Mannheim. Auch die 15. (und vorerst letzte) Auflage des Neuen Deutschen Jazzpreises in der Alten Feuerwache Mannheim steht im Zeichen des Ukraine-Kriegs: In ihrer Begrüßung erinnern Martin Simon und Juliana Blumenschein vom Veranstalter, dem Verein IG Jazz Rhein-Neckar, nicht nur an den tragischen Unfalltod ihrer Mitglieder Christian Huber und Jörg Teichert Ende Februar. Sie blicken auch solidarisch nach Osten und hoffen, dass Musik in dieser Zeit etwas bewirken könne, so Simon. Das gelingt dem schwedischen Star-Bassisten und Preiskurator Lars Danielsson im Duo mit dem frankokaribischen Pianisten Grégory Privat glänzend.
Am meisten Beifall erhält ein Song mit direktem Ukraine-Bezug: „Lviv“ habe er vor vier Jahren in Lwiw (ehemaliger deutscher Name: Lemberg) mit Symphonieorchester gespielt, als an der ukrainisch-polnischen Grenze noch nicht an einen Krieg in diesem Ausmaß zu denken war. „Er bedeutet uns sehr viel“, sagt Danielsson und erntete schon für seine emotionale Ankündigung extrem viel Applaus. Die Vorschusslorbeeren löst das eingängige Stück schnell ein: Wenn Sting noch einen Text dazu schreiben und singen würde, hätte es absolute Pophitqualitäten. Das ist ein Stück weit typisch für die Kompositionen des 63-Jährigen, der erst als Student vom klassischen Cello zum Jazzbass konvertierte. Die Strukturen seiner Songs fasern selten komplett improvisatorisch aus, zumindest klassische Reminiszenzen tauchen immer wieder auf.
Live ist aber sein Zusammenspiel mit dem 37-jährigen Privat das Spektakulärste. Danielsson fokussiert auf den Rastalockenträger am kleinen Flügel wie eine Katze dem Sprung, besser: auf der Jagd nach Kreativität. Und was er dabei schon in den ersten Stücken „Nikita’s Dream“ und „The Fifth Grade“ vom aktuellen Album seines Projekts Liberetto mit dem Titel „Cloudland“ bringt ihm immer wieder zum Strahlen. So, als ob schon wieder Weihnachten wäre und Privat ihm auf dem Steinway eine Köstlichkeit nach der anderen servieren würde. Das ist auch der Fall, mal kleinteilig bis feinstofflich, aber auch zupackend und mit hoher Intensität. Ihr bis zur Perfektion präzises Zusammenspiel hätte sogar noch mehr Szenenapplaus verdient als die impressiven Soli. Denn sie reagieren nicht nur scheinbar spontan auf die Einfälle des Anderen, sondern agieren oft quasi „zweistimmig“. Eine wunderbare Einstimmung auf das Wettbewerbskonzert am Samstagabend.
Dazu können nur zwei der drei von Danielsson ausgewählten Finalistenbands antreten. Das Olga Reznichenko Trio musste wegen Corona-Infektionen von zwei Mitgliedern absagen, so dass noch das Felix Henkelhausen Quintett und Rebecca Trescher Tentet um die mit 10.000 Euro dotierte Hauptauszeichnung und die 1000 Euro für die beste Solistin beziehungsweise den besten Solisten konkurrieren.
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