Ein Rettungsboot für Arten - Tierpark Landau als "Zoo der Zukunft"

Von einen als "Tiergefängnis" kritisiert, von anderen als "Arche" gelobt: Welche Rolle können Zoos in der modernen Welt spielen? Ein Besuch im Tierpark Landau

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dpa
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Der Landauer Zoo © Zoo Landau

Landau. Die herbe Mischung aus Stallgeruch und Fellduft. Das Krächzen, Brüllen, Gackern von allen Seiten. Diese Atmosphäre gibt es wohl nur im Zoo - vermutlich kann keine Tiersendung so authentisch sein. "TV-Serien können einen Besuch im Tierpark zwar ergänzen, aber nie ersetzen", sagt Jens-Ove Heckel. Der 56 Jahre alte Direktor ist ein Mann mit einem ehrgeizigen Ziel: Heckel arbeitet im pfälzischen Landau am "Zoo der Zukunft". Ein Tierpark, meint er, habe einen Bildungsauftrag. "Ich will, dass die Leute schlauer rausgehen."

An diesem bewölkten April-Tag steht Heckel dicht am Gehege der Prinz-Alfred-Hirsche. "Es ist toll, einem Hirsch so nahe zu sein, anderswo sieht man die nur als braune Punkte in der Ferne", schwärmt er. Prinz-Alfred-Hirsche stammen von den Philippinen und sind in ihrer Art bedroht. "Das ist die große Herausforderung für uns: Ein Durchschnittsbesucher nimmt nicht unbedingt wahr, dass der Hirsch außergewöhnlich ist." Daher macht der Zoo mit Tafeln auf das Besondere aufmerksam. "Ich will einen Aha-Effekt beim Betrachter."

Von den einen sind sie als "Tiergefängnis" kritisiert, von anderen dagegen als "Arche" gelobt. "Ich gehöre nicht zu denen, die von Zoos als Arche für bedrohte Tiere sprechen", sagt Heckel. Zehntausende Arten stünden auf der Rote Liste. "Alle durch Zoos zu retten, ist nicht leistbar. Wir können aber eine Art Rettungsboot sein", sagt er. Wenn einzelne "Schlüsselarten" in Tierparks überleben, habe mit entsprechenden begleitenden Maßnahmen ihre weitere Existenz in ihrem natürlichen Lebensraum eine Chance.

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Wie sieht er also aus, der "Zoo der Zukunft"? Heckel holt tief Luft. "Die Zeiten, in denen ein Zoo nur ein Ort für einen Sonntagsausflug war, bei dem eine Familie Eis schleckend Tiere schaut, sind vorbei", sagt er dann. "Wichtig ist, dass die Menschen verstehen, dass das, was wir machen, viel mit dem Schutz von Arten da draußen zu tun hat."

Eigentlich seien die Grundlagen für einen progressiven Tierpark schon vor langer Zeit formuliert worden, erklärt der Direktor. "Ein Zoo soll Freizeit- und Erholungsort sowie Bildungs- und Forschungsstätte sein und dem Artenschutz dienen. Das ist ein steiniger Weg, der nur mit viel ehrenamtlichem Engagement zu erreichen ist."

Die Stadt Landau weiß, was sie am Zoo hat. Der Tierpark und sein Direktor hätten sich "auch deutschlandweit und sogar international" um den Tier- und Artenschutz besonders verdient gemacht, meinte der frühere Oberbürgermeister Thomas Hirsch (CDU) vor zwei Jahren. Auch der damalige Landeswirtschaftsminister Volker Wissing (FDP), heute Bundesverkehrsminister, lobte seinerzeit: "Mit seinen Programmen für Kinder oder seinem Engagement für den Tierschutz hat sich der Zoo einen Namen weit über Landau hinaus gemacht."

Heckel arbeitet seit 23 Jahren in Landau. Der Beruf wurde ihm quasi in die Wiege gelegt. "Ich bin mit fünf nach Afghanistan, weil meine Eltern in der Entwicklungszusammenarbeit tätig waren", erzählt er. "Die Leute gaben dort immer wieder verletzte Tiere ab, bis wir eine Art Privatzoo hatten. Meine Eltern sagen, ich wollte schon mit fünf Tierarzt werden."

Dazu musste er der Schule wegen nach Deutschland - ohne Eltern. "Die habe ich in den Ferien besucht." Der Vater war Diplom-Agraringenieur mit einem Faible für Wildtiere, die Mutter gelernte Krankenschwester: "Das prägt natürlich."

Zurück zum "Zoo der Zukunft": Was ist dazu am dringendsten nötig? "Es ist mühsam, Mittel für unsere Aufgaben zu sichern. Dabei dürfte zum Beispiel unsere Zooschule allein mit fünf Unesco-Auszeichnungen einzigartig sein", schildert Heckel. Auch die Unterstützung des Artenschutzprogramms sei eine Herausforderung. "Auch ein progressiver Zoo gilt immer noch als freiwillige Leistung einer Kommune. Das sollte geändert werden."

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