Sicherheit

Konsequenzen nach Solingen: Wie das Backfischfest und der Wurstmarkt gefeiert werden

Der Messerangriff von Solingen hat die Menschen in Deutschland schockiert. Trotzdem wollen sich die Bürgerinnen und Bürger der Region das Feiern nicht nehmen lassen. Was Gäste, die Politik und ein Sicherheitsdienst sagen

Von 
Bernhard Zinke
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Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmens Pabst kontrollieren Gäste des Wormser Backfischfests. © Rudolf J. Uhrig

Es war der Tag vor dem Startschuss des Wormser Backfischfestes am vergangenen Wochenende: Ein Angreifer bereitete einem friedlichen Stadtfest in Solingen ein blutiges Ende, noch bevor es richtig angefangen hatte. Mit einem Messer tötete der mutmaßliche Attentäter drei Menschen und verletzte weitere acht Personen, vier davon schwer. Die Tat wirft einen Schatten auf die anstehenden großen und kleinen Feste in der Region, wo wie in Solingen viele Menschen zusammenkommen, um zu feiern. Nach dem Backfischfest startet der Wurstmarkt in Bad Dürkheim, nach eigenem Bekunden das größte Weinfest der Welt. Auch in Ladenburg und Schriesheim wird an den kommenden Wochenenden gefeiert. Und dann steht da noch Mitte September das große Glücksgefühle-Festival auf dem Hockenheimring an.

„Man geht schon irgendwie mit einem mulmigen Gefühl auf den Festplatz“, sagt eine Besucherin in Worms, „aber wir können uns doch nicht das Feiern nehmen lassen“, meint sie fast trotzig auf ihrer Runde über den Festplatz auf der Wormser Kisselswiese am Rhein. Schon in die üblicherweise feucht-fröhliche Eröffnungszeremonie des Traditionsfests hatten sich Fassungslosigkeit und Entsetzen gemischt. Oberbürgermeister Adolf Kessel hatte zur Schweigeminute für die Opfer des Solinger Messerangriffs aufgerufen. Und die Festgäste schwiegen.

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Nachgeschärft hat die Stadt ihr Sicherheitskonzept nach Solingen nicht aber nicht. „Wir haben seit Jahren ein umfangreiches Sicherheitskonzept“, sagt Angelika Zezyk, Bereichsleiterin bei der Stadtverwaltung für Sicherheit und Ordnung. Und das werde situationsabhängig immer wieder angepasst. Es gibt Zugangskontrollen auf den komplett eingezäunten Festplatz. Und auf dem Platz werde anlassbezogen bei Bedarf nochmals genauer kontrolliert. Die Schausteller hätten jedoch zurückgemeldet, dass die Menschen mit Freude feierten.

Präsenz der Polizei beim Wormser Backfischfest deutlich erhöht

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer bat die Menschen bei der Eröffnung, aufeinander aufzupassen und der Polizei mit Respekt zu begegnen. Dafür gibt es beim Wormser Backfischfest reichlich Gelegenheit. Die Präsenz der Polizei wurde deutlich erhöht. Das hatte der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling schon als direkte Konsequenz aus dem Attentat von Solingen veranlasst. „Das Wichtigste ist: Wir dürfen uns nicht vom Terrorismus beherrschen lassen. Eine terroristische Tat zielt auf die Verunsicherung der Menschen, zielt auf unsere Art zu leben und zu feiern und das Leben so zu nehmen, wie wir es in der Freiheit kennen“, sagte Ebling am Montag zur konkreten Sicherheitslage bei anstehenden Wein- und Volksfesten in der Region. Und es solle sich auch jetzt niemand davon abhalten lassen, auch beim Bad Dürkheimer Wurstmarkt genau dieser Leidenschaft nachzugehen.

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Die Polizei sei unter anderem auch durch ihre große Mannschaftsstärke auf den Festen Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger, wenn es Fragen oder Auffälligkeiten gebe, so Ebling. Der rheinland-pfälzische Innenminister sprach sich auch für eine Verschärfung des Waffenrechts aus, warnte aber zugleich vor überhöhten Erwartungen: „ Terrorismus wird sich nicht durch ein Waffenverbot abhalten lassen. Ein Terrorist zielt darauf ab, Menschen brutal zu töten“, sagte Ebling.

Auch eine Gefahr für die Sicherheitsdienste

Beim Sicherheitsdienst Pabst aus Lampertheim, der in der ganzen Metropolregion Veranstaltungen aller Art begleitet, war das Thema Solingen Anlass für eine gesonderte Mannschaftsbesprechung. „Messerangriffe bedeuten ja auch eine Gefahr für unsere Mitarbeiter“, erklärt Inhaber Marcus Pabst. Es sei diskutiert worden, ob die Schutzausrüstung der Kolleginnen und Kollegen beispielsweise durch Stichschutzwesten ergänzt werden solle. Aber der Angriff am Mannheimer Marktplatz habe ja gezeigt, dass dies im Zweifelsfall nicht ausreiche. „Wer seinem Opfer in den Hals sticht, nimmt den Tod seines Gegenübers billigend in Kauf“, sagt Pabst.

Aber klar beschäftige der Messerangriff die Menschen außerordentlich. In Worms seien im Büro mittlerweile 20 Anrufe eingegangen, um sich über die Kontrollmaßnahmen zu informieren. Und bei einem Fest in Nordhorn in Südniedersachsen hätten die Veranstalter zum sonntäglichen Familientag nachträglich eine Einlasskontrolle bei dem Sicherheitsservice bestellt. „Das Sicherheitsbedürfnis der Veranstalter ist auch plötzlich größer geworden“, stellt Marcus Pabst fest.

Dass die Kontrollen bei Volksfesten wie dem Backfischfest anders ausfallen als beispielsweise bei einem Spiel der Fußball-Bundesliga sei auch nachvollziehbar. Leibesvisitationen bei Familien mit kleinen Kindern schössen übers Ziel hinaus.

Gleichwohl entdecken die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei fast jeder Veranstaltung Messer, die von Besuchern mitgeführt werden - besonders häufig übrigens bei Oktoberfesten, wo der Hirschfänger quasi zur Verkleidung gehört. Dennoch gilt: Messer werden konfisziert. Und wer mit verbotenen Waffen komme, werde erst gar nicht aufs Festgelände gelassen, sondern der Polizei übergeben, so die Marschrichtung des Sicherheitsdienstes.

Problematisch werde es manchmal sogar erst nach dem offiziellen Ende der Veranstaltungen, schildert Pabst: „Wenn die Leute dann - meist betrunken - ihren geballten Emotionen freien Lauf lassen, dann bewirken auch gute Worte nichts mehr.“

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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