Rhein-Neckar. Die weißen Fahrzeuge sind aufgefallen - optisch und akustisch. Die sogenannten Vibrotrucks sorgten in den vergangenen Wochen mit ihren akustischen Stoßwellen, die sie tief in den Untergrund schickten, zuweilen für Schrecksekunden und klirrende Gläser in Küchenschränken. Jetzt hat GeoHardt, ein Gemeinschaftsunternehmen der Energieversorger MVV und EnBW, seine 3D-Seismik in der Region südlich von Mannheim und den südlichen Stadtteilen der Quadratestadt abgeschlossen. Zwischen dem 14. Januar und dem 15. Februar haben die Messfahrzeuge zusammen mit Erdmikrofonen auf einer Fläche von 80 Quadratkilometern das Potenzial heißer Quellen ausgelotet. Nun müssen insgesamt 20 Millionen Daten ausgewertet werden. Am Ende sollen im Idealfall drei Heizwerke entstehen, die die Fernwärme des Mannheimer Grosskraftwerks zumindest in der Grundlast übernehmen können.
Nach Einschätzung der GeoHardt-Verantwortlichen war die Aktion sehr erfolgreich. „Mit der Messqualität bin ich sehr zufrieden“, sagt Chefgeologe Thomas Kölbe. Schon jetzt sei erkennbar, wo in knapp 3500 Metern Tiefe eine „Heißwasser-Autobahn“ verlaufe.
Allerdings ist die 3D-Seismik nicht überall auf Begeisterung gestoßen. Tatsächlich seien trotz umfassender Kommunikation nicht alle Informationen bei den Bürgerinnen und Bürgern angekommen, erklärt GeoHardt-Geschäftsführer Matthias Wolf. Das habe zum Teil auch daran gelegen, dass nicht alle der 40 000 gedruckten Flyer dort ankamen, wo sie hätten in die Briefkästen gesteckt werden sollen. Nach den ersten Protesten habe man nachgesteuert, Flyer nachgedruckt und einen zweiten Dienstleister mit der Verteilung beauftragt. Das habe dann besser funktioniert.
Qualität vor Schnelligkeit
Auch hat das Unternehmen insgesamt 70 Meldungen entgegengenommen, wo die Messungen Schäden an Häusern, Straßen oder Autos angerichtet haben sollen. „Wir prüfen jede einzelne dieser Meldungen sehr gewissenhaft“, betont der zweite GeoHardt-Geschäftsführer Stefan Ertle wiederholt und mit Nachdruck. Dabei gehe Qualität der Prüfung vor Schnelligkeit. „Uns ist wichtig, dass wir diesen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern fair führen.“ Es gebe tatsächlich Risse an Gebäuden, die derzeit als neu eingeschätzt würden. Da sei man noch in der Bewertung. Allerdings werde man nach der Messung möglicherweise auf Dinge aufmerksam, die man vorher in seinem Umfeld gar nicht wahrgenommen habe, erläutert Ertle diplomatisch.
Hilfreich war dem Unternehmen sicherlich, dass es alle potenziellen Wegstrecken der Messfahrzeuge vorab mit Kameras befahren und bereits bestehende Risse in Häuserfassaden und Straßen fotografisch dokumentiert habe. Beispiele zeigen, dass Beschwerdeführer Risse in Wänden beklagen, die nachweislich schon im Juni 2022 bestanden haben. Eine weitere Meldung bezieht sich auf ein Auto, dessen Radkasten eine Delle aufweist. Die könnte eventuell durch die vorbeirollenden mächtigen Trucks entstanden sein. Der Haken daran: Die Trucks sind gar nicht am Schadensort entlang gefahren sondern kurz vorher rechts abgebogen. Und aus einen Riss, der in einem Radweg 70 Meter entfernt von der Befahrung entstanden sein soll, wächst büschelweise Gras. Auch das könne somit nicht durch die Vibrotrucks erzeugt worden sein. Zudem hätten Messungen entlang der Häuser kontrolliert, ob die Grenzwerte tatsächlich eingehalten wurden.
Geothermie in der Region
- Aktuell suchen zwei Unternehmen in der Metropolregion nach heißen Quellen zur Nutzung der Geothermie.
- GeoHardt ist ein Unternehmen von MVV und EnBW, das heißes Tiefenthermalwasser zur Fernwärme nutzen will. Man sucht in Rheinau, Neckarau, Friedrichsfeld, Brühl, Ketsch, Schwetzingen, Plankstadt, Heidelberg und Oftersheim.
- Vulcan Energies will mit Geothermie auch Strom erzeugen und Lithium gewinnen. Vulcan sucht Standorte in Mannheim, Ilvesheim, Ladenburg, Viernheim, Heddesheim, Edingen-Neckarhausen und Hirschberg.
Eine Gemeinde, die ein sensibles Wasserversorgungssystem ins Feld führte, habe man bei der Messung sogar ganz ausgespart. Auch der Artenschutz habe eine wichtige Rolle gespielt und Gebiete ausgeschlossen. Wo sich ein Schaden im Zusammenhang mit den Messungen - auch durch Gutachter - nachweisen lasse, werde er durch eine Versicherung reguliert, versichern die GeoHardt-Geschäftsführer.
Erste Bohrungen frühestens 2024
Nun werden die 20 Millionen Datensätze interpretiert. Bis zum Spätsommer soll ein Modell des geologischen Untergrunds vorliegen. Erste Probebohrungen werden vermutlich frühestens im kommenden Jahr stattfinden. Das erste von möglicherweise drei Heizwerken soll Ende 2026 Fernwärme aus Geothermie einspeisen. Insgesamt investiert GeoHardt 50 Millionen Euro pro Heizwerk.
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