Justiz

War der Fahrer ein Raser? Tödlicher Unfall von 2019 kommt vor Gericht

Zwei Tote und ein Pflegefall sind die Bilanz eines Horrorunfalls. Mit 155 Stundenkilometern war ein BMW zwischen Lampertheim und Mannheim unterwegs - und verunglückte. Videos werfen ein neues Licht auf den jungen Fahrer

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Bernhard Zinke
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Ein Ausschnitt aus einem der Beweisvideos: Der Tacho zeigt Tempo 231 an. Auf der Strecke gilt maximal Tempo 70. © MM-Grafik

Rhein-Neckar. Es war ein Horror-Unfall, der sich an diesem 20. Juli 2019 auf der B 44 zwischen Lampertheim und Mannheim-Sandhofen ereignete. In einer langgezogenen Kurve in Höhe von Kirschgartshausen trug es einen 19-jährigen Autofahrer aus dem Rhein-Pfalz-Kreis mit seinem vollbesetzten Auto bei einem Tempo von mindestens 155 Stundenkilometern von der regennassen Straße. Die BMW-Luxuslimousine mit fünf jungen Männern im Alter von 18 bis 21 Jahren krachte gegen einen Baum. Zwei starben, ein weiterer wird Zeit seines Lebens ein schwerer Pflegefall sein.

Der Unfall ist den Rettungssanitätern vor allem auch deswegen noch so sehr im Gedächtnis, da der Unfallverursacher seine Eltern von der Unfallstelle aus via Handy anrief. Daraufhin eilten 30 bis 40 Verwandten und Freunde zur Unfallstelle, erlitten reihenweise Schocks und mussten vor Ort ebenfalls medizinisch behandelt werden.

Vorwurf der fahrlässigen Tötung steht im Raum

Der Fall wird nun vor Gericht noch einmal aufgerollt. Denn der Fahrer erhielt damals lediglich einen Strafbefehl, wurde zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, musste 2000 Euro für soziale Zwecke zahlen und den Führerschein für ein Jahr abgeben. Eine mündliche Hauptverhandlung hat nie stattgefunden. Die Strafverfolgungsbehörden bewerten den Fall jetzt allerdings nicht mehr nur als Augenblicksversagen und Überforderung eines 19-jährigen Fahranfängers. Jetzt steht ein „verbotenes Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge“ als Tatvorwurf im Raum. Und das wird als Verbrechen gewertet.

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Das Amtsgericht Landau, das den Fall von den Kollegen aus Frankenthal übernommen hat, erachtet eine Wiederaufnahme des Verfahrens als begründet und hat eine Hauptverhandlung angeordnet. Da es unter anderem um den Vorwurf der fahrlässigen Tötung geht, wird der Fall an der Jugendkammer des Landgerichts Landau als Schwurgericht verhandelt. Allerdings ist die Entscheidung noch nicht rechtskräftig, da die Verteidigung sofortige Beschwerde eingelegt hat. Nun muss das Landgericht über Zulassung oder Ablehnung dieser sofortigen Beschwerde entscheiden.

Nun Landau statt Frankenthal

Rechtlich muss ein Wiederaufnahmeverfahren zwingend an einem anderen Gericht verhandelt werden. Für Frankenthal ist Landau als zuständige Gerichtsbarkeit für diese Fälle vorgesehen.

Opferanwalt Frank Peter hält die damalige Entscheidung von Staatsanwaltschaft und Amtsgericht Frankenthal für unerhört. Bei der Prüfung des Verfahrens hätten sowohl Staatsanwaltschaft als auch der Jugendrichter in Landau festgestellt, dass das Jugendrecht die Verurteilung eines Heranwachsenden via Strafbefehl zu einer Freiheitsstrafe gar nicht zulässt, sieht sich der Rechtsanwalt in seiner schon vor einem Jahr geäußerten Kritik bestätigt.

Peter hatte nach dem Erlass des Strafbefehls weiterrecherchiert. Es habe keine Woche gedauert, bis er Videos zugespielt bekommen habe, die belegen, dass der damals 19-Jährige schon vor dem Unfall ein notorischer Raser war. Die wackligen Videos zeigen den jungen Mann am Steuer des hochmotorisierten BMW, wie er auf einer Landstraße zwischen Worms und Bobenheim-Roxheim mit 233 Stundenkilometern auf dem Tacho entlangrast, wo eigentlich maximal Tempo 70 gilt. Ein anderes Video zeigt das Auto mit 135 Stundenkilometern durch Frankenthal rasen, nur knapp an einem Mann vorbei, der am Straßenrand steht. „Ein gewohnheitsmäßiger Raser“, stellt Peter fest. Nachdem er die Videos der Staatsanwaltschaft vorgelegt hatte, ist diese selbst zur Einsicht gelangt, dass hier keine Überforderung eines Fahranfängers vorgelegen habe. Hätte man diese Hinweise früher zur Verfügung gehabt, „dann hätten wir ein ganz anderes Verfahren gewählt, möglicherweise auch mit einem ganz anderen Ergebnis“, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Hubert Ströber auf Anfrage dieser Zeitung bereits vor mehr als einem Jahr, als die Staatsanwaltschaft die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt hatte.

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Verhandlungstermine noch offen

Rechtsanwalt Peter, der die Eltern eines der Getöteten vertritt, ist immer noch stinksauer auf die Staatsanwaltschaft als Ermittlungsbehörde. „Die haben ihre Arbeit nicht richtig gemacht“. Zumal die Staatsanwaltschaft schon hätte wissen müssen, dass der Unfallfahrer zuvor als Raser aufgefallen war. Schließlich habe er schon vorher seinen Führerschein wegen zu schnellen Fahrens abgeben müssen - und das nicht freiwillig. Es habe eine Beschlagnahmeverfügung gegeben. Der junge Mann war außerhalb einer geschlossenen Ortschaft 48 Stundenkilometer zu schnell gewesen.

Wann nun der Fall tatsächlich vor dem Schwurgericht in Landau landet, ist noch offen. Der Fall ist am Landgericht noch gar nicht aktenkundig, wie ein Sprecher am Mittwoch bestätigte. Wenn der Fall dort angekommen ist, muss zuerst die Kammer über die sofortige Beschwerde entscheiden. Dann müssen die Verhandlungstermine angesetzt werden. Laut Landgericht stimmt die Jugendkammer schon jetzt Termine für andere Verfahren im Dezember ab, sodass eine Hauptverhandlung ziemlich sicher erst im kommenden Jahr beginnen wird - dreieinhalb Jahre nach dem Unfall.

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