Forschung

Forschung in Biblis: Mit Lasern in Atommüllfässer hineinschauen

Im stillgelegten Kernkraftwerk Biblis wird in zwei Jahren Grundlagenforschung betrieben: Mit Laserstrahlen sollen Atommüllfässer durchleuchtet werden. Im Blick haben die Forscher allerdings ein anderes Thema

Von 
Bernhard Zinke
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Der Abbau des Kernkraftwerks geht aktuell voran, demnächst soll hier neue Grundlagenforschung angesiedelt werden. © Berno Nix

Biblis. Der Abbau des Bibliser Kernkraftwerks läuft auf Hochtouren. Während der frühere Kraftwerksbetreiber RWE die Anlagen in den Reaktorgebäuden gerade in ihre Einzelteile zerlegt, wird zugleich Platz geschaffen für ein neues, hoch innovatives Forschungsprojekt. Es geht um Lasertechnologie, die beispielsweise den Inhalt von Atommüllfässern auf seinen Zustand hin überprüfen kann. RWE Nuclear und das erst vor drei Jahren gegründete Darmstädter Unternehmen Focused Energy (FE) haben jetzt eine Absichtserklärung für das Vorhaben unterzeichnet.

FE-Sprecher Günter Kraft erklärt, worum es geht: Das Unternehmen forscht an bildgebenden Lasertechnologien. Das bedeutet, mit dieser Technologie lässt sich von außen herausfinden, in welchem Zustand sich der radioaktive Müll in den verschlossenen gelben Fässern befindet. Und dies, ohne die Fässer öffnen zu müssen. Herkömmliche Röntgenstrahlen könnten den Stahl nämlich nicht durchdringen, beschreibt FE-Sprecher Kraft: „Mit Hilfe von Lasern können wir aber sehen, was in den Fässern drin ist und was dort passiert - oder auch nicht.“

Kommentar Laserbasierte Fusionstechnologie: Eine Chance für Biblis

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Die Anwendung sei beispielsweise für die Räumung des Zwischenlagers Asse II hochinteressant. Der Salzstock ist marode, feucht und muss geräumt werden, bevor die eindringende Salzlauge noch größeren Schaden an den dort deponierten Gefäßen anrichtet. Immerhin lagern hier 126 000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Abfall, die baldmöglichst in ein anderes Zwischenlager überführt werden müssen.

Mittelfristiges Ziel ist die laserbasierte Kernfusion

Mit den so genannten Laser Driven Radiation Sources (LDRS) hat FE aber nicht nur den Einsatz beim Rückbau von Kernkraftwerken oder der Bergung von Fässern aus maroden Zwischenlagern im Sinn. Das bildgebende Laserverfahren könne auch eingesetzt werden, um beispielsweise die Schäden im Inneren von Brückenbauwerken festzustellen. Immerhin gelten Tausende von Brücken in Deutschland als Sanierungsfälle. Ziel des Entwicklungsprojekts sei unter anderem auch, die Gerätschaften so zu dimensionieren, dass sie auf Lkw passen und somit variabel einsetzbar wären.

Für diese Grundlagenforschung wird RWE nun in den kommenden zwei Jahren das ehemalige Notspeisegebäude leerräumen. Anschließend wird FE die Räumlichkeiten für seine Zwecke umbauen. Außerdem stellt RWE Probekörper, darunter ein Dummy-Abfallfass zur Verfügung, das freilich nicht mit radioaktivem Material befüllt ist. Die Atomaufsicht im hessischen Umweltministerium sei über die Zusammenarbeit informiert, so FE in einer Presseerklärung.

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Die Gebäude im Kernkraftwerk Biblis böten „hervorragende Voraussetzungen für die Durchführung unseres Pilotprojekts“, sagt Thomas Forner, Mitgründer von Focused Energy. Und Ralf Stüwe, Chef des Rückbaus in Biblis, freut sich, dass am ehemaligen Kraftwerksstandort weiterhin wichtige Grundlagenforschung betrieben werde.

Allerdings hat FE durchaus weit höhere Ziele als die Entwicklung von bildgebenden Laserverfahren. Das sei nur die Grundlagenforschung für ein weiteres, höchst ambitionierte Projekt. Das deutsch-amerikanische Unternehmen, das 2021 von der Technischen Universität Darmstadt ausgegründet wurde und Firmensitze in Darmstadt und Austin in Texas unterhält, arbeitet an der laserbasierten Kernfusion. Laser-Fusionskraftwerke gelten in der Forschung als Hoffnungsträger der Energiewirtschaft. Sie werden allerdings voraussichtlich erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts einsetzbar sein.

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Der Vorteil laut Experten: Der Prozess produziert ein Vielfaches der eingesetzten Energie und ist abrupt stoppbar. Wenn der Laser mit dem Beschuss der Energie stoppt, hört auch sofort der Prozess auf. Allerdings gehen die Meinungen noch auseinander, ob die Energiebilanz angesichts des stromintensiven Lasereinsatzes tatsächlich einen lohnenden Gewinn produziert. „Forscher in den USA haben bewiesen, dass die Laserfusion funktioniert“, sagt FE-Sprecher Günter Kraft. Allerdings seien bei der Ingenieursarbeit noch einige Themen abzuarbeiten.

Außenhülle des Reaktors heizt sich bis 900 Grad auf

Und wie funktioniert die Laserfusion? Sehr vereinfacht ausgedrückt beschießen Laserstrahlen von allen Seiten zwei Millimeter große Kügelchen mit Wasserstoff-Kernen, die durch den hohen Energieeinsatz miteinander verschmelzen und dabei Wärme abgeben, aus der sich Strom gewinnen lässt. Im Prozess selbst entstehen keinerlei radioaktiven Spaltprodukte. Allerdings falle radioaktives Tritium an, wenn die Neutronen in der Kesselwand einschlagen. Tritium habe aber nur eine Halbwertszeit von zwölf Jahren. Nach 50 Jahren sei der Kessel, in dem die Laserfusion stattfinde, wieder verwendbar.

Ein weiterer Vorteil: Die Außenhülle des Reaktors heize sich auf bis zu 900 Grad auf. Durch den Prozess lasse sich zugleich grüner Wasserstoff herstellen, ebenfalls ein Hoffnungsträger für die CO2-freie Energieerzeugung. Allerdings wird ein Laser-Fusionskraftwerk so schnell nicht zur Verfügung stehen - auch wenn die Grundlagenforschung schon seit Jahrzehnten andauert. Gleichwohl hofft FE, dass ein kommerziell nutzbares Kraftwerk binnen 15 Jahren zur Verfügung stehen kann. Es hätte dann eine Leistung von bis zu 1,5 Gigawatt, so der FE-Sprecher. Wo es stehen könnte, steht noch in den Sternen. Potenzielle Standorte gebe es überall auf der Welt. Biblis könnte dafür durchaus auch in Frage kommen. Immerhin gebe es hier bereits die komplette Infrastruktur eines Kraftwerks und jede Menge Erfahrung der Menschen, die hier beschäftigt seien.

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