Landau/Herxheim/Berlin. Der Moderator des Abends wird ungewöhnlich förmlich. „Meine Damen und Herren“, kündigt er an: „Der Bundespräsident und Frau Elke Büdenbender!“ Das Staatsoberhaupt und die First Lady betreten die Terrasse von Schloss Bellevue in Berlin, die 1300 Anwesenden im Park erheben sich applaudierend von den Plätzen. Unter ihnen befinden sich auch zwei Gäste aus der Pfalz: Lena Rieder aus Herxheim und Dominique Ehrmantraut aus Landau.
Jeweils im August empfängt der Bundespräsident in seinem Amtssitz Menschen aus ganz Deutschland, die sich besonders für das Gemeinwohl engagieren. Diesmal dabei: Lena Rieder, die für mehr politisches Interesse bei Jugendlichen wirbt, und Dominique Ehrmantraut, Pfarrerin und Religionslehrerin, die sich gegen Antisemitismus engagiert.
„Zuerst erschrocken“
Als die Einladung mit dem Bundesadler eintrifft, da ist das für beide eine Überraschung. Und mehr: „Ich war zuerst erschrocken und dachte: Was passiert denn da?“, erzählt Lena Rieder. Als sich der erste Schock gesetzt hat, wird ihr bewusst: „Vom Bundespräsidenten eingeladen zu werden, das ist eine Riesen-Ehre.“
„Ich fühle mich sehr geehrt“, bekennt auch Dominique Ehrmantraut. „Ich freue mich vor allem für meine Schülerinnen und Schüler, die selbst ja leider nicht teilnehmen können, aber ein Jahr lang hart an dem Projekt gearbeitet haben.“
Seit Jahren engagiert
Ehrmantraut ist Pfarrerin und Religionslehrerin am Max-Slevogt-Gymnasium in Landau. Seit Jahren ist Geschichte ihr Thema. Ihre Schule war einst eine Mädchenschule, die auch von jüdischen Schülerinnen besucht wurde. In einem Projekt beschäftigt sie sich mit deren Schicksal in der NS-Zeit. Ergebnis: Die meisten jüdischen Schülerinnen konnten ins Ausland fliehen, drei fielen dem Holocaust zum Opfer. Zu ihrem Gedenken initiiert Ehrmantraut 2017 die Verlegung von Stolpersteinen.
Im Zuge von Corona kommen Verschwörungstheorien auf, die wieder mal „die Juden“ als „Schuldige“ diffamieren. Auf der anderen Seite tragen Corona-Leugner bei ihren Demos Judensterne. Ehrmantraut startet in der Schule ein Projekt. Zwölf Jugendliche von der fünften bis zur zwölften Klasse machen mit. Das Projekt findet nachmittags statt, ist also kein Unterricht, die Teilnahme wird aber mit einer Urkunde gewürdigt und im Zeugnis aufgeführt.
Die Erkenntnis der Schüler: Den Verschwörungsanhängern fehlt es schlicht an Wissen. Deshalb: „Wir müssen lernen, die richtigen Fakten effektiver rüberzubringen.“ Die Jugendlichen erstellen zum Thema einen Comic, um so einen Zugang zu ihren Altersgenossen zu finden.
Idealziel sind so gut informierte und engagierte Jugendliche wie Lena Rieder, gerade 18 geworden: „Seit der neunten Klasse interessiere ich mich für Politik.“ Seit 2020 sitzt sie im Jugendparlament Herxheim-Hayna. Dessen Mitglieder sind zwischen 14 und 18 Jahre jung: „Unser Ziel ist es, die Belange der Kinder und Jugendlichen gegenüber der Ortsgemeinde zu vertreten.“
Doch das Gremium blickt auch über den lokalen Tellerrand hinaus. Zur Bundestagswahl 2021 organisieren die Jugendlichen ein Podium mit den Direktkandidaten des Wahlkreises Südpfalz. Die Fragen stellen Kinder und Jugendliche. Da wegen Corona die Zahl der Besucher in der Festhalle eng begrenzt ist, wird die Veranstaltung per Livestream übertragen und ist noch heute auf Youtube zu sehen. Für die Öffentlichkeitsarbeit ist Lena Rieder zuständig.
Mit ihrer zwei Jahre jüngeren Cousine Hannah, ebenfalls Mitglied im Jugendparlament, reist sie nun nach Berlin. Mit welchen Gefühlen? „Ich bin gespannt auf viele Eindrücke“, sagt sie: „Das wird bestimmt ein einmaliges Erlebnis.“ Und natürlich hofft sie, dem Bundespräsidenten persönlich begegnen zu können.
Das hofft auch Dominique Ehrmantraut: „Ich würde ihm gerne eine Frage stellen“, sagt sie: „Was wird der Schwerpunkt Ihrer zweiten Amtszeit?“ Für sie und ihren Mann ist die Reise auch etwas Besonderes: „Zuletzt waren wir 1989 in Berlin.“
Der jetzige Besuchstag beginnt verregnet, aber eindrucksvoll: Die Teilnehmer betreten das Schloss wie Staatsgäste auf dem Roten Teppich durch das Spalier der Wachsoldaten. Im Park bietet ein großes Zeltdach Schutz vor dem Regen, der am Nachmittag ab und an mal Pause macht.
Selfies mit Franziska Giffey
Dann besteht Gelegenheit, die Polit-Prominenz zu treffen. Franziska Giffey, die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, ist im knallroten Blazer unübersehbar und begehrte Selfie-Partnerin. Aber auch Ex-SPD-Chef Martin Schulz und sein ehemaliger Vize Ralf Stegner. So verbissen dieser im Fernsehen wirkt, so sympathisch zeigt er sich hier. Immerhin ist er Pfälzer Landsmann, in Bad Dürkheim geboren: „Und ich war auf dem Tulla-Gymnasium in Mannheim.“ Lena macht dann aber doch lieber ein Selfie mit Raul Krauthausen.
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Um 17.15 Uhr betritt Frank-Walter Steinmeier die Bühne. „Wir alle haben den Regen herbeigesehnt“, sagt er trocken, „aber es hätte ja nicht unbedingt heute sein müssen.“ Und wenn es nur bei Regen bliebe! Doch der Wetterdienst warnt vor Sturm. Das Fest muss abgebrochen werden, sagt er – für die Anwesenden, die sich lange darauf gefreut haben, eine riesige Enttäuschung. Doch der Präsident versteht es, die Stimmung zu retten: „Alle, die heute hier sind, werden im nächsten Jahr wieder eingeladen.“ Jubel bricht aus, manche umarmen sich gar. Auch Rieder und Ehrmantraut freuen sich auf den zweiten Anlauf.
Vorbildlicher Einsatz bleibt
Erst jedoch hat sie der Alltag wieder. Lena kommt in die 13. Klasse und macht ihr Abi: „Dann möchte ich Lehramt studieren“. Und sie engagiert sich weiter: Sie hat ein Musical über die Geschichte von Herxheim mitverfasst, das zur 1250-Jahr-Feier im nächsten Jahr aufgeführt wird.
Alltag auch für Dominique Ehrmantraut: „Ich bereite jetzt den Schulgottesdienst zum Schuljahresbeginn vor.“ Am 9. November gestaltet sie die Gedenkfeier der Stadt Landau. Ein Projekt zu Anne Frank wird folgen. Das alles würde sie auch ohne Fest beim Bundespräsidenten machen: „Aber dieses kleine Zeichen des Dankes tut doch gut.“
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