Rhein-Neckar. Sie sollen akribisch und perfide den Tod einer jungen Frau geplant haben, die hier in Deutschland Schutz vor dem Krieg in der Ukraine gesucht hat. 27 Jahre alt, frischgebackene Mama einer Tochter, Mia. Um das neugeborene Mädchen in ihre Gewalt zu bringen, räumen sie laut Anklage auch die 51-jährige Großmutter ohne Skrupel aus dem Weg. Und das alles nur, um den eigenen sehnlichen Wunsch nach einer gemeinsamen Tochter zu befriedigen.
Seit Anfang der Woche steht ein Ehepaar aus Sandhausen wegen dieser Gräueltaten in Mannheim vor Gericht. Doch was ist über Marco und Ina O. eigentlich bekannt?
Den Prozessauftakt in Mannheim verbringt das mutmaßliche Mörder-Paar bis auf eine kleine Ausnahme schweigend
Beim Prozessauftakt bestätigen beide dem Vorsitzenden Richter Gerd Rackwitz nur kurz ihre Personalien. Das ist die einzige Gelegenheit, bei der man sie sprechen hört. Ansonsten sitzen sie schweigend neben ihren Verteidigern, lassen von diesen ihre Geständnisse verlesen. Abschließend sollen diese sein, weitere Nachfragen wollen sie nicht beantworten. Und auch auf persönliche Angaben verzichten der 43-Jährige und seine 45 Jahre alte Ehefrau. Die beiden sind seit 2019 verheiratet.
Sie haben einen gemeinsamen Sohn. Und noch zwei weitere Söhne von Ina O. lebten mit im Haushalt in Sandhausen. Marco O. hat noch eine Tochter, die aber bei der Mutter wohnt. Eine gemeinsame Tochter soll es für das Paar sein, dieser Wunsch steht über allem. Er scheint mit der Zeit alles Denken und Handeln der Eheleute zu vergiften und sie bis zum Äußersten zu treiben.
Die persönlichen Informationen über das Paar trägt der Sachverständige Hartmut Pleines vor
In der gemeinsamen Geschichte der beiden gibt es ein „einschneidendes Erlebnis“. So hat es Marco O. im Gespräch mit dem psychiatrischen Sachverständigen Hartmut Pleines aus Heidelberg bezeichnet. Seine Erkenntnisse aus den Befragungen der Angeklagten trägt der Gutachter beim Prozessauftakt vor, da sie ja selbst nichts sagen wollen. Marco O. hat ihm gegenüber von einer Fehlgeburt berichtet, die seine Frau gehabt habe und die ihn aus der Bahn geworfen habe.
Auch eine Kinderwunschklinik kann dem Paar aus Sandhausen nicht helfen
2022 wird Ina O. schwanger. Endlich. Die Hoffnung auf eine gemeinsame Tochter lebt plötzlich, nach zahllosen erfolglosen Versuchen, unter anderem in einer Prager Kinderwunschklinik. Im Februar 2023 wacht O. dann durch einen Schrei auf, wie Pleines vorträgt. Seine Frau ist im Badezimmer, sie hat das Kind verloren. Den Embryo muss der 43-Jährige, so habe er es gegenüber dem Sachverständigen geschildert, auf seinem Schoß ins Krankenhaus bringen.
Der Anblick lässt ihn nicht mehr los, er will nicht mehr schlafen. Dem Gutachter berichtet er von der Stimme eines Mädchens, das „Papa“ ruft, auch der Schrei seiner Frau verfolgt ihn. „Er habe als Mensch nicht mehr funktioniert“, berichtet Pleines. Für sein Umfeld habe er aber gewissermaßen eine Maske aufgezogen, so habe niemand etwas bemerkt.
Der Angeklagte will drogensüchtig gewesen sein - vor allem nach der Fehlgeburt habe er viel konsumiert
Marco O. ist gelernter Metzger und Koch. Von 2000 bis 2004 heuert er als Zeitsoldat bei der Bundeswehr an. Er leitet die Großküche in Bruchsal. Als die Zeit bei der Bundeswehr endet, fällt er eigenen Schilderungen nach in ein Loch, wird depressiv. Es folgen unzählige Stationen bei verschiedenen Arbeitgebern, sein Drogenkonsum, der Anfang seiner 20er begonnen habe, habe nun stetig zugenommen. Die Fehlgeburt habe den Konsum von Amphetamin, Kokain und Tilidin nochmals drastisch verstärkt. Er habe den Schreien seiner Tochter und seiner Frau entkommen wollen.
Ina O. ist die Tochter einer Russin und eines Deutschrussen. Sie wird im Dezember 1979 in Kasachstan geboren, 1995 folgt sie ihren Eltern nach Deutschland. Die Familie kommt nach Heidelberg, wo O. die Realschule besucht und abschließt. Sie macht eine Ausbildung zur Bürokauffrau. In ihrer Familie habe sie vermittelt bekommen, dass es wichtig sei, immer einer eigenen Arbeit nachzugehen, berichtet der Sachverständige Pleines von den Gesprächen. Sie arbeitet in einem Hotel, bei einer Metzgerei, einer Reinigungsfirma. Zuletzt hatte sie sich mit einer mobilen Fußpflege selbstständig gemacht.
Über das Seelenleben der angeklagten Frau erfährt der Zuhörer zunächst nichts
Über ihren Wunsch nach einer Tochter hat Pleines am ersten Prozesstag nichts zu berichten. Einblicke in das Seelenleben der 45-Jährigen bleiben im Gegensatz zu den Schilderungen ihres Mannes aus. Dieser habe sich bei den Befragungen aber zu der einen oder anderen Spontanäußerung hinreißen lassen, berichtet der Sachverständige. So sei Ina O. in der Woche nach den Morden, in der das entführte Baby bei ihnen gewesen sei, glücklich gewesen. Das habe auch ihn glücklich gemacht.
Der Angeklagte soll Mutter und Oma des Babys mit wuchtigen Hieben gegen die Schädel erschlagen haben. Das Mädchen, so äußerte er gegenüber Pleines, hätte es sicher gut bei seiner Frau und ihm gehabt.
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