Musik und Kunst

Jens Ritter schnitzt aus Deidesheimer Kerwebaum eine E-Gitarre

Jens Ritters Gitarren hängen in Kunst-Museen. Seine Instrumente sind weltberühmt. Jetzt hat er der Stadt Deidesheim eine Gitarre aus einem Kerwebaum geschnitzt. Warum es das tut

Von 
Bernhard Zinke
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Eine ebenso einfache wie formschöne Optik: die Kerwebaum-Gitarre. © Jens Ritter

Deidesheim. Jens Ritter ist nicht nur Instrumentenbauer, sondern vor allem auch Künstler. Die handgefertigten E-Gitarren und E-Bässe aus seiner Deidesheimer Werkstatt sind allesamt mit einem edlen Design ausgestattet. Es ist kein Zufall, dass Exemplare in weltberühmten Museen wie dem Museum of Modern Arts in New York City, dem Smithsonian American Art Museum in Washington, D.C. oder im Museum of Fine Arts in Boston ausgestellt werden. Seine Kunden sind Kunstsammler und prominente Musiker: Lady Gaga spielt eine seiner Gitarren, ebenso Mary J. Blige. Auch Prince stand mit einem Ritter-Instrument auf der Bühne.

Überdies hat der Wahl-Deidesheimer ein Händchen dafür, im Gitarrenbau eher ungewöhnliche Hölzer zum Klingen zu bringen. Im Jahr 2015 legte er mit Freunden einen E-Gitarrenkorpus aus Eiche für zwei Jahre in 500 Liter Riesling ein. Der Wein weichte das Holz derart auf, dass der Klang des Instruments 2017 sogar Pop-Akademie-Dozent Michael Koschorrek überzeugte. „The Pechstein“, so der Name der Gitarre, erlöste in einer Versteigerung 14 000 Euro für die Deutsche Kinderkrebshilfe.

Aus Fichtenholz geschnitzt

Jetzt hat Ritter erneut eine Gitarre aus einem höchst ungewöhnlichen Holz geschnitzt: Aus einem Kerwebaum von Deidesheim. Und der ist aus Fichte. „Sehr gutes Fichtenholz wird manchmal für den Geigenbau oder für akustische Gitarren benutzt, aber gar nicht für elektrische Gitarren“, erklärt Jens Ritter im Gespräch mit dieser Redaktion.

Jens Ritter



  • Der gelernte Maschinenbautechniker, der früher bei der BASF arbeitete, begann als Jugendlicher aus Geldnot, alte Gitarren zu veredeln.
  • Geboren in Bad Dürkheim und aufgewachsen in Wachenheim widmet er sich seit 2001 in seiner Wahlheimat Deidesheim dem Bau von edlen E-Gitarren und E-Bässen.
  • Neben exzellenten klanglichen Eigenschaften fallen seine Instrumente vor allem durch ihr außerordentlich kunstvolles Design auf.
  • So gestaltete er beispielsweise Lady Gaga eine Gitarre mit 11 000 handverlegten Swarovski-Steinen.
  • Zu seinen Kunden zählen und zählten außerdem Prince, Phil Lesh (The Greatful Dead), Mary J. Blige, George Benson und Dough Wimbish, der Bassist von Madonnas Tournee-Band.
  • Aktuell fertigt Ritter eine weitere Ottifanten-Gitarre für Otto Waalkes, die dieser im Dezember in der ZDF-Sendung „Ein Herz für Kinder“ versteigern will. Ritter hat bereits für Otto eine Gitarre in Form eines Ottifanten gebaut. bjz

 

Das Projekt Kerwebaum-Gitarre reicht bis ins Jahr 2015 zurück. Da besuchte Ritter mit seiner Frau und seinen Kindern den Heimatabend im Rahmen der Kerwe. Dort wird traditionell die Spitze des Kerwebaums versteigert. Aus einer Laune heraus steigerte Ritter mit, unter der Voraussetzung, dass er nicht nur die Spitze, sondern den ganzen Baum bekam. Er bekam den Zuschlag. Nun war der Baum allerdings noch nicht verwendbar, sondern musste erst gut an der frischen Luft austrocknen - was entscheidend ist für die Qualität des späteren Klangs.

Im Jahr 2019 war die Gitarre fertig und wurde kurz angetestet, erneut am Deidesheimer Heimatabend von der Partyband „Los Desperados“. „Sie klingt tatsächlich ganz passabel“, findet Ritter. Allerdings ist das Instrument erst einmal verstummt. Ritter hat die Buchse auf der Rückseite der Gitarre, in die das Instrumentenkabel gesteckt wird, versiegeln lassen.

Ritter will auf die bedrohliche Lage im Musikbusiness aufmerksam machen

Damit reiht sich das Kunstwerk in eine ganze Reihe von Gitarren ein, die Ritter aktuell fertigt. „Sleeping Beauties“ heißt das Projekt, mit dem Ritter auf die bedrohliche Lage des Musikbusiness aufmerksam machen will. Die musikalische Kreativität verliere immer mehr an Bedeutung, auch vor dem Hintergrund, dass immer mehr Produzenten das Komponieren von Songs der Künstlichen Intelligenz überlasse.

Es geht nicht mehr um das Produkt Musik an sich, sondern um die Verkaufe. Dagegen protestiert Ritter auf seine Art, indem er seine Instrumente für 100 Jahre sozusagen schlafen legt, in eine Zeitkapsel einschließt. „Ich liebe die Vorstellung, wie die Menschen in 100 Jahren auf eine brandneue Vintage-Gitarre reagieren werden. Ich bin überzeugt davon, dass die elektrische Gitarre dasselbe kulturelle Potenzial erreichen wird wie eine Stradivari-Geige heute.

Mit diesem Siegel auf der Buchse bleibt die Gitarre 25 Jahre stumm. © Jens Ritter

Die ,Sleeping Beauties’ sind ein bedeutsames Vermächtnis, das wir weitergeben an unsere Enkel und Urenkel. Sie transportieren die kraftvolle kulturelle Energie des goldenen Zeitalters der elektrischen Gitarre, was wir den zukünftigen Generationen vermitteln müssen. Die künftigen Eigentümer, die die ,Sleeping Beauties’ in einem Jahrhundert aufwecken, werden eine wichtige Nachricht erhalten“, erklärt Jens Ritter das Konzept der Serie.

Die Kerwebaum-Gitarre mussindessen nicht ganz 100 Jahre auf ihre Erweckung warten. Nach dem Wunsch ihres Schöpfers wird sie nur für 24 Jahre versiegelt. Im Jahr 2047 nämlich feiern sowohl die Deidesheimer Kerwe als auch Jens Ritter ihren 75. Geburtstag. Wer sie dann spielen soll, sei aber heute noch nicht klar.

Dankeschön für gute Vibes

Die Gitarre ist schon jetzt das Eigentum der Stadt Deidesheim. „Ich möchte mit damit bei Deidesheim bedanken für all die guten Vibes“, sagt Ritter. Auch seine Gäste genössen das besondere Ambiente der schönen Stadt in der Pfalz.

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Für Stadtbürgermeister Manfred Dörr ist die Kerwebaum-Gitarre ein bedeutsames Geschenk. „Wir sind sehr froh und dankbar dafür“, sagt Dörr. Man freue sich auch über den Erfolg von Jens, der Deidesheim durch seine Gitarren ja auch in der Welt bekannt mache. Die Kerwebaum-Gitarre werde auch jeden Fall einen Ehrenplatz im Museum für Weinkultur im historischen Rathaus erhalten, wahrscheinlich im Eingangsbereich, damit jedermann gut zu sehen.

Aktuell ist die Kerwebaum-Gitarre noch im Schaufenster des Showrooms von Jens Ritter in der Weinstraße 27 zu bestaunen. Anfang November wechselt sie dann ihren Platz und wandert zu ihrem 25-jährigen Schönheitsschlaf ins Deidesheimer Museum.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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