Rhein-Neckar. Erstmals ist jetzt in der pfälzischen Rheinebene ein Wolf gesichtet worden – außerhalb des Pfälzerwaldes. In der Verbandsgemeinde (VG) Lingenfeld (Keis Germersheim) wurde das Tier von einer Fotofalle abgelichtet. Das rheinland-pfälzische Koordinationszentrum Luchs und Wolf (KLUWO) hat nach der Sichtung der Aufnahmen bestätigt, dass es sich tatsächlich um einen Wolf handelt. Grund zur Beunruhigung bestehe für die Bevölkerung aber nicht. Auch Weidetierhalter hätten erst einmal nichts zu befürchten.
„Wölfe haben keine Erkennungsmerkmale bei denen man einzelne Individuen erkennen kann. Rein optisch haben wir also kaum eine Chance, ein einzelnes Tier eindeutig zu bestimmen.
Zweimal ist der Wolf vergangene Woche in eine Fotofalle getappt. Am Mittwoch und am Donnerstag, nach Angaben von KLUWO-Leiter Julian Sandrini einmal nachts um kurz vor 4 Uhr und einmal tagsüber um kurz nach 16 Uhr. „Unseres Wissens handelt es sich bei dem abgelichteten Tier tatsächlich um den ersten Wolf in der Rheinebene“, erklärt Sandrini. Dass es sich auf beiden Aufnahmen um das gleiche Tier handele, sei nicht genau nachzuweisen, aufgrund der zeitlichen Nähe aber sehr wahrscheinlich.
„Wölfe haben keine Erkennungsmerkmale wie andere Tierarten, bei denen man einzelne Individuen beispielsweise anhand der Fellzeichnung erkennen kann. Rein optisch haben wir also kaum eine Chance, ein einzelnes Tier eindeutig zu bestimmen, wenn es keine ungewöhnlichen äußeren Merkmale aufweist, wie beispielsweise Narben oder dergleichen“, sagt der Wolfsexperte.
Wolf-Wanderungen Wanderungen bis zu 1000 Kilometer dokumentiert
Dass ein Wolf in der Rheinebene, außerhalb des Pfälzer Waldes auftauche, sei an sich nichts Ungewöhnliches. „Der Wolf ist nicht klassisch waldgebunden. Er lebt durchaus auch in Kulturlandschaften, wo Wald und Felder direkt aneinander angrenzen“, erklärt der Sandrini. Auch dass die Tiere Ebenen und sogenannte Agrarwüsten durchqueren, sei normal.
Wölfe sind zwar bekanntlich eigentlich Rudeltiere, bei dem in der VG Lingenfeld abgelichteten Tier handele es sich wahrscheinlich aber um einen Einzelgänger. „Wölfe bilden normalerweise Rudel in einer Familienstruktur, bestehend aus den Elterntieren und dem Nachwuchs der zwei nachfolgenden Generationen. Im Alter zwischen zehn und 22 Monaten verlassen die Jungtiere dann das Rudel und machen sich auf die Suche nach einem eigenen Revier“, klärt Sandrini auf. Und genau das sei wohl bei diesem Wolf der Fall.
Das KLUWO
Das Koordinationszentrum Luchs und Wolf (KLUWO) wurde im Jahr 2021 gegründet und ist zentrale Anlaufstelle für Fragen zu Luchs und Wolf.
Wolfssichtungen können telefonisch unter der Hotline des KLUWO unter 06306 911199 (alternativ 06131 884268199) oder per Mail an kluwo@wald-rlp.de gemeldet werden.
Alle wichtigen Informationen zum Wolf in Rheinland-Pfalz, zu Monitoring, Herdenschutzmaßnahmen und Förderung gibt es auf der Homepage www.wolf.rlp.de.
„Wahrscheinlich ist das Tier auf der Suche nach einem eigenen Territorium – und da so ein Wolf kein Google Maps hat, muss er halt eine Weile laufen, um ein geeignetes Areal zu finden“, sagt Sandrini mit einem Schmunzeln. Bei einer solchen Wanderung könne ein Tier auch mal 70 Kilometer in einer Nacht und insgesamt gar satte 1000 Kilometer zurücklegen. „Das ist selten, wurde aber schon nachgewiesen.“
Nach Sichtung in Lingenfeld: Eine Ansiedlung des Wolfes in der Rheinebene ist unwahrscheinlich
Weidetierhalter hätten aber zunächst einmal nichts zu befürchten. „Bislang ist uns kein Angriff durch den Wolf aus der Gegend gemeldet worden. Und das jetzt abgelichtete Tier hat sich auch unauffällig verhalten“, sagt der Experte und versichert, dass man die Situation natürlich im Auge behalte. Sollten sich die Sichtungen häufen, werde man das Monitoring auch verstärken. Der KLUWO-Leiter geht aber nicht davon aus, dass sich das Tier in der Rheinebene ansiedeln wird. „Da dürften ruhigere, waldreichere und besser geschützte Regionen wesentlich interessanter sein.“
Sollte der sehr unwahrscheinliche Fall eintreten, dass man beim Spazierengehen oder bei der Gassirunde mit dem Hund auf den Wolf trifft, sollte man vor allem eines: Ruhe bewahren. In der Regel habe der Wolf den Menschen längst entdeckt, bevor dieser ihn bemerkt. „Und in aller Regel bleibt er auf Abstand“, weiß Sandrini. Meist nähere sich der Wolf einem Menschen nicht und halte eine Distanz von 150 bis 300 Metern.
Sollte ein Tier trotzdem plötzlich auf dem Waldweg auftauchen, sollte man sich beispielsweise durch lautes Reden oder Rufen bemerkbar machen. „Den größten Gefallen tut man dem Tier, wenn man es einfach in Ruhe lässt. Also am besten auf Abstand bleiben und sich langsam zurückziehen – und aus sicherer Entfernung gerne ein Foto von der Begegnung machen und an uns schicken“, bittet Sandrini. Denn Berichte von Sichtungen seien wichtig für das Monitoring.
Wölfe auch schon in Baden-Württemberg und Hessen gesichtet
Aus Baden-Württemberg ist keine aktuelle Wolfssichtung in der Grenzregion zu Rheinland-Pfalz bekannt. „Wir hatten im Februar 2023 mal eine Sichtung in der Gemeinde Dettenheim - aber keinen sicheren Nachweis“, erklärt Micha Herdtfelder von der zuständigen Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg. Am 16. Juni seien zwar bei Oberhausen-Rheinhausen auch noch einmal Spuren gefunden worden. Ob es sich dabei aber um die Fährte eines Wolfs oder eines etwa gleich großen Hundes gehandelt habe, sei nicht zu verifizieren gewesen. Insgesamt seien in Baden-Württemberg vier territoriale Wölfe bekannt. Zwei im Nordschwarzwald und jeweils einer im Süd- und Ostschwarzwald.
Auch in Hessen leben Wölfe in der Grenzregion zu Rheinland-Pfalz - allerdings offenbar nicht in der Metropolregion. „Wir haben ein Wolfsterritorium in Rüdesheim - das bedeutet, dass dort mindestens ein Wolf über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten genetisch bestätigt wurde“, erklärt Moritz Frey, Pressesprecher beim Landesbetrieb HessenForst. Ansonsten habe man in diesem Jahr nachweisliche Wolfsaktivität in Waldems und Niedernhausen registriert.
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