Benedikt aus der 9e des Wormser Gauß-Gymnasiums hat ein kleines Gewicht mit einer Schnur an die Achse hinter einem kleinen Windrad drangehängt. Wenn er jetzt gegen das Windrad pustet, wickelt sich das Gewicht um die Achse auf. Ein „Gravitationsspeicher“ sei das, erläutert Benedikt. Im Großformat könnte auch auf diese Weise erneuerbare Energie gespeichert und abgerufen werden, wenn kein Wind weht. Die Schülerinnen und Schüler der 9 e und der 10c haben außerdem verschiedene Formen von Windrädern auf ihre Effizienz getestet und überprüft, wo auf dem Schulgelände mehr oder weniger Wind weht. Zudem haben sie ausprobiert, wie Erde, Sand und Holz Wasser speichern können oder wie schnell die Flüssigkeit hindurch fließt. Ein anderer Versuch beschäftigt sich damit, um wie viel länger isolierte Schachteln die Wärme halten als Schachteln ohne Noppenfolie drumherum.
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Seit Montag beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler mit konkreten kleinen Versuchsanordnungen damit, wie die klimafreundliche Stadt von morgen aussehen kann und welche Faktoren dabei aus naturwissenschaftlicher Sicht eine entscheidende Rolle spielen. Das Gauß-Gymnasium ist damit eine von aktuell rund 60 Schulen in ganz Rheinland-Pfalz, die beim neuen Bildungsprojekt „City4future“ mitmachen.
In der Tendenz werden es 120 Schulen landesweit sein, erklärt die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig, die sich an diesem Donnerstag die Projektarbeiten gemeinsam mit BASF-Arbeitsdirektorin Melanie Maas-Brunner anschaut. Beteiligt ist auch das Unternehmensnetzwerk Wissensfabrik, in dem sich rund 130 Firmen zusammengeschlossen haben, um den Stoff in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) praxisnah zu vermitteln.
Auf der Suche nach Nachwuchs
Ein Selbstzweck ist das freilich nicht. Die Unternehmen haben natürlich vor allem wegen des heraufziehenden Fachkräftemangels den Nachwuchs fest im Blick. Und der ist rar gesät. Erstmals habe man im vergangenen Jahr nicht alle 800 angebotenen Ausbildungsplätze besetzen können, berichtet Maas-Brunner. Dabei habe es nicht an der Anzahl der Bewerber gelegen, sondern an der Qualität. Und was die Arbeitsdirektorin auch beunruhigt: Erstmals überhaupt hat sie beobachten müssen, dass Auszubildende trotz unterschriebenen Vertrags ihre Ausbildungsstelle erst gar nicht angetreten haben - auch nicht bei einem anderen Unternehmen.
Vor dem Hintergrund der Transformation - die BASF muss und will aus Klimaschutzgründen den Umstieg auf erneuerbare Energien mit Hochdruck vorantreiben - wird die Elektrotechnik ein Riesenthema für den Chemiekonzern. Deshalb arbeite man schon jetzt zielgerichtet auf Anwerbung und Ausbildung von geeignetem Personal hin, sagt Maas-Brunner.
Noch seien zu wenige junge Menschen an den MINT-Fächern in der Schule interessiert, beklagt die BASF-Vorständin in ihrer Begrüßung am Vormittag. Auch deshalb habe man eine Kooperationsvereinbarung mit dem rheinland-pfälzischen Bildungsministerium im Jahr 2018 geschlossen und 2022 um weitere drei Jahre verlängert. Schließlich weisen die MINT-Berufe den Weg in die Zukunft, sagt sie.
„Wir können die Welt verändern“
Auch die Bildungsministerin rührt die Werbetrommel für den technisch-naturwissenschaftlichen Fächerkanon. Wer sich überwiegend in den sozialen Medien tummle, könne durchaus den Eindruck gewinnen, es gebe keine Optimisten mehr. Dabei böten die Schulen den genauen Gegenwurf. In keinem Bereich blicke man positiver in die Zukunft als im MINT-Bereich. Weil dort eben Lösungen für die Zukunft erarbeitet würden, erläutert Stefanie Hubig: „Wir können mit MINT tatsächlich die Welt verändern.“ Wozu Technik und Naturwissenschaft führen können, habe US-Präsident John F. Kennedy demonstriert, als er 1961 den Wettlauf zum Mond eröffnete - zu einem Zeitpunkt, als es weder die Technologie noch die Raketen gab. Und doch habe mit Neal Armstrong 1969 der erste Mensch den Fuß auf den Mond gesetzt, führt die Ministerin als Beispiel an.
Dabei reicht der Ansatz des Konzepts weit über den wissenschaftlich-technologischen Bereich hinaus. Denn mit der Entwicklung einer klimafreundlichen Stadt verbindet „City4future“ auch die Demokratie-Bildung. Schließlich gehe es darum, die Menschen mit Fakten und dem gewonnenen Wissen zu überzeugen und zu Veränderungen zu bewegen. Für die Schülerinnen der 10c geht die Veränderung dennoch nicht schnell genug voran: Ein Test hat ergeben, dass alle Fenster im Schulhaus undicht sind - und das schon seit Jahrzehnten.
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