Soziales

Kein Geld für Miete: Weinheimer Rentnerin wird obdachlos

Nach der Kündigung ihrer Wohnung lebt die 73-jährige Susanne Burger jetzt in einer Weinheimer Obdachlosenunterkunft. Wie es dazu kam und was die Stadtverwaltung unternimmt

Von 
Iris Kleefoot
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Susanne Burger hätte nie gedacht, dass sie einmal hier landen würde: in einer Obdachlosenunterkunft © Thomas Rittelmann

Weinheim. Susanne Burger hätte nie gedacht, dass sie einmal hier landen würde: in einer Obdachlosenunterkunft. Die 73-Jährige sitzt traurig auf ihrem Bett. Die harte Matratze, auf der sie schläft, verursacht Rückenschmerzen. Auf dem eisernen Bettgestell gleich daneben hat sie ihre wenigen Habseligkeiten in Taschen verstaut. Kaum mehr ist ihr geblieben nach einem arbeitsreichen Leben. „Ein Absturz“, resümiert die Rentnerin und blickt sich in ihrem Zimmer um – zehn Quadratmeter Privatsphäre in einer Frauen-WG, die von der Stadt Weinheim für Obdachlose zur Verfügung gestellt wird. „Seit meinem 14. Lebensjahr habe ich hart gearbeitet, teilweise in zwei Jobs gleichzeitig, meine Tochter allein großgezogen, und dann das“, sagt die frühere Büroangestellte voller Verzweiflung. Jetzt lebt sie von 650 Euro Rente – und ohne wirkliches Zuhause.

Obdachlose in Weinheim

  • Nach Angaben der Stadtverwaltung sind aktuell 122 Menschen in Obdachlosigkeit in Weinheim untergebracht – das sind so viele wie noch nie.
  • Im Vergleich dazu waren es 2019 noch rund 70 Personen.
  • Die Menschen sind dezentral in etwa 20 Wohneinheiten in der ganzen Stadt untergebracht.
  • Während die Zahl der betroffenen Menschen immer weiter zunimmt, nimmt die Zahl der Auszüge von Jahr zu Jahr ab, was darauf schließen lässt, dass Menschen, die in Obdachlosigkeit geraten, immer schwerer eine Wohnung auf dem freien Markt finden.
  • Verschärft wird die Situation noch zusätzlich durch die wachsende Zahl an Flüchtlingen, die von der Stadt untergebracht werden müssen.

Das Drama begann im Juni 2022, als sie die Kündigung bekam für ihre Souterrainwohnung in Hohensachsen – wegen Eigenbedarfs. Dort hatte sie zwölf Jahre lang gewohnt, für 400 Euro warm, zusammen mit ihren beiden Katzen Mae und Bubele. „Ich habe immer die Miete pünktlich bezahlt, mir nie etwas zuschulden kommen lassen“, berichtet sie. Zunächst hatte sie Hoffnung, zeitnah eine erschwingliche Bleibe zu finden. Doch die Suche per Annoncen im Internet, in Tageszeitungen oder über private Kontakte blieb erfolglos. „Es war einfach nichts zu finden, das ich mir leisten konnte“, sagt sie.

Katzen ins Tierheim

Der Auszug war selbst mit Unterstützung durch einen Anwalt des Mieterbundes nicht zu verhindern. Schon wenige Wochen danach stand sie auf der Straße. Mitarbeiter des Ordnungsamtes brachten die 73-Jährige in die Obdachlosenunterkunft in der Bergstraße. Davor lagerte sie ihre Möbel ein. „Dafür zahle ich auch noch 100 Euro im Monat.“ Ihre beiden Katzen musste sie im Tierheim abgeben. Susanne Burger: „Das brach mir das Herz.“

Seitdem wohnt die Rentnerin für 150 Euro auf zehn Quadratmetern, teilt sich Küche und Bad mit fünf anderen Frauen. Das Zusammenleben auf engstem Raum gestaltet sich schwierig. Burger: „Es ist schrecklich hier.“

Auch weiterhin ist sie auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, am liebsten im Odenwald oder in der Pfalz. „In Weinheim ist eh nichts zu bekommen und ich brauche die Natur“, erklärt sie. Gerne würde sie in einem neuen Domizil bei der Gartenarbeit helfen. 650 Euro Warmmiete könnte Burger allerhöchstens ausgeben, die Zuzahlung durch das Sozialamt macht das möglich. Aber auch für diese Summe ist nur schwer etwas zu finden. „Ich war schon bei Wohnungsbesichtigungen mit 100 Interessenten und bin leer ausgegangen“, berichtet sie resigniert.

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Silberstreif am Horizont

Susanne Burger will auf keinen Fall aufgeben. Auf Dauer in der Obdachlosenunterkunft zu bleiben, kommt für sie nicht in Frage. Ein kleiner Silberstreif am Horizont ist das aktuelle Angebot, in eine Wohnung nach Hemsbach zu ziehen. Burger: „Das ist aber alles noch nicht spruchreif.“

Dass sich im Zuge des Zeitungsberichtes ein Vermieter meldet, darüber würde sich auch die Stadtverwaltung Weinheim freuen. Deren Sprecher Roland Kern: „Denn es ist wirklich sehr traurig, dass es in unserem Staat Menschen gibt, die ihr Leben lang gearbeitet haben und dennoch nicht genügend Geld haben, um sich im Alter eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt leisten zu können.“ Er weiß um die Aufgaben der Kommune, Obdachlosigkeit zu vermeiden. „Dieser Aufgabe kommen wir mit den größten Anstrengungen nach, aber es wird immer schwieriger“, erklärt er. Durch die steigenden Preise gebe es immer mehr Menschen, die sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können.

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Ständig auf der Suche

Kern: „Die Zahl der Menschen, die dann an die Türen unseres Ordnungsamtes anklopfen müssen, steigt seit einigen Monaten ständig. Wir bedauern jedes einzelne menschliche Schicksal, aber wir haben meistens keinen anderen Wohnraum zur Verfügung als in einer Unterkunft, die sich mehrere Menschen teilen müssen.“ Die wenigen freien Wohnungen, die es gibt, werden an Familien vergeben, damit sie nicht getrennt werden müssen. Für die Mitarbeiter seien solche Fälle herzzerreißende Angelegenheiten. „Aber wir haben nicht mehr Wohnraum. Wir würden ihn auch anmieten, aber es gibt ihn nicht. Es wurde schon sehr oft an private Vermieter und Immobilienbesitzer appelliert, aber auch das hat bislang kaum gefruchtet“, so der Pressesprecher.

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