Bildung - Es hätte ein Unterrichtsprojekt am Gymnasium sein können, aber Maxdorfs Ortschef wollte sich von Nazi-Symbolik trennen

Maxdorf: Bürgermeister ließ Grabtafel mit Hakenkreuz entfernen

Von 
Stephan Alfter
Lesedauer: 
Die vom Bauhof abgehängte Gedenkplakette mit der NS-Symbolik innerhalb des Eisernen Kreuzes. Ein Grab dazu gibt es nicht. © Bernhard Kukatzki

Maxdorf. Wie gehen wir mit unserer nationalsozialistischen Vergangenheit um? Diese Frage beschäftigt die deutsche Gesellschaft in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder. Als 2017 die große Diskussion um SS-Devotionalien in Bundeswehrkasernen einen Höhepunkt erreichte, war das auch der Ausgangspunkt für eine hitzige Debatte in der Region um die sogenannte Hitlerglocke in Herxheim am Berg bei Bad Dürkheim. Dort ist bis heute nicht ganz klar, in welcher Weise das Objekt, das weiterhin im Kirchturm hängt, aber nicht mehr geläutet wird, dabei helfen kann, Geschichte für nachfolgende Generationen erfahrbar und erklärbar zu machen.

Es sind die Hakenkreuze und Inschriften auf diesen Relikten, die Menschen ziemlich nervös machen. Während die einen solche Überbleibsel so schnell wie möglich entsorgen wollen, raten andere dazu, sie in einen Aufarbeitungsprozess einzubeziehen. In Herxheim am Berg wollte der Bürgermeister die Glocke sogar wieder läuten lassen, obwohl der Zentralrat der Juden sein Unverständnis laut äußerte.

Rechts und links von diesem Stein waren die Gedenkplaketten angebracht. © Bernhard Kukatzki

Die Frage nach dem richtigen Weg des Umgangs stellte sich zuletzt auf dem Friedhof in Maxdorf, wo zwei Gedenkplaketten auf zwei Männer aus dem Ort hinwiesen, die Anfang der 1940er Jahre an der Ostfront zu Tode kamen. Die Großeltern trauerten und wollten wenigstens Erinnerungsplätze schaffen. Die Leichname waren irgendwo in „fremder Erde“ – wie man das damals sagte – vergraben worden.

Bernhard Kukatzki, Historiker und heutiger Leiter der Landeszentrale für politische Bildung in Mainz, entdeckte die Plaketten im Sommer 2020. Er fand auch die Hakenkreuze, die kaum sichtbar im Inneren des Eisernen Kreuzes auf den Erinnerungstafeln zu sehen waren. Also regte er an, ein Projekt zu unterstützen, in dem Schüler des Maxdorfer Lise-Meitner-Gymnasiums sich den Objekten im Unterricht nähern sollten. Geschichte sollte im Alltag erlebbar werden.

Mehr zum Thema

Kommentar NS-Grabsteine in Maxdorf: Brauchen einen klügeren Umgang mit Relikten aus der Nazi-Zeit

Veröffentlicht
Kommentar von
Stephan Alfter
Mehr erfahren
Trauer

Schöne Gräber trotz Klimawandels

Veröffentlicht
Von
Andrea Löbbecke
Mehr erfahren

Wegen Corona verschoben

Warum können Hakenkreuze auf einem Friedhof existieren, wenn sie doch eigentlich als Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach deutscher Rechtslage verboten sind? Das wäre so eine Unterrichtsfrage gewesen. Kukatzki bezog einen Maxdorfer Beigeordneten mit ein und den Sozialkundelehrer Gregory Scholz. Resultat: Man konnte sich das Unterrichtsprojekt vorstellen, verschob es aber auf das vor wenigen Wochen gestartete Schuljahr – der Pandemie wegen.

Etwas überrascht war Kukatzki vor wenigen Tagen, als er die Gedenkplaketten, die nach Recherche dieser Zeitung vom Maxdorfer Kulturverein vor wenigen Jahren neben das Grab eines SS-Rottenführers geschraubt worden waren, nicht mehr auffand. Klarheit brachte ein Telefonat dieser Redaktion mit Maxdorfs ehrenamtlichem Bürgermeister Werner Baumann (CDU). Dieser gibt an, den Bauhof des Ortes im Januar angewiesen zu haben, die Plaketten abzunehmen, da darauf Hakenkreuze abgebildet seien. Die Begründung: Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen dürften im öffentlichen Raum nicht gezeigt werden. Er sei per Email am 6. Januar von Besucherinnen des Friedhofs darauf hingewiesen worden. Er habe das zur Kenntnis genommen und gehandelt. „Ich will den Terz nicht, dass sowas noch zur Anlaufstätte wird“, sagt Baumann zur Begründung.

NS-Symbolik nicht immer straffbar

Ein richtiger Grabstein mit identischem Symbol wie in Maxdorf (Eisernes Kreuz mit Hakenkreuz) hat in diesem Sommer auch im ostwestfälischen Bünde für Diskussionen gesorgt. Dort war der Staatsschutz in Bielefeld zu der Ansicht gelangt, dass es sich bei dem Hakenkreuz nicht um die Zurschaustellung eines verfassungswidrigen Symbols handelt. Vielmehr sei das NS-Zeichen auf dem Grabstein als historisches Dokument zu werten. Analog zu Hakenkreuzen an historischen Gebäuden oder Denkmälern sei daher keine Strafbarkeit gegeben. Dennoch wollten Hinterbliebene das Grab mitsamt Stein noch im Sommer abräumen lassen, wie das Westfalen-Blatt berichtete.

In Maxdorf hätte Sozialkundelehrer Gregory Scholz das Thema gerne von Schülern erarbeiten lassen. „Es ist schade, dass das jetzt nicht mehr möglich ist“, sagte er am Montag. Baumann hält dagegen und sagt, dass das Grab des SS-Rottenführers ja nach vorhanden sei. Auch das sei NS-Geschichte.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen