Schriesheim. Den Aperitif gibt es im duftenden Kräutergarten, unter dem Dach von platanenförmigen Maulbeerbäumen: Wer ins neue Feinschmeckerlokal „Raro“ von Dustin Dankelmann kommt, wird gleich mit allen Sinnen angesprochen. Aus dem Mühlenhof, der ehemaligen Kerzenfabrik hoch über Schriesheim, ist nach einem Dreivierteljahr Umbau ein blühendes und grünes Schmuckstück geworden. Nach einer aufreibenden Baustellenzeit soll nun Ende September eröffnet werden.
Die ehemalige Kerzenfabrik aus dem Ende des 19. Jahrhunderts mitten im Grünen ist kaum wiederzuerkennen. Mit viel Fingerspitzengefühl ist der Charakter des Gebäudes mit seinen zwei Fensterreihen übereinander und dem 14 Meter hohen Wirtssaal erhalten geblieben - und doch alles geschmackvoll, asiatisch-nüchtern, aber gleichzeitig gemütlich eingerichtet worden. Das liegt vor allem am dunklen Holz und langen, naturfarbenen Stores. „Shou Sugi Ban“ heißt die traditionelle japanische Methode der Holzkonservierung, die hier angewandt wurde.
Das „Farm to table“-Konzept des Restaurants - hier kommen vor allem selbst angebaute Gemüse und Früchte auf den Tisch - spiegelt sich in der Restaurantgestaltung. So macht eine Tapete aus Teefasern den Clubraum im oberen Bereich wohnlich, gleichzeitig sorgen die Blätter der eingearbeiteten Zitronenverbene für einen leicht zitronigen Raumduft.
Platz für 35 Sitzplätze hat das Restaurant drinnen und draußen. Nur mit vorheriger Reservierung kann man hier einen Tisch bekommen. „Das Reservierungssystem wird demnächst freigeschaltet, aber es haben sich schon 800 Interessierte eingetragen“, berichtet Manfred Lautenschläger. Der MLP-Gründer und Mäzen hat den Mühlenhof vor rund 20 Jahren gekauft, um darin gemeinsam mit der Evangelischen Stadtmission ein soziales Projekt unterzubringen.
Das "Raro" ist ein Neuanfang für ein traditionsreiches Gebäude in Schriesheim
Jahrelang bewirtete hier „Das Wirtshaus“ von Jürgen Opfermann Gäste, um das Restaurant herum gab es einen Streichelzoo und ein Obdachlosenprojekt, das sich um die Tiere kümmerte. Der bisherige Küchenchef ging in Rente, und das Projekt der Evangelischen Stadtmission hat sich wieder auf den Talhof in der Nachbarschaft konzentriert.
Den Neuanfang gestaltet nun Dankelmann mit dem Hauseigentümer, der Manfred-Lautenschläger-Stiftung. Mit dem Verein Incluso, der sich um junge geistig Behinderte kümmert, bleibt ein soziales Projekt am Mühlenhof - und hat nun mehr Platz und schönere Räume bekommen. „Wir freuen uns über die neuen Nachbarn“, sagen Gabriele Leonhardt und Heidi Beeskow.
Der Neusser Dustin Dankelmann (31) studierte Biologie und entdeckte als Praktikant beim Drei-Sterne-Koch Juan Amador (damals Mannheim) die Leidenschaft fürs Kochen. Nach der Ausbildung im Althoff Schlosshotel Lerbach, Bergisch Gladbach, waren die Alte Post Neuenahr und der Pavillon von Yannick Alléno in Paris Stationen. 2019 wurde er als damaliger Küchenchef des 959 Heidelberg von „Gault & Millau“ mit 16 Punkten bundesweit zur „Entdeckung des Jahres“ gekürt.
Doch dann entschied der junge Küchenchef, im Restaurant am Heidelberger Adenauerplatz zu kündigen. „Das Küchenkonzept war nicht mehr meins“, machte er sich auf den eigenen Weg - und schrieb sich zunächst in der Hotelfachschule ein.
Dann kam die Corona-Pandemie. Dankelmann, der zuvor mehrere Semester Biologie studiert hatte, entdeckte seine Faszination für den Anbau von Gemüse, Kräutern und Obst wieder. Inzwischen hat er eine Sammlung von 750 verschiedenen Kulturpflanzen aus aller Welt - zum Beispiel sicherte er sich beim Besuch eines Gourmettempels in Paris die Samen einer schmackhaften Tomate, erzählt er. „Gemüse, die keiner kennt“ seien „seine Leidenschaft.“
Die Ernte bestimmt das jeweilige Tagesmenü im "Raro" in Schriesheim
In Kirchheim und Dossenheim bewirtschaftet Dankelmann mit drei Festangestellten inzwischen rund 15 000 Quadratmeter Fläche. Hier wachsen das Gemüse, das Obst und die Kräuter, die im „Raro“ zu sechs- bis achtgängigen Menüs komponiert werden.
Eine feste Speisekarte gibt es nicht: „Wir wissen selbst nicht, was wir am nächsten Tag kochen“, sagt der Gourmetkoch lächelnd, der mit Nick Schneider, seinem Stellvertreter, und dem Schweizer Lars Leibli nicht nur kochen, sondern auch servieren wird. „Morgens um sechs gehen die Gärtner in den Gemüsegarten“ Aus der Ernte wird das Menü kreiert“, beschreibt der 31-jährige Koch. Fleisch, Fisch und anderes liefern rund 30 regionale Produzenten.
„Es gab viel zu tun“, blickt Lautenschläger auf die Umbauzeit zurück, in der auch einige bürokratische Hürden zu überwinden gewesen seien, „aber es hat sich gelohnt“.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-metropolregion-raro-im-schriesheimer-muehlenhof-gemuese-und-obst-aus-eigenem-anbau-direkt-auf-den-tell-_arid,2240285.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/schriesheim.html