Speyer. Die Debatte über die Begrenzung von Migration nach Deutschland hat in den vergangenen Tagen den Bundestagswahlkampf bestimmt. Nach der Bluttat in Aschaffenburg vor rund zwei Wochen, als ein zweijähriger Junge und ein 41 Jahre alter Mann starben, erreichte die Diskussion ihren Höhepunkt.
Der Tod Rouven Laurs in Mannheim, der Anschlag in Solingen, der Weihnachtsmarkt in Magdeburg - viele Menschen haben inzwischen Angst. Weil in Aschaffenburg zum wiederholten Male ein mutmaßlich psychisch kranker Täter afghanischer Herkunft seine wehrlosen Opfer mit einem Messer attackierte, fordern nicht wenige Deutsche permanente Grenzkontrollen und eine resolutere Zurückweisung von Menschen, die Schutz suchen.
Ein Fokus richtet sich schon länger auf die Frage, was man über die ankommenden Asylbewerber und solche, die schon länger hier leben, überhaupt weiß. Was haben Sie erlebt? Was hat sie eventuell traumatisiert? Wie schützt man psychisch Kranke vor sich selbst? Und wie schützt man die Umgebung vor ihnen?
Neuer Fragebogen soll Hilfe verbessern
Einen Fortschritt hierbei soll jetzt ein validierter Fragebogen bringen, der in Rheinland-Pfalz gerade erprobt wird. Das Angebot des Aufnahmegesprächs soll im Laufe des Jahres auch auf die Erstaufnahmeeinrichtung in Speyer ausgeweitet werden, bestätigte eine Sprecherin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) auf Anfrage. „In den Landesaufnahmeeinrichtungen sind wir bestrebt, besonders schutzbedürftige Geflüchtete möglichst frühzeitig zu identifizieren und ihnen die entsprechende bedarfsgerechte Versorgung zu bieten.
Geflüchtete haben diesbezüglich grundsätzlich keine geringeren Versorgungsansprüche als die übrige Bevölkerung“, so die Sprecherin. Die Realität sieht oft anders aus, denn Therapieplätze sind seit Jahren absolute Mangelware. Und zwar für alle.
„Hälfte der Flüchtlinge psychisch krank“
„Mindestens die Hälfte der Flüchtlinge in Deutschland ist psychisch krank.“ Das konstatierte die Bundespsychotherapeutenkammer bereits im September 2015. Meistens litten Flüchtlinge unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (40 bis 50 Prozent) oder unter einer Depression (50 Prozent). Solche, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) erkrankten, seien oft suizidal, stellte der Verband schon damals fest.
Warum Screening sinnvoll ist
Auch psychisch erkrankte Geflüchtete haben Anspruch auf eine Versorgung im Regelsystem der Gesundheitsversorgung.
Psychisch kranke Bewohnerinnen und Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtungen werden im Rahmen der Möglichkeiten ihren Bedarfen entsprechend untergebracht und engmaschiger von den Sozialdiensten betreut.
Psychisch kranke Asylbegehrende haben darüber hinaus die Möglichkeit, organisiert über die jeweiligen Krankenstationen, Termine bei Psychiatern wahrzunehmen.
Der Traumaexperte Thomas Elbert fordert, dass jeder Flüchtling ein kurzes Screening erhalten sollte, in dem nicht nur nach Tuberkulose oder Malaria gefragt werde, sondern auch nach der psychischen Verfassung. sal
Das zusätzliche Element, das nun in der Erstaufnahmeeinrichtung in Trier Anwendung findet, ist ein Screeninggespräch, das durch psychologische Fachkräfte angeboten wird. Im Gespräch kommt der „Refugee Health Screener“, ein empirisch validierter Abfragebogen, zum Einsatz. Er könne den Grad der psychischen Belastung zum Gesprächszeitpunkt näher bestimmen, so die ADD-Sprecherin. Das Screeninggespräch sei ein freiwilliges Angebot an alle neu ankommenden Geflüchteten.
Werde dort im Screening-Gespräch zukünftig eine psychische Belastung, die eine psychiatrische Behandlung erfordert, identifiziert, so werde sie in die Wege geleitet. In den Krankenstationen gebe es zum Teil psychiatrische Sprechstunden, zum Teil würden die Menschen an niedergelassene Psychiater verwiesen. Die ADD räumt ein, dass im Regelsystem zum Teil lange Wartezeiten existieren. Hilfestellung zur Überbrückung böten die Beratungsstellen in den Erstaufnahmeeinrichtungen sowie Psychosoziale Zentren in den Kommunen.
Dass die Prozesse in den Bundesländern unterschiedlich ablaufen, wird bei einem Blick nach Baden-Württemberg klar. Im Regierungsbezirk Karlsruhe, der für den Rhein-Neckar-Kreis und die Städte rechts des Rheins zuständig ist, kommt dem Standort Landeserstaufnahmeeinrichtung Durlacher Allee 100 in Karlsruhe im Hinblick auf die frühzeitige Erkennung medizinischer Sonderbedarfe eine besondere Bedeutung zu. Hier kommen alle Geflüchteten an, die der Regierungsbezirk Karlsruhe aufnimmt.
Gesundheitsstatus wird abgefragt
Ein explizites Psycho-Screening wie in Rheinland-Pfalz gibt es dort nicht. „Bei der Aufnahme in der Einrichtung wird zusammen mit den neu angekommenen Geflüchteten und dem Dienstleister der dortigen Alltagsbetreuung mit Hilfe eines Aufnahmeformulars, das bei Bedarf auch übersetzt wird, eine entsprechende Bedarfsabfrage getätigt“, heißt es auf Anfrage. Hierbei erfolge durch entsprechend geschultes Personal eine gezielte Abfrage, unter anderem des Gesundheitsstatus und etwaiger sonstiger Schutzbedarfe.
Falls entsprechender Bedarf kommuniziert werde, so werde die Krankenstation der Einrichtung mit eingebunden. Über diese könne auch eine Anbindung an die psychologische Sprechstunde erfolgen, die in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Heidelberg in allen Erstaufnahmeeinrichtungen im Regierungsbezirk Karlsruhe in den Räumlichkeiten der Krankenstationen angeboten werde.
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