Ludwigshafen. Die Unterfinanzierung von Städten und Gemeinden in Deutschland war 75 Minuten lang Thema im ZDF-Politik-Talk von Markus Lanz am späten Dienstagabend. Mit Kritik an Bund und Land wurde dabei nicht gespart. Von Beginn an im Fokus der Diskussion standen die Kostenexplosionen in den Sozialhaushalten, aber auch die überbordende Bürokratie in vielen Teilen städtischer Unternehmungen. „Die Sozialetats fressen uns die Haare vom Kopf“, sagte die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck. Adressat der Kritik seitens der eingeladenen Stadtoberhäupter und Landräte waren vor allem Bund und Länder.
Jutta Steinruck (parteilos) hatte Gelegenheit, auf großer politischer Bühne zu beschreiben, was ihre Stadt an den Rand der Existenzfähigkeit treibt und warum sie es irgendwann leid war, an eine weitere Amtszeit zu denken. „Meine Art von Protest war der Austritt aus der SPD“, so Steinruck über die Abgabe ihres Parteibuchs im Jahr 2023. Worüber diese Redaktion in den vergangenen Jahren vielfach und ausführlich berichtet hat, durfte nun auch das ZDF-Publikum erfahren.
Vieles, was Steinruck und ihr ebenso bekannter, aber stellenweise umstrittener Tübinger Amtskollege Boris Palmer beschrieben, klang nach Apokalypse in Deutschland. Zu viele Diktate von außen, Restriktionen allenthalben und das daraus resultierende Misstrauen in die Verwaltungen vor Ort gefährdeten die Demokratie schon im Kleinen, so der Tenor der Sendung. In der Corona-Zeit habe es Situationen gegeben, in denen sich Steinruck kaum noch ohne Schutz nach draußen gewagt habe, so heftig seien die Reaktionen auf die Maßnahmen der Regierung mitunter gewesen.
Die Überforderung von Städten und Gemeinden mit der Unterbringung zugewanderter Schutzbedürftiger kritisierte nicht nur Palmer. Steinruck beschrieb das Problem mit Wanderarbeitern, unter denen sie einen Mangel an Integrationswillen ausgemacht habe.
Markus Lanz eher sprunghaft und oberflächlich
Lanz stellte die Ludwigshafener Situation mit fortdauernder Sendezeit gar in den Mittelpunkt seiner Talkshow, war aber gewohnt sprunghaft in seinen Fragestellungen, sodass eine tiefe Diskussion zu einzelnen Themen nicht möglich war. Dem Moderator ging es um eine eher oberflächliche Gesamtschau und um die Vermittlung eines ersten Eindrucks der Problemstellungen in deutschen Städten und Landkreisen. Für seine Talkshow-Gäste war es eher ein 75-minütiger Kummerkasten. Lösungsvorschläge blieben völlig aus. Wenig Hoffnung verbreite der Koalitionsvertrag von CDU und SPD, der die Kommunen und den einen Zukunftspakt zwar erwähne, die Probleme aber nicht wirklich ernstzunehmen scheine.
Thema Ludwigshafener Gräfenauschule
Dass die inzwischen berüchtigte Ludwigshafener Gräfenauschule in der Sendung nicht fehlen durfte, erklärt sich von selbst. Lanz zitierte Barbara Mächtle, die Rektorin der inzwischen deutschlandweit bekannten Grundschule. Rund ein Drittel der Erstklässler sind dort in den vergangenen Jahren nicht in die zweite Klasse versetzt worden. Schlicht, weil sie zu schlecht Deutsch sprachen oder nie gelernt haben, 45 Minuten einigermaßen stillzusitzen. Hätte es eines Zeugnisses der Talkshow-Gäste für die Politik-Kollegen in den höheren politischen Ebenen bedurft, sie alle wären mit mindestens mangelhaft nach Hause gegangen. „Von verfehlter Bildungspolitik“, sprach Steinruck angesichts der Lage.
Man hätte sich in diesem Moment die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) als Sparringspartnerin für die Oberbürgermeisterin gewünscht. Diese Kontroverse fehlte der Sendung. Fakt ist: In Deutschland gibt es inzwischen einen Konkurrenzkampf um Erzieherinnen. Es fehlt an Betreuung.
„Welches kranke Hirn denkt sich sowas aus?“. Es war Achim Brötel, Landrat im Neckar-Odenwald-Kreis, der insbesondere bürokratische Vorgaben bemängelte und die Handlungsfähigkeit der Kommunen dadurch eingeschränkt sieht. Von Unfallverhütungsvorschriften war die Rede. „Bürokratischen Schwachsinn können wir uns nicht mehr leisten“, sagte Palmer dazu. Wenn dieser Staat nicht mehr liefere, dann sei der Weg zur AfD nicht mehr weit, so seine Schlussfolgerung.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Steinrucks Auftritt bei Lanz: Ein Befehl von ganz unten