen Tankstelle. Günstiger als Wasser sei das Benzin vor allem im Iran gewesen: zwei bis drei Cent (!) pro Liter.

Atemberaubend sind die Landschaften, die die Reise der Müllers zu dem machen, was sie ist: eine Entdeckungstour, die in keinem Reise-Katalog dieser Welt gebucht werden kann. Den Tränen sei sie besonders einmal sehr nah gewesen, als sie von der einzigartigen Kulisse des großen Kaukasus übermannt worden sei, erzählt die Mutter von drei (teilweise erwachsenen) Kindern, deren Wurzeln in Tscheljabinsk liegen. Ein Besuch in ihrer russischen Heimat bleibt zumindest auf dieser Reise aus nachvollziehbaren Gründen aus.

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Speyerer Familie auf großer Tour Richtung China

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Im großen Kaukasus sei sie jedenfalls aus dem Bus ausgestiegen und eine Weile gelaufen, um die Bilder in sich aufzusaugen und zu verarbeiten. An einem vereinbarten Punkt traf sie Mann und Sohn wieder. Inzwischen sind es rund 27 000 Kilometer und etwa 13 Länder, die hinter ihnen liegen. Die Ukraine war eigentlich fest eingeplant im Tour-Kalender. Viele geflüchtete Menschen von dort haben die Müllers stattdessen in Georgien getroffen, wohin auch Russen geflohen sind, die ihre Heimat aus Angst oder Protest gegen die Politik Putins verlassen haben.

Glückliche Momente

Es sind Hunderttausende Eindrücke, die die Familie mit nach Hause nimmt. Der 13-jährige Levin - so beschreibt es seine Mutter - freue sich langsam auf eine Pubertät mal ohne Eltern. „Er bemüht sich trotzdem, weiterhin mit uns befreundet zu sein“, sagt seine Mama augenzwinkernd. Ihr Mann erzählt, dass das mit dem Unterricht auf der Reise bisher gut funktioniert habe - besonders im Iran, als auch mal vier Wochen Ferien angesagt gewesen seien.

Begeistert ist die Familie von der Zeit auf Hormus, die eine Art Hippie-Insel ohne die festen Gesetze der Scharia geblieben sei. Besonders Levin bleibt die dreitägige Rucksacktour dort als einer der glücklichsten Momente in Erinnerung. Es gibt es also - das Gute im Schlechten.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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