Rhein-Neckar. Paul-Alfred Grützner findet deutliche Worte: „Die Situation ist dramatisch“, sagt der Ärztliche Direktor der Brufsgenossenschaftlichen (BG) Klinik in Ludwigshafen. Auch wenn die Versorgung von Covid-Patienten nicht zu den zentralen Aufgaben der Unfallklinik gehört: die Folgen der Pandemie spürt sie dennoch, und zwar an mehreren Stellen. „Wir sind im absoluten Notfallmodus“, sagt Grützner.
Durch die massiv gestiegenen Fallzahlen und anhaltenden Überlastungen auf Intensiv- und Isolierstationen durch Corona-Patienten schicken die Krankenhäuser ihre Trauma-Patienten seit Monaten verstärkt nach Oggersheim. „Das ist auch in Ordnung so. Wir wissen, dass wir nur gemeinsam durch die Krise kommen“, sagt der Professor für Unfallchirurgie. Der Haken daran: Sämtliche Operationen, die ansonsten zum Tagesgeschäft des hoch spezialisierten Krankenhauses gehören – rekonstruktive chirurgische Eingriffe, Hüft-, Knie- oder Wirbelsäulen-OP – können aus Kapazitätsgründen nicht stattfinden. Das wirkt sich nicht zuletzt auch auf die wirtschaftliche Situation des Hauses aus. „Wir sind zwar ein gemeinnütziges Haus, dürfen also das verdiente Geld auch wieder ausgeben. Aber das Geld muss erstmal verdient werden“, schildert Grützner die Problematik. Das sogenannte elektive, also planbare Programm ist nun auf Frühjahr/Sommer verschoben. Dafür hätten die Menschen durchaus Verständnis. Ob es allerdings tatsächlich stattfinden kann, steht noch nicht fest, zumal die BG Klinik im Frühling dann wieder alle Hände voll mit verunglückten Motorradfahrern zu tun bekommt, wie Uwe Hoppe, Chefarzt der Anästhesie und Intensivmedizin an der Klinik, weiß.
Zehn der zwölf Operationssäle hat die BG aktuell in Betrieb. Alle sind mit den Notfällen, die aus der Region angeliefert werden, vollkommen ausgelastet. Hinzu kommt, dass auch an der Unfallklinik das Pflegepersonal knapp wird – zahlreiche Corona-Infektionen machen den Planern zu schaffen. „Wir verschieben den Personalplan jeden Morgen aufs Neue. Auch wir haben Betten stilllegen müssen, weil wir sie personell nicht mehr betreiben können“, bestätigt Grützner. Da helfe es sehr, dass sich die Mannschaft stark mit dem Haus identifiziere.
Dass sich die Situation ab dem 15. März weiter verschärfen könnte, denkt der Ärztliche Direktor allerdings nicht. Ab diesem Termin dürfen nämlich nicht geimpfte Personen nicht mehr in Einrichtungen des Gesundheitswesens arbeiten. Die Impfquote an der Klinik liege bei weit über 90 Prozent. Bei den Ärzten gebe es nur einen Kollegen, der sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen dürfe.
„Entweder alle oder keiner“
Auch beim Pflegepersonal sei die Quote sehr hoch. Grützner: „Aber wir werden uns von einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern trennen müssen, die meist abseits des medizinischen Betriebs beschäftigt sind.“ Sein Kollege und langjähriger Weggefährte Hoppe setzt dabei auf stete Ansprache und Überzeugungsarbeit. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sieht Grützner durchaus problematisch: „Entweder alle oder keiner“, sagt er. Auch wenn Patienten nicht wegen einer Corona-Erkrankung in die BG Klinik eingeliefert werden, so kämen doch viele mit einer Infektion. Damit müsse die Klinik mit allen Notwendigkeiten umgehen. Was die Ärzte allerdings beobachten, ist, dass eine Corona-Infektion bei Brand- oder anderweitig Schwerverletzten deutlich schwerere Verläufe nimmt und bei operativen Eingriffen die Sterblichkeitsquote gestiegen sei.
Die BG Klinik
- Die Berufsgenossenschaftliche Klinik in Ludwigshafen-Oggersheim besteht seit 53 Jahren.
- Sie ist eine von bundesweit 13 medizinischen Einrichtungen der gesetzlichen Unfallversicherung und verfügt über rund 550 Betten.
- Rund 1400 Mitarbeiter sind hier in den Bereichen Medizinische Versorgung, Pflege, Rehabilitation und Verwaltung beschäftigt.
- Jährlich werden hier mehr als 12 000 Patienten stationär behandelt. Hinzu kommen 26 000 ambulante Patienten.
- Die Klinik verfügt nach eigenen Angaben über das modernste Zentrum für die chirurgische Behandlung schwerer und schwerster Verbrennungen in Europa sowie ein interdisziplinär ausgerichtetes Wirbelsäulenzentrum.
- Neben Unfallchirurgie und Orthopädie, Plastischer, Hand- und Tumorchirurgie ist die Klinik spezialisiert auf Rückenmark- und Brandverletzungen, technische Orthopädie, Intensivmedizin, Neurochirurgie, Schmerztherapie und Reha-Medizin sowie auf Knie- und Hüftendoprothetik.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-metropolregion-notfallmodus-auch-ludwigshafener-bg-klinik-leidet-unter-corona-_arid,1906529.html