Rhein-Neckar. Die Diskussion ist so alt wie das Ludwigshafener Filmfestival selbst: Ist den Anwohnern auf der Parkinsel eine Großveranstaltung mit bis zu 125.000 Besuchern in knapp drei Wochen zuzumuten? Wie viel Anlieferverkehr ist erträglich, welcher Lärmpegel akzeptabel? Keine Ausgabe der Veranstaltung vergeht ohne diese Fragen. In diesem Jahr - es ist die 21. Auflage - sorgt nun aber ein aktueller Vergleich vor dem Verwaltungsgericht Neustadt dafür, dass sie ganz besonders in den Fokus rücken. Nicht zuletzt, weil Festivaldirektor Michael Kötz in seiner Eröffnungsrede mit klaren Worten Bezug darauf genommen hat. Seine Kernaussage, etwas überspitzt formuliert: Einige Wenige verderben der großen Mehrheit den Spaß.
Filmfestival Ludwigshafen: Zwei Anwohner aus der nahegelegenen Parkstraße haben geklagt
Konkret haben im Fall des Filmfestivals zwei Anwohner aus der Parkstraße, die dem Festivalgelände am nächsten liegt, geklagt. Die Klage richtete sich gegen die Ausnahmegenehmigungen, die die Stadt dem Festivalbetreiber seit Jahren in Bezug auf die Nutzung von Tonwiedergabegeräten, das gastronomische Angebot und „straßenverkehrliche Erlaubnisse“ erteilt.
Bezüglich der „immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung“, die die Nachtruhebeschränkungen für den Veranstalter auflockert, wurde nun ein Vergleich getroffen. Darin räumte die Stadt ein, dass die erteilte Ausnahmegenehmigung wegen „unzureichender Auflagen zum Schutz der Nachbarschaft vor abendlichen und nächtlichen Lärmimmissionen“ rechtswidrig sei, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. Für die Zukunft sollen die Auflagen dahingehend angepasst werden.
Nächstes Jahr sollen drei Abende auf dem Festivalgelände bereits um 21.30 Uhr enden
Die Kläger erklärten sich in dem Vergleich Ende Juli dazu bereit, dass das Festival in diesem Jahr noch wie gewohnt an 19 Tagen bis 23.30 Uhr stattfindet. Ab 2026 soll der Veranstalter das Programm so gestalten, dass es an drei Abenden bereits um 21.30 Uhr endet. Daneben sind noch in diesem Sommer schalltechnische Messungen an den Anwesen der Kläger in der Parkstraße vorgesehen, deren Ergebnisse künftigen Entscheidungen zugrunde liegen sollen.
Wo Lärm Anwohner stört
Neben dem Filmfestival, dem Wurstmarkt und der Heidelberger Altstadt gibt es noch weitere aktuelle Beispiele aus der Region, wo sich Anwohner durch Veranstaltungslärm gestört fühlen.
Im März 2023 beschwerten sich Nachbarn von „Alex Weinlounge“ in Herxheim am Berg über unzulässige Musikveranstaltungen. Die Ausrichtung dieser Konzerte mit Live-Musik wurde dem Betreiber vorübergehend untersagt. Nach einer Genehmigung der Kreisverwaltung läuft der Betrieb inzwischen wieder wie zuvor.
Der neue Karlstorbahnhof im Heidelberger Süden hat ebenfalls eine Lärmdebatte ausgelöst. Anwohner fühlten sich durch tiefe Bassgeräusche belästigt. Es wurde nachgesteuert und die Maßnahmen zeigen erste Erfolge.
Dass der Veranstalter die Zugeständnisse nur zähneknirschend gemacht hat, wurde am Eröffnungsabend des Filmfestivals deutlich. „Der Wunsch nach Freiheit des Einzelnen ist, ohne dass wir es so richtig gemerkt haben, ins Fundamentalistische abgerutscht. Wir haben es schlicht übertrieben“, sagte Kötz da mit Blick auf den Konflikt. „Unser aller Ego ist immer größer geworden in diesen 21 Jahren.“ Man setze es als Anwohner auf der Parkinsel auch ein, um sein Recht auf abendliche Ruhe einzufordern und finde es angemessen, wenn sich 125.000 Besucher deshalb einschränken. Die Freiheit des Einzelnen gehe immer mehr auf Kosten der Mehrheit.
Auch der Dürkheimer Wurstmarkt musste vor Jahren wegen Anwohnerbeschwerden nachsteuern
Mit dem Problem stehen die Macher des Filmfestivals in der Region längst nicht allein da. In knapp drei Wochen beginnt in Dürkheim das größte Weinfest der Welt, der Wurstmarkt. Bei mehreren Hunderttausend Besuchern in gut zwei Wochen ist der Geräuschpegel auch hier erfahrungsgemäß hoch. So hoch, dass Anwohner schon vor mehr als zehn Jahren ihrerseits immer lauter wurden und gegen die Belästigungen vorgingen. Mit Erfolg: Schrittweise mussten die Veranstalter die Schlusszeiten für Musik und Fahrgeschäfte nach vorne verlegen.
Seit 2018 ist die Nutzung von Tongeräten für Musik- und Sprachübertragungen, auch in Festzelten und Fahrgeschäften, bis 24 Uhr beschränkt - sowohl werktags als auch an Wochenenden. In den Jahren 2015 und 2016 erlaubte die Ausnahmegenehmigung freitags und samstags noch eine Nutzung bis 2 Uhr. Nach Angaben einer Sprecherin der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd hat sich die Beschwerdesituation rund um das Weinfest „seitdem deutlich verbessert“.
Streit um Sperrzeiten in der Heidelberger Altstadt hat den gleichen Hintergrund
Über die Region hinaus Schlagzeilen machte auch der Kampf einiger Anwohner gegen den Feierlärm in der Heidelberger Altstadt. Ende 2024 gab der Verwaltungsgerichtshof (VGH) den Bürgern Recht und schrieb der Stadt die Ausweitung der Sperrzeiten vor. An Wochenenden müssen Kneipen künftig demnach um 1 Uhr statt um 4 Uhr schließen, werktags um Mitternacht statt um 1 Uhr. Oberbürgermeister Eckart Würzner bezeichnete die Entscheidung als „nicht akzeptabel“, die Stadt Heidelberg will weiter dagegen vorgehen.
Ähnliche Beispiele könnte man vermutlich aus fast jedem Ort nennen, in dem ein Straßenfest oder eine Kerwe gefeiert wird. Für die Verantwortlichen ist und bleibt es eine Frage der Abwägung. Das weiß auch Christoph Heller. Der Ortsvorsteher der Südlichen Innenstadt in Ludwigshafen kam ins Amt, als das Filmfestival erstmals in Ludwigshafen stattfand, also vor mehr als 20 Jahren. „Seitdem habe ich immer versucht, allen Herren zu dienen“, sagt er mit Blick auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Anwohnern und Veranstaltern. Dass dabei beide Seiten niemals ganz glücklich werden können, liegt für Heller in der Natur der Sache. „Ein Kompromiss ist immer der kleinste gemeinsame Nenner.“
Ludwigshafener Ortsvorsteher: „Filmfestival macht wahnsinnig vielen Menschen Freude“
Da die Kläger nun einem Vergleich zugestimmt haben, „ist die Sache für mich gut“, sagt der Ortsvorsteher. „Die Parteien saßen an einem Tisch und haben eine Regelung gefunden.“ Grundsätzlich hat der Ortsvorsteher Verständnis dafür, dass eine solche Großveranstaltung für die Inselbewohner eine Belastung ist. Auf der anderen Seite aber bringe das Filmfestival „wahnsinnig vielen Menschen Freude“, das sei auch Realität. „Es wäre nicht so beliebt, wenn es nichts Besonderes wäre.“
Wie genau Festivaldirektor Kötz die Regelungen aus dem Vergleich nächstes Jahr umsetzen will, ist noch unklar. „Deshalb können wir zu der Sache derzeit auch wirklich nicht mehr sagen als dies“, so Kötz am Montag auf Anfrage. „Im Übrigen ist zu hoffen, dass es künftig im Land ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Einzelinteressen und den Interessen der Gemeinschaft gibt.“
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