Artenschutz

Haubenlerche soll ganz aus Neubaugebiet in Walldorf verschwinden

Häuslebauer müssen warten und Katzenbesitzer dürfen ihre Tiere nicht rauslassen. Um die Problematik zu lösen, will man die Haubenlerche auf Flächen westlich der A6 umsiedeln. Der Rhein-Neckar-Kreis räumt inzwischen Fehler ein

Von 
Stephan Alfter
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Eine seltene Haubenlerche sitzt an einem Schutzzaun, der um ihr Brutgebiet gespannt ist. © Marijan Murat/dpa

Es hat ein wenig etwas vom Braunkohledorf Lützerath - nur dass es hier um Vögel und nicht um Menschen geht. In Walldorf versuchen Stadtverwaltung und ein Institut für Umweltstudien die wenigen verbliebenen Brutpaare der Haubenlerche zum Umzug zu bewegen. Und zwar raus aus dem letzten Teil eines noch zu realisierenden Neubaugebiets im Walldorfer Süden, hin zu einer Fläche westlich der A 6. Diese soll in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft massiv umstrukturiert werden, um so verlockend wie möglich für die bedrohte Art zu sein, wie Andreas Ness kürzlich auf einer Exkursion mit Mitgliedern des Gemeinderats erzählte. Der Diplom-Biologe und seine Kollegen vom pfälzischen Büro Weibel & Ness sind seit Beginn des Jahres für das Haubenlerchen-Monitoring zuständig und stellen fest, dass sich die Haubenlerche gegen den Umzug stemmt wie damals die Bewohner von Lützerath.

Hat die Stadt die Vögel geschützt?

Dass die Diskussion überhaupt so groß geworden ist, hat mit dem Aufschrei aus der Bevölkerung zu tun. In einem in der Region bisher einzigartigen Vorgang hat die Unter Naturschutzbehörde Rhein-Neckar-Kreises im Sommer 2022 ein Ausgangsverbot für Katzen verhängt. Mit der Begründung, diese seien der größte Feind des Bodenbrüters. Das Verbot gilt auch in diesem Sommer. An dieser Perspektive gab es Kritik. Denn: Ist nicht der Mensch und sein Siedlungsdrang dafür verantwortlich, dass die Haubenlerche immer weniger Plätze zum Brüten findet? Der Schwund von Lebensräumen sei ein zentrales Problem, bestätigt Ness auf Anfrage. Im bebauten Bereich werde die Haubenlerche mittelfristig keine Chance haben, prognostiziert er. „Bäume gibt es in der Halbwüste nicht“, sagte er während der Exkursion.

Bußgelder

  • Bislang wurden in diesem Jahr keine Bußgelder verhängt, wie eine Sprecherin des Landratsamts mitteilte. Es habe kein nachweislicher Verstoß gegen das Tötungs- beziehungsweise Verletzungs- oder das Störungsverbot festgestellt werden können.
  • Aktuell gelten den Angaben nach drei Befreiungen von der Allgemeinverfügung. Zwei stammten aus diesem Jahr und beruhten auf dem GPS-Tracking. Eine Ausnahme sei seit dem vergangenen Jahr gültig.
  • Nach aktuellem Wissensstand ziehe ein Paar Jungvögel auf, so das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis auf Anfrage. 

Als gestresster Katzenbesitzer könnte man nun die kritische Frage stellen, ob die Stadt Walldorf ihren eigenen Pflichten, den Vogel zu schützen, nachgekommen ist, als sie ihre Bebauungspläne konsequent umsetzte, obwohl sie wusste, dass die Haubenlerche dort brütet. Der Versuch, den Schwerpunkt des Brutgebiets aus dem Baugebiet heraus in angrenzende, landwirtschaftlich genutzte Bereiche zu verlagern, ist zwischen 2013 und heute gründlich gescheitert.

Als 2018 der Bebauungsplan für den zweiten Abschnitt des Neubaugebiets Walldorf-Süd in Kraft getreten war, waren nach Angaben der Behörden noch fünf Brutpaare gezählt worden. 2022 waren es anfangs noch drei, später nur noch zwei Paare. Es scheint demnach einen direkten Zusammenhang zu geben zwischen dem Schwund des Vogels und der Bautätigkeit. Nun ist von sichereren Gefilden die Rede, wohlwissend, dass es auch die Katzenbesitzer versöhnen würde, wenn die Haubenlerchen einfach umzögen, aber so einfach ist es dann doch nicht. Andreas Ness sagte während der Exkursion über die wenigen Exemplare: „Die finden es klasse hier.“

Kreis räumt leise Fehler ein

Für Ness waren viele der bisherigen Aktivitäten „zu sehr Nabelschau“, vieles könne „nicht funktionieren“. Deshalb lege man nun den Fokus auf das Gebiet westlich der A 6, das man nicht weiter definieren möchte, um Beobachter und somit Störer fernzuhalten. Aus seiner Sicht haben „den Schlüssel zur Lösung dieser Probleme die Landwirte“. Man habe Ackerwildkräuter verteilt, Erbsen ausgesät, auch eine spezielle Kleemischung. Schon jetzt hielten sich die Tiere dort gelegentlich auf.

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Die Untere Naturschutzbehörde des Rhein-Neckar-Kreises räumt inzwischen vorsichtig Fehler ein. Kreissprecherin Silke Hartmann sagt auf Anfrage dieser Redaktion, dass man bei der Ausweisung des Baugebiets im Jahr 2013 davon ausgegangen sei, dass eine Umsiedlung der Haubenlerche durch entsprechende Maßnahmen möglich ist, weshalb dies unter Auflagen vonseiten der Naturschutzbehörde mitgetragen worden sei. Im Verlauf der Zeit habe sich aber gezeigt, dass dies doch nicht ohne Weiteres funktioniere, da die Elterntiere sehr standorttreu seien. Recht sicher ist man sich aber bei der Behörde, dass der sogenannte Katzen-Lockdown dazu geführt habe, dass im vergangen Jahr immerhin acht Jungtiere flügge geworden seien. Inwiefern diese Entwicklung zu neuen Brutpaaren führt, ist ungeklärt, denn Haubenlerchen sind erst im dritten Lebensjahr geschlechtsreif. Ob die Population zunimmt, entscheidet sich also frühestens im Jahr 2024.

Bis dahin hofft man, die verbliebenen beiden Brutpaare - auch durch die bis 2025 ausgeweitete Katzenausgangssperre - erhalten zu können. Dazu kommt ein bisher „unverpaartes“ Männchen. Über ein eventuell drittes Brutpaar wisse man zu wenig. „Haubenlerchen bauen immer drei Nester“, so Ness. „Die sind nicht doof. Die wollen nicht, dass wir ihre Nester finden.“

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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