Justiz

Prozess um versuchten Mord in Haßloch: Opfer belastet angeklagten Bruder schwer

Vor dem Landgericht Frankenthal läuft ein Prozess wegen versuchten Mordes. Am Mittwoch hat das Opfer, die Schwester des Angeklagten, ausgesagt. Wie sie den Tathergang schildert.

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Dennis Bachmann
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Prozess vor dem Landgericht Frankenthal wegen versuchten Mordes. der Angeklagte neben seinem Strafverteidiger Thilo Schwarz. © Waltraud Kirsch-Mayer

Frankenthal/Haßloch. Im Prozess gegen einen 68-Jährigen, der am 6. März 2025 in Haßloch seine Schwester erst mit einem Elektroschocker attackiert und anschließend mit einem Seil gewürgt haben soll, hat am Mittwoch das Opfer ausgesagt. Die 72-Jährige, die in Haßloch lebt, tritt auch als Nebenklägerin auf. Die Staatsanwaltschaft legt dem in Untersuchungshaft sitzenden Rentner versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung zur Last. Außerdem geht es um versuchten Prozessbetrug und Urkundenfälschung in anderen Gerichtsverfahren.

„Ich saß auf der Terrasse und habe telefoniert. Als ich die Tür gehört habe, bin ich aufgestanden und habe mich umgedreht. Da stand mein Bruder vor mir. Zunächst habe ich mich noch gefreut, dann hat er aber den Elektroschocker aus der Tasche gezogen und mich unvermittelt damit attackiert“, schildert das 72-jährige Opfer die Ereignisse des 6. März. Nach einer Schrecksekunde habe sie dann ins Telefon geschrien: „Der bringt mich um!“ Immer wieder habe der Angeklagte sie mit dem sogenannten Taser angegriffen, bis der Sicherungsstift herausgesprungen sei und das Gerät nicht mehr funktioniert habe.

72-jähriges Opfer aus Haßloch: „Bis heute weiß ich nicht, wie das Seil um meinen Hals gekommen ist“

Sie habe versucht wegzulaufen, sei aber nicht weit gekommen, bis ihr Bruder sie an der Schulter gepackt und zu Boden geworfen habe. „Und dann saß er schon auf mir und hat mich gewürgt. Bis heute weiß ich aber nicht, wie das Seil um meinen Hals gekommen ist“, so die 72-Jährige weiter. Sie müsse wohl dabei auch zweimal das Bewusstsein verloren haben. Vermutlich habe sie nur überlebt, weil sie es schaffte, ihre Finger zwischen das Seil und ihren Hals zu schieben. Als er auf sie losgegangen sei, habe er gerufen: „Wegen dir gehe ich nicht in den Knast“, und immer wieder „ich bringe dich um“.

Hintergrund der Tat sei unter anderem ein Streit um das Familienhaus in Naumburg, der auch schon das Landgericht Halle (Saale) beschäftigt hat. Dazu kommt der Vorwurf der Schwester, der Angeklagte habe nach dem Tod der Mutter unberechtigt größere Summen von deren Konto abgehoben. Dieses Geld fordert sie zurück.

Angeklagter gibt sich vor Landgericht Frankenthal weitgehend teilnahmslos

Und der Angeklagte? Der gibt sich vor Gericht beinahe teilnahmslos. Er wirkt abgemagert, eingefallen. Der Schwester widmet er keinen Blick, starrt auf das Notizbuch vor sich, schreibt hin und wieder etwas auf und schiebt seinem Anwalt Zettel zu. Nur einmal hat er seine Gefühle nicht unter Kontrolle, als er bei einer Aussage seiner Schwester protestierend mit der flachen Hand auf sein Notizbuch schlägt und von seinem Verteidiger beruhigt werden muss.

Zu Beginn des Prozesses wollte sich der 68-Jährige zu den Vorwürfen nicht äußern. Am Mittwoch lässt er durch seinen Rechtsanwalt dann aber eine sogenannte Verteidigererklärung verlesen. Darin gesteht er ein, seine Schwester einmalig mit dem Elektroschocker angegriffen und mit einem Seil gewürgt zu haben. Dies bedauere er zutiefst und ließ klarstellen, dass keine Tötungsabsicht dahintergesteckt habe. Er habe ein letztes Mal das Gespräch suchen wollen. Seine Schwester habe aber so abfällig reagiert, dass er schließlich „schwarz gesehen“ habe. Nach dem Angriff sei er schockiert über das eigene Verhalten gewesen.

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Zum Hintergrund gab der Verteidiger in der Erklärung an, dass die Schwester ihn und die Familie zurückgelassen habe, als sie 1989 aus der DDR in die Bundesrepublik gegangen sei. Er habe sich bis zu ihrem Tod aufopferungsvoll um die kranke Mutter gekümmert. Das alles habe die Schwester nicht interessiert. Erst nach dem Tod der Mutter sei sie plötzlich wieder aufgetaucht und habe sich ihm gegenüber derart verhalten, dass es „zu einer Wesensänderung“ gekommen sei. Er sei immer depressiver geworden und habe auch Suizidgedanken entwickelt. Aus diesem Grund habe er an jenem 6. März auch das Seil mit dem gebundenen Henkersknoten dabei gehabt. Er habe sich das Leben nehmen wollen, sofern das Gespräch zu keinem guten Ergebnis gekommen wäre. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

Redaktion

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