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Frankenthal. Ein 19-Jähriger, der vor dem Frankenthaler Landgericht wegen Mordes und Vergewaltigung verurteilt und vorzeitig aus der U-Haft entlassen worden war, ist wieder im Gefängnis. Das hat die Frankenthaler Staatsanwaltschaft am Montag bekannt gegeben.
Im Oktober aus U-Haft entlassen
Wochenlang hatte die Haftentlassung von Lukas V. im sogenannten „Fall Zoe“ hohe Wellen geschlagen. Anfang Oktober war V. vorzeitig aus der U-Haft entlassen worden, knapp zwei Monate, nachdem das Frankenthaler Landgericht ihn zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt hatte - wegen Mordes, Vergewaltigung mit Todesfolge und sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen. Sein Opfer: die 17 Jahre alte Zoe aus Frankenthal, die V. am Willersinnweiher in Ludwigshafen vergewaltigt und gewürgt haben soll. Zoe erlag ihren schweren Verletzungen. Zudem missbrauchte er laut Richterspruch zwei weitere Kinder in drei Fällen sexuell. Vom Vorwurf der Vergewaltigung eines dritten Mädchens wurde er freigesprochen.
Chatverläufe ausgewertet
Der Grund für die Entlassung aus der U-Haft: Das Verfahren am Frankenthaler Landgericht zog sich hin, rund zwei Jahre lang wurde verhandelt. Seit März 2020 saß V. in der Jugendstrafanstalt Schifferstadt in U-Haft - ungewöhnlich lange. Dagegen hatte sein Verteidiger Alexander Klein nach dem Urteil Haftbeschwerde eingelegt. Mit Erfolg. Da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, - Staatsanwaltschaft, Verteidigung und die Nebenklägerin im Fall des Freispruchs haben Revision eingelegt - kann die Haftstrafe nicht vollstreckt werden.
Am Wochenende dann der nächste Paukenschlag im Fall Zoe: V. ist am Samstag dem Bereitschaftsrichter am Frankenthaler Landgericht vorgeführt worden, die Staatsanwaltschaft hat einen neuen Haftbefehl erwirkt. Wie die Staatsanwaltschaft am Montag mitteilt, hätten Ermittlungen „konkrete neue Tatsachen“ ergeben, die Rückschlüsse auf eine Wiederholungsgefahr zuließen. Deshalb sei V. wieder in eine Jugendstrafanstalt gebracht worden.
Doch was heißt das genau? Der Leitende Oberstaatsanwalt Hubert Ströber erklärte auf Anfrage dieser Redaktion, dass es neue Ermittlungen gegen den Mann gegeben habe, weil er eine Frau beleidigt haben soll. Dabei sei auch seine Wohnung durchsucht worden. Und die Ermittler stießen laut Ströber auf einem Mobilgerät auf einen Chat zwischen V. und einer 20 Jahre alten Bekannten . „Hier fiel der Mann durch ein sehr manipulatives Verhalten und Gewaltfantasien auf“, so der Oberstaatsanwalt. Das Ziel des Gesprächs sei es gewesen, miteinander Sex zu haben. Nach der Auswertung des Chatverlaufs sei die Staatsanwaltschaft zu der Einschätzung gekommen, dass ein Wiederholungsrisiko bestehe. Dass V. wieder eine Frau verletzen und töten könnte. Deshalb hat hat sie den neuen Haftbefehl erwirkt.
Vs. Verteidiger, Rechtsanwalt Alexander Klein aus Ludwigshafen, hat gegen diese erneute Haft abermals Beschwerde eingelegt. Sein Mandant habe bislang keine neue Straftat begangen. „Das OLG hat meinen Mandanten ja trotz Vorliegens von Haftgründen vorzeitig aus der U-Haft entlassen“, so Klein. Und an diesen habe sich seiner Ansicht nach auch nichts geändert, auch wenn ein neuer Umstand hinzugekommen sei. „Die Entscheidung des Landgerichts ist zwar menschlich verständlich, gerade auch im Hinblick auf das große Unverständnis, auf das die Freilassung des Angeklagten in der Öffentlichkeit gestoßen ist, rechtlich jedoch meines Erachtens nicht zulässig.“ Da das Frankenthaler Landge richt die Haftbeschwerde nach Angaben von Rechtsanwalt Klein bereits abgelehnt hat, wandert der Fall nun wieder ans OLG in Zweibrücken.
Wann das Ringen um den Prozess ein Ende hat und Zoes Angehörige endlich zur Ruhe kommen können, steht bislang nicht fest. Am Montag zeigte sich Zoes Familie in den sozialen Netzwerken erleichtert darüber, dass Lukas V. wieder in Haft ist. Doch wie geht es nun weiter? Das Gericht hat bis Ende November Zeit, das Urteil vom 2. August zu schreiben und zu begründen. „Bislang liegt es noch nicht vor“, erklärte Strafverteidiger Klein auf Nachfrage.
BGH-Entscheid frühestens 2023
Dann haben Staatsanwaltschaft und Verteidigung einen Monat lang Zeit, um ihre Revision zu begründen, die daraufhin an den Bundesgerichtshof wandert, der entscheiden muss, ob das Urteil Bestand hat, ganz oder teilweise aufgehoben wird. Sollte der BGH das Urteil kippen, muss das Verfahren komplett neu aufgerollt werden. Mit dem BHG-Entscheid ist allerdings frühestens im März 2023 zu rechnen, falls Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Revision nicht beide zurückziehen - womit nach aktuellem Stand nicht zu rechnen ist. Dass der BGH die neuesten Entwicklungen im Fall Zoe berücksichtigt, hält Oberstaatsanwalt Hubert Ströber für unwahrscheinlich. „Die Beurteilungsgrundlage für den BGH ist erfahrungsgemäß allein das Urteil im gegenständlichen Verfahren.“
Rechtsmittel eingelegt
Die Staatsanwaltschaft fordert im Revisionsverfahren den „Vorbehalt einer Sicherungsverwahrung“. Sprich, dass geprüft wird, welche Gefahr von dem Mann ausgeht, bevor er aus der Haft entlassen wird. Dies hatte die Staatsanwaltschaft bereits in ihrem Plädoyer gefordert. Auch Nebenklage-Vertreter Christoph Hambusch, der Zoes Eltern im Prozess vertrat, hatte sich dieser Forderung angeschlossen. Allerdings folgte die Kammer ihr nicht, weil sie keine hohe Rückfallwahrscheinlichkeit bei dem 19-Jährigen sah, der Mann nicht vorbestraft gewesen sei. Die Verteidigung fordert eine mildere Strafe, Klein hatte auf Totschlag plädiert.
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