Der Verlauf der öffentlichen Debatte nach dem furchtbaren Attentat von Solingen war vorhersehbar: der Ruf nach schärferen Waffengesetzen, die Forderung nach einem erhöhten Kontrolldruck und weiteren Waffenverbotszonen – mal abgesehen von den ebenso erwartbaren politischen Forderungen nach konsequenten Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber. Dies alles ist letztlich ein Automatismus, der auch schon Ende Mai in Mannheim zu beobachten war.
Die Wahrheit ist indessen: Keine Waffenverbotszone in einer Innenstadt, kein noch so scharfes Waffengesetz und auch keine scharfen Kontrollen werden einen potenziellen Mörder und Terroristen davon abhalten, in einer Menschenmenge sein Messer zu zücken und zuzustechen. Aber es gehört zur politischen Folklore, dass Verantwortungsträger ja irgendwie reagieren und sich äußern müssen. Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Es ist richtig und gut, wenn Politiker aufrichtige Betroffenheit und Empathie zeigen. Aber die Menschen durchschauen das sehr schnell, wenn mit sinnlosen Forderungen versucht wird, politisches Kapital aus kaum verhinderbaren Attentaten zu schlagen.
Und was sollen nun die Menschen in der Region machen, denen eine geballte Ladung an Festen ins Haus steht? Immerhin sind Backfischfest in Worms, Wurstmarkt in Bad Dürkheim, Altstadtfest in Ladenburg, Straßenfest in Schriesheim, Filmfestival in Ludwigshafen und auch das Glücksgefühle-Festival auf dem Hockenheimring echte Publikumsmagnete und damit potenzielle Tatorte. Wir alle sollten uns nicht ins Bockshorn jagen lassen, Opfer des nächsten Messerangriffs zu werden. Angst ist ohnehin ein schlechter Berater. Wenn die Furcht um sich greift, haben die Attentäter gewonnen. Deshalb sollten wir die Feste feiern – nach Möglichkeit unbeschwert, aber aufmerksam.
Es sei am Rande bemerkt: Im Straßenverkehr kommen deutlich mehr Menschen ums Leben. Nur: Diese sind im öffentlichen Diskurs kein Thema.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Nach dem furchtbaren Attentat von Solingen: Keine Angst!
Bernhard Zinke über die Folgen des Angriffs von Solingen