Freizeit

Furries: Was Tierkostüme mit Stressbewältigung zu tun haben

Seit Dezember gibt es die Weinberg-Furs. Mitglieder schließen sich dem Club an, um in Innenstädten Menschen zum Lächeln zu bringen. Der Vorsitzende erklärt, was seine Leute antreibt, sich als Fuchs oder Hase zu verkleiden

Von 
Stephan Alfter
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Sieht ein wenig aus wie Karneval, hat aber einen ganz anderen Hintergrund. Es geht vielen „Furries“ auch um Stressabbau. © Eric Billam-Kreikemeier

Bad Dürkheim. Was steckt eigentlich dahinter, wenn ausgewachsene Männer und Frauen am Wochenende oder nach acht Stunden im Büro ihr „normales“ Leben für einige Stunden an den Nagel hängen und als tierische Fabelwesen verkleidet durch Wald, Flur - und meistens auch durch mitunter stark frequentierte Innenstädte der Rhein-Neckar-Region laufen?

Eric Billam-Kreikemeier gehört zu denen, die das genießen: Er ist 59 Jahre alt und von Beruf Optiker. Wenn am Samstag ein Fursuitwalk (verkleideter Spaziergang) ansteht, dann schlüpft er in die Rolle des Lord Graham of Camster und zieht sich sein Kostüm über. Und dann ist der Vierbeiner-Fan eben für einen gewissen Zeitraum ein Berner Sennenhund. So einfach kann ein Hobby sein.

Zunächst ist es für Nichtsahnende aber ein maximal skurriler Anblick, als im Feburar plötzlich aufrecht gehende Katzen, Füchse, Tiger und Hunde den Dürkheimer Stadtplatz erreichen. Gerade so, als wäre der Disney-Kanal aus dem Fernsehgehäuse gesprungen.

Furries haben ihren Ursprung in den USA

Unweigerlich drängt sich im nächsten Augenblick die Frage auf, ob der Joint vom Vortag nicht doch eine Idee zu gut gemeint gewesen sein könnte. Nunja, wo soviel Fell ist, da ist der Wunsch nach einer kleinen Kuschelei offenbar nicht weit entfernt. Dann umarmt man sie eben auch mal - diese knuffigen Gesellen.

Folgt man Lord Graham beziehungsweise seinem Schöpfer Eric Billam-Kreikemeier, geht es tatsächlich auch ein wenig genau darum, wenn sich die „Furries“ (deutsch: die Pelzartigen) auf den Weg in die Stadt machen.

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Hinter den Furries verbirgt sich - wie so oft - eine Kulturform, die ursprünglich aus den USA kommt, und der Cosplay-Szene stark ähnelt. Das Online-Wissenskompendium Wikipedia hat zusammengetragen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Interessierten das Furry-Dasein zu einer Lebensanschauung erhoben habe. Auf „100 000 und mehr“, schätzt Billam-Kreikemeier die Anzahl der Furries in Deutschland.

Er spricht aber eher von einem ausgeprägten Hobby und grenzt die Mitglieder auch gegen unlautere Motive ab: „Ich kann nicht in alle Köpfe schauen, aber das gibt es bei uns nicht. Davon nehmen wir gezielt Abstand“, sagt er auf die Frage, inwiefern sexuelle Rollenspiele ein Antrieb zur Verkleidung sein könnten. In einigen Medien wurde dieser Aspekt in der Vergangenheit thematisiert.

Furry-Bewegung gibt es in Deutschland seit den 90er-Jahren

In Deutschland ist die anfangs sehr kleine Furry-Bewegung schon seit den 90er Jahren in Erscheinung getreten. In den vergangenen Jahren gewinnt sie an Popularität. Furry Fandom, wie der englische Sammelbegriff heißt, ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Dazu trägt auch Eric Billam-Kreikemeier einen Teil bei, denn er hat aus den zuvor lose organisierten Leuten, die seine Leidenschaft für das Spiel mit menschenähnlichen Comic- und Tierfiguren teilen, einen Verein gemacht.

Dieser hat sich im Dezember 2023 in Bad Dürkheim gegründet und heißt Weinberg-Furs. Regelmäßig treffen sich nun rund 20 Teilnehmer der etwa 50 Leute fassenden Community meist in einem zentralen Parkhaus oder Parkplatz der Städte Bad Dürkheim, Weinheim, Speyer, Heidelberg oder auch in Heilbronn.

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Sogleich werden Kofferraumklappen geöffnet, um per Klamottenwechsel in die neue Rolle zu schlüpfen. Aus dem Parkhaus laufen dann zum Erstaunen der Beobachter Greife, Papageien, Schneeleoparden und sogar Wildschweine. Manchmal Hand in Hand oder auch Arm in Arm wanken Gestalten, die manchmal aussehen wie eine Mischung aus Bugs Bunny und Mickey Mouse in Richtung City.

Nicht selten werden sie begleitet von ungläubigen Blicken, ob der Rosenmontag denn plötzlich auf den 1. Juni falle? Der tatsächliche Antrieb für die Verkleidung der Teilzeit-Fellnasen lässt sich von außen aber nicht auf Anhieb erkennen.

Für die meisten ist es ein Ausbruch aus dem Alltag und wie ein Tag Urlaub.
Eric Billam-Kreikemeier Vereinsvorsitzender der Weinberg-Furs

Etwas nachvollziehbarer wird alles durch die Erklärung des Vereinsgründers und Vorsitzenden Billam-Kreikemeier: „Für die meisten ist es ein Ausbruch aus dem Alltag und wie ein Tag Urlaub“, erklärt er Beweggründe, sich das nicht selten bis zu 6000 oder 7000 Euro teure Kostüm überzuziehen. Was bei hohen Temperaturen nicht per se Spaß bereitet. Trotzdem: Einen Avatar lebendig werden zu lassen, sei ein Mittel zur Stressreduktion, fügt er hinzu.

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In den Fußgängerzonen reagierten Passanten sehr oft mit einem Lächeln. „Wenn man die Begeisterung in den Augen der Leute sieht, ist das toll“, so der 59-Jährige. Es komme zu Umarmungen, Knuddeleien und es würden Selfies geschossen. Ein sogenannter Walk, also ein Spaziergang von zwei bis drei Kilometern, dauere mit all den Gesprächen, die dabei mit Menschen entstünden, meist zwei bis drei Stunden.

Weinberg-Furs melden Furry-Spaziergänge im Vorfeld an

In Speyer trifft man sich jeweils vor dem Dom, von wo aus die Furries durch den Domgarten Richtung Rhein bis zum Naturfreundehaus unterwegs sind. Ein nicht zu vernachlässigender Umstand: Die Fursuitwalks werden bei den Behörden im Vorfeld angemeldet. Die Teilnehmer sind über den Verein sogar versichert.

Vom Doktoranden bis zum Bäckermeister - aus allen Teilen und Altersklassen der Gesellschaft seien Mitglieder dabei, sagt der „Oberfusselmeister“, wie Kreikemeier auch zärtlich genannt wird. Er kündigt noch regelmäßigere Veranstaltungen in den genannten Städten an - und eine Tanzparty in Altrip am 1. Juni.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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