Landau. Ein tragischer Unfall, der sich am 20. Juli 2019 auf der Bundesstraße 44 zwischen Lampertheim und Mannheim-Sandhofen ereignete, wird viereinhalb Jahre später erstmals vor Gericht verhandelt. Prozessauftakt ist am 28. November vor dem Landgericht in Landau. Es sind insgesamt vier Verhandlungstermine angesetzt. Dies haben die Rechtsanwälte der Prozessbeteiligten gegenüber dieser Redaktion bestätigt. Dass der Unfall überhaupt vor Gericht verhandelt wird, ist eine knifflige juristische Angelegenheit.
Der Horror-Unfall ist allen Beteiligten noch in schrecklicher Erinnerung: Ein damals 19-jähriger Autofahrer aus dem Rhein-Pfalz-Kreis ist an diesem Samstag gegen Abend mit seinen Freunden im hochmotorisierten Wagen seiner Eltern in der Region unterwegs. Die vier Mitfahrer sind allesamt zwischen 18 und 21 Jahre alt. Es hat frisch geregnet. Auf der nassen Fahrbahn verliert der junge Mann um kurz nach 19 Uhr in einer langgezogenen Linkskurve die Kontrolle über den Wagen. Die Gutachter ermitteln, dass der BMW zum Unfallzeitpunkt mindestens 155 Stundenkilometer schnell ist. Kurz vor der Abfahrt zum Gut Kirschgartshausen kracht das Auto in einen Baum am Straßenrand. Zwei der Mitfahrer auf der Rückbank, 18 und 19 Jahre alt, sterben im Krankenhaus. Ein weiterer Mitfahrer wird so schwer verletzt, dass er Zeit seines Lebens ein Pflegefall sein wird.
Verwandte vor Ort mitbetreut
Den Helfern an der Unfallstelle bietet sich ein Bild des Grauens. Erschwerend kommt hin zu, dass der Unfallfahrer mit dem Handy seine Eltern informiert. Am Ende müssen die Sanitäter und Seelsorger nicht nur die Unfallopfer betreuen, sondern auch 30 bis 40 Verwandte und Bekannte, die angesichts des Grauens selbst an der Unfallstelle kollabieren. Im Einsatz sind insgesamt sechs Seelsorger, zwei Rettungshubschrauber, sieben Rettungswagen und zwei Notarztfahrzeuge. „Es war einer meiner emotional schwierigsten Einsätze“, sagt Chris Rihm, der Einsatzleiter des ASB an diesem Abend.
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Die Staatsanwaltschaft Frankenthal wertet den Unfall zunächst als das Augenblicksversagen eines Fahranfängers. Das Amtsgericht Frankenthal folgt der Argumentation und verurteilt den jungen Mann per Strafbefehl zu einer sechsmonatigen Haftstrafe auf Bewährung. Außerdem muss er 2000 Euro für soziale Zwecke bezahlen und seinen Führerschein für ein Jahr abgeben. Eine mündliche Hauptverhandlung vor Gericht findet nicht statt - ein Verstoß, wie sich bei der Prüfung durch die Staatsanwaltschaft und das Gericht in Landau herausstellt. Demnach ist die Verurteilung eines Heranwachsenden via Strafbefehl zu einer Freiheitsstrafe gar nicht zulässig. Opferanwalt Frank K. Peter, der die Eltern eines der getöteten Jungen vertritt, wirft der Staatsanwaltschaft in Frankenthal schlampige Arbeit vor. „Die haben ihren Job nicht richtig gemacht“, sagt er gegenüber dieser Redaktion. Zumal der Strafverteidiger kurz nach dem Ende des Verfahrens Videos beibringt, die belegen, dass es sich keineswegs um ein Augenblicksversagen handelt. Die Handyvideos, aufgenommen von Fahrzeuginsassen, zeigen in wackligen Bildern den Tacho eines Wagens der 233 Stundenkilometer anzeigt, gefahren auf einer Landstraße zwischen Worms und Bobenheim-Roxheim. Dort gilt Tempo 70. Ein anderes Video zeigt das Auto, wie es mit 135 Stundenkilometern durch Frankenthal rast, nur etwa einen Meter an einem Fußgänger vorbei. Der junge Mann sei „ein gewohnheitsmäßiger Raser“, sagt Frank K. Peter. Und auch die Staatsanwaltschaft Frankenthal ermittelt nun in fünf weiteren Fällen, die sich zwischen dem 30. Dezember 2018 und dem 13. April 2019 zugetragen haben, also in dem halben Jahr vor dem Unfall. Deshalb beantragt sie die Wiederaufnahme des Verfahrens. Leider habe man erst nach dem Abschluss des Verfahrens Kenntnis von den Videos erhalten, sagt der Frankenthaler Oberstaatsanwalt Hubert Ströber schon 2021 im Gespräch mit dieser Redaktion. Mit diesem Wissen hätte man ein anderes Verfahren gewählt, „möglicherweise mit einem anderen Ergebnis“, so Ströber.
Da der Fall in Frankenthal jedoch mit einem Urteil endete, kann er nicht mehr dort verhandelt, sondern nur an einem anderen Gericht neu aufgerollt werden. In diesem Fall ist dies das Landgericht Landau. Da der Fahrer zum Tatzeitpunkt 19 Jahre alt war, werde wohl das Jugendrecht zur Anwendung kommen, mutmaßt Opferanwalt Frank Peter. Nicht weiter verfolgt werden aus juristischen Gründen die Raserfahrten, die vor dem tragischen Unfall am 20. Juli stattgefunden haben. Allerdings werden sie nach Ansicht von Frank Peter im Prozess durchaus eine Rolle spielen, tragen sie doch zur Bewertung des Beschuldigten bei.
Quälend lange Zeit des Wartens
Für die Mandanten von Rechtsanwalt Peter endet mit der Terminierung des Prozesses eine quälend lange Zeit des Wartens. Zeitraubend war das juristische Procedere, in dem zunächst die Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens und danach die Zuständigkeit des Gerichts geprüft werden musste. Nun ist klar: Am 28. November wird der Prozess eröffnet.
Dass das Verfahren erst viereinhalb Jahre nach der Tat stattfindet, sieht Opferanwalt Peter durchaus problematisch. Dieser zeitliche Abstand könne sich durchaus auf die Strafzumessung auswirken. Dass die mittlerweile vergangene Zeit sich auf das Erinnerungsvermögen der Zeugen auswirken könnte, glaubt Peter nicht: „Jeder, der dabei war, kann sich sehr gut erinnern.“
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