Es sind dramatische Stunden, an diesem Samstag im Juni vor zehn Jahren – auch, ja gerade auf der Mannheimer Rheinseite. Denn es herrscht, wie so oft, Westwind. Der treibt die dichte, schwarze Rauchsäule nach Mannheim, über die Quadrate, über die östlichen Vororte und bis zur Bergstraße, wo sie sich in großen Höhen verflüchtigt. Sie verdunkelt die Sonne, ist über viele Kilometer hinweg zu sehen und verängstigt viele Menschen enorm.
Ständig klingelt das Telefon, ob in der Feuerwehr-Leitstelle oder bei der Polizei. Vereine fragen, ob sie ihre Sportturniere abbrechen sollen. Im Luisenpark rätselt man, ob der abendliche „Seebühnenzauber“ im Freien stattfinden kann, und öffnet die Baumhainhalle, damit die Gäste dorthin vor der Rauchwolke fliehen können. Das Angebot nimmt aber kaum einer an. Die Freilichtbühne sagt eine Vorstellung ab.
Andererseits stehen Trauben von Schaulustigen am Rheinufer oder grillen ungerührt am Stephanienufer, obwohl leichte Rußpartikel niedergehen. Gerade auf dem Lindenhof sind abends einige Autos mit dicken Rußflecken versehen. In Teilen des Stadtgebiets gehen kleine, verkohlte Styroporkügelchen nieder.
Doch trotz des bis weit in den Osten Mannheims wahrnehmbarem deutlichen Brandgeruchs gibt es „keine gefährlichen Schadstoffkonzentrationen“, versichert Ralph Rudolph, Leiter der Analytischen Task Force (ATF) der Feuerwehr Mannheim. Sie ist einer von nur sieben Standorten in Deutschland dieser Spezialeinheit von bestens ausgebildeten, hochmodern ausgestatteten Messtechnik-Spezialisten, die Schadstoffe schnell analysieren. In Mannheim besteht die ATF aus speziell geschulten Kräften der Berufsfeuerwehr und der Freiwilligen Feuerwehr Neckarau. Mit drei Messfahrzeugen sind sie an diesem Sommertag unterwegs. Überall, wo der Qualm sich ausbreitet, strecken sie ihre hochsensiblen elektronischen Fühler aus, darunter auch ein sehr sensibles Fernerkundungsgerät.
Klinikum in Bereitschaft
Auch über den Mess-Einsatz hinaus ist die Mannheimer Feuerwehr enorm gefordert. Das damals neue Feuerlöschboot legt zum ersten grenzüberschreitenden Einsatz ab, der Mannheimer Kranwagen rollt auf der Parkinsel vor, um per Wasserkanone 500 Liter pro Minute in die Flammen zu spritzen. Berufsfeuerwehr und mehrere Abteilungen der Freiwilligen Feuerwehr helfen den Ludwigshafener Kameraden, Mannheimer Führungskräfte fungieren sogar als Abschnittsleiter.
50 ehrenamtliche Helfer aller Mannheimer Rettungsdienste stehen für eine eventuelle größere Evakuierung bereit. Das Universitätsklinikum bereitet sich auf viele Patienten mit Rauchgasvergiftung vor und stockt die Vorräte der entsprechenden Medikamente auf. Sie werden zum Glück nicht gebraucht.
Was aber nachdenklich macht und Diskussionen auslöst: Die Mannheimer erfahren viel zu spät, was los ist. Die Polizei macht zwar zumindest in einigen Stadtteilen mit Streifenwagen Durchsagen per Lautsprecher. Die sind aber schwer verständlich – und Unsinn, denn die Leute sollen ja gerade die Fenster schließen, statt sie zu öffnen, um den Durchsagen zu lauschen.
Der Großbrand auf der Parkinsel ist daher der letzte Auslöser für den Bau eines neuen Sirenennetzes in Mannheim. Erster Bürgermeister Christian Specht hat es zwar vorher schon vorgeschlagen, aber er erfährt in der Kommunalpolitik zunächst Widerstand oder völliges Desinteresse. Nach der Rauchwolke ist das anders. Mitte 2015 werden die ersten Mannheimer Sirenen montiert.
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