Ermittlungen

Geplanter Anschlag auf Heidelberger Synagoge: "Bedrohung für uns alle"

Zwei Männer wollten in der Heidelberger Synagoge Blut vergießen und als "Märtyrer" sterben. Die Behörden konnten das verhindern. Dennoch sitzt der Schock tief

Von 
Julian Eistetter
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Sollte zum Ziel eines blutigen Anschlags werden: die 1994 fertiggestellte Synagoge in Heidelberg. © Philipp Rothe

Heidelberg. Die Nachricht verbreitet sich am Freitagmittag rasant. Auch zu den rund 420 Mitgliedern der Jüdischen Kultusgemeinde (JKG) Heidelberg dringen die verstörenden Informationen zwangsläufig durch.

Medien berichten bundesweit von dem Anschlag, den zwei junge Männer auf die Synagoge in Heidelberg geplant haben sollen.

Heidelberger Rabbiner: In Panik verfällt niemand

Rabbiner Jona David Pawelczyk-Kissin klingt am Telefon relativ aufgeräumt. Für eine größere Stellungnahme sei es eigentlich zu früh, man müsse sich erstmal sammeln, sortieren.

Der Heidelberger Rabbiner Jona David Pawelczyk-Kissin. © Dorothea Lenhardt

Natürlich mache sich Verunsicherung unter den Gemeindemitgliedern breit. „Unsere Aufgabe ist es nun, zu kommunizieren und Fragen zu beantworten“, so der Rabbiner. In Panik verfalle aber niemand. Man vertraue voll und ganz der Polizei.

18-Jähriger am Samstag von Spezialkräften festgenommen

Vorstand und Rabbiner der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg werden bereits am Donnerstag über das informiert, was die Öffentlichkeit erst am Freitag erfährt. In einer gemeinsamen Erklärung teilen die Staatsanwaltschaften Stuttgart und Karlsruhe sowie das Landeskriminalamt (LKA) mit, dass in Weinheim am Samstag ein 18 Jahre alter Mann festgenommen wurde, der gemeinsam mit einem Komplizen eine Bluttat in der Heidelberger Synagoge geplant haben soll.

Relativ nüchtern und beiläufig liest sich das in der Mitteilung, so, als ginge es einfach um die Freizeitgestaltung am kommenden Wochenende. Per Chat hätten sich die jungen Männer über einen möglichen Messerangriff auf Besucher der Synagoge „ausgetauscht“.

Junge Männer wollte sich nach Anschlag erschießen lassen

„Die Tötung von einem oder mehreren Besuchern“ und ein anschließender Märtyrer-Tod seien „besprochen“ worden. Demnach wollten sich der 18-jährige Deutsch-Türke und sein 24 Jahre alter deutscher Chatpartner nach dem Anschlag von Einsatzkräften erschießen lassen.

Ein Blick auf die Heidelberger Synagoge. © Dorothea Lenhardt

Auf die Spur kamen die Ermittler dem 18-Jährigen aus Weinheim eigenen Angaben nach durch eine Wohnungsdurchsuchung bei dem 24-Jährigen am 3. Mai in Bad Friedrichshall (Landkreis Heilbronn). Gegen den Mann bestand der Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Bei dem Einsatz mussten die Beamten von der Schusswaffe Gebrauch machen, weil der 24-Jährige mit Messern auf sie losgegangen war. Er wurde verletzt in eine Klinik gebracht.

Polizei sieht keine konkrete Gefährdung von Besuchern der Synagoge

Bei der Auswertung der technischen Geräte des 24-Jährigen stießen die Ermittler auf die Chatverläufe mit dem 18-Jährigen. Laut Mitteilung hatte der Austausch im April dieses Jahres stattgefunden. Wegen des sich daraus ergebenden Tatverdachts der Verabredung zum Mord wurde ein Durchsuchungsbeschluss erwirkt, am frühen Morgen nahmen Spezialkräfte den Deutsch-Türken unverletzt fest.

„Hinweise auf eine unmittelbar bevorstehende Gefährdung von Besuchern der Synagoge ergaben sich nicht“, heißt es in der Mitteilung. Konkrete Pläne oder Waffen wurden also nicht gefunden. Auch bei dem 18-Jährigen stellten die Ermittler aber mehrere IT-Geräte und weitere elektronische Beweismittel sicher, die nun ausgewertet werden.

Sicherheitsvorkehrungen an Heidelberger Synagoge verstärkt

Die Jüdische Kultusgemeinde Heidelberg hat unmittelbar auf die Anschlagspläne reagiert und die Sicherheitsvorkehrungen nach Angaben von Rabbiner Jona David Pawelczyk-Kissin deutlich erhöht. Noch am Freitag sollte es eine Vorstandssitzung geben, bei der eine weitere Verschärfung der Maßnahmen zum Schutz der Gemeindemitglieder beraten werden sollte.

„Man weiß ja nicht, ob vielleicht noch weitere Personen beteiligt sind“, so der Rabbiner. Gleichzeitig sei das Vertrauen in die örtliche Polizei sehr hoch. Bereits in den Wochen nach der Eskalation des Nahost-Konflikts hätten die Beamten vermehrt Präsenz an der Synagoge gezeigt.

Heidelberger Stadtspitze stellt sich hinter jüdische Gemeinde

Welche konkreten Auswirkungen der geplante Messerangriff auf Besucher der Synagoge auf das Gemeindeleben haben wird, sei noch nicht absehbar, so der Rabbiner. Aus der Bevölkerung habe es bereits erste Solidaritätsbekundungen gegeben. Studierende planten noch am Freitagabend eine Menschenkette um die Synagoge.

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Von
Till Börner und Julian Eistetter
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„Ich bin schockiert über die heute bekannt gewordenen Anschlagspläne auf Menschen jüdischen Glaubens in Heidelberg. Die Stadt pflegt ein enges Verhältnis zur jüdischen Gemeinde. Eine Bedrohung unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger ist eine Bedrohung für uns alle“, sagte die Heidelberger Bürgermeisterin Stefanie Jansen in einer Stellungnahme.

„Wir haben direkt Kontakt zur Gemeinde aufgenommen und stehen fest an ihrer Seite. Die Sicherheit und das Wohlbefinden von Menschen jüdischen Glaubens in unserer Stadt sind bedroht - und das werden wir niemals akzeptieren.“ Den Behörden dankte sie, dass „Blutvergießen“ verhindert worden sei

Weinheims Oberbürgermeister dankt der Polizei

Auch Weinheims Oberbürgermeister Manuel Just bedankte sich bei den Ermittlungsbehörden. „Es zeigt sich, dass die Polizeibehörden die digitale Ermittlungsarbeit in den vergangenen Jahren deutlich verbessert und ausgebaut haben, das ist wichtig und ohne Alternative“, sagte er.

„Wir sprechen in diesen Tagen aus gegebenem Anlass viel über die Verteidigung unserer Demokratie und das angemessen strenge Vorgehen gegenüber Personen, die unsere Staatsform unterhöhlen wollen. Rassismus und Antisemitismus sind immer auch ein Angriff auf unsere freiheitliche Grundordnung. Deshalb bin ich froh, dass die Politik in der Exekutive starke Mitstreiter hat.“

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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