Worms. Eigentlich ist der E-Scooter-Anbieter Tier kein Anfänger. In mittlerweile 380 Städten in 16 Ländern ist das Unternehmen mit seinen Rollern und Fahrrädern am Start. In Ludwigshafen, Mannheim und Heidelberg gehören die türkisfarbenen Elektroroller längst zum Stadtbild. In Worms ist die Einführung jetzt allerdings erst einmal gründlich misslungen.
Was ist schiefgelaufen in der Nibelungenstadt? Tier stellt seit Mittwoch insgesamt 300 E-Roller zur Vermietung auf. Das bezeichnet die Stadtverwaltung „Guerillaaktion“ und hält das „Gebaren des Anbieters für fragwürdig und dreist.“ In einer ausführlichen Pressemitteilung spart die Stadt nicht an deutlichen Worten.
E-Roller in Worms: Scheiterte er Mail-Kontakt mit der Verwaltung?
Tier kann die Aufregung nicht verstehen. Man habe seit Mitte Mai dreimal versucht, per E-Mail unter verschiedenen Adressen mit der Stadtverwaltung in Kontakt zu kommen, betont Unternehmenssprecherin Luisa Lindenthal auf Anfrage dieser Redaktion.
Nachdem aber auf keine der E-Mails eine Reaktion gekommen sei, habe man sich entschlossen, den Service nun anzubieten. Seit Mittwoch vergangener Woche liefert Tier seine türkisfarbenen Roller nach Worms aus. Es war Backfischfest, die Roller wurden ziemlich schnell angenommen.
Stadtverwaltung hat keine Genehmigung für E-Roller erteilt
Das will die Stadtverwaltung aber nicht ohne Weiteres dulden: „Per Beseitigungsanordnung mit Sofortvollzug sollen die neuen E-Scooter, die in zwischen an zahlreichen Stellen im Stadtgebiet zu finden sind, möglichst rasch wieder von der Bildfläche verschwinden“, heißt es in der Pressemitteilung vom Freitagnachmittag. Hintergrund dieser Entscheidung sei die fehlende Genehmigung für das Aufstellen der Elektroroller.
Eine sogenannte Sondernutzungserlaubnis sei immer dann nötig, wenn Gehwege zweckentfremdet werden, also Geschäftsinhaber beispielsweise Werbeschilder oder Gastronomiebetriebe eine Außenbestuhlung aufstellen wollen. Eine solche Sondernutzungserlaubnis könne ausschließlich von der Kommune erteilt werden und sei außerdem gebührenpflichtig.
Stadt: Dass einfach Fakten geschaffen werden, nehmen wir nicht hin
Die Stadt habe dem Anbieter eine solche Sondernutzungserlaubnis aber nicht erteilt, könne also anordnen, dass die Fahrzeuge umgehend wieder beseitigt werden müssen. „Als Verwaltung tragen wir dafür Sorge, dass sich alle an Recht und Ordnung halten. Dass hier einfach Fakten geschaffen wurden, werden wir nicht hinnehmen“, so die Stadt in ihrer Pressemitteilung.
Wegen der Erfahrung des Unternehmens nimmt die Stadt auch nicht an, dass Tier nicht unbeabsichtigt oder aus Unkenntnis gehandelt habe. Eine gewissen Absicht hinter dieser „Guerillaaktion“ lasse sich nicht gänzlich ausschließen. Denn der Anbieter habe nicht nur eine Reaktion der Stadt nicht abgewartet, sondern noch dazu seine Anfragen an eine gänzlich falsche Ansprechperson in einem völlig falschen Bereich gerichtet. Diese sei bis vor wenigen Tagen gar nicht im Hause gewesen, wie der Abwesenheitsassistent such informiert habe.
E-Mails von Tier gingen auch an zwei Gruppenpostfächer
Man habe eine Ansprechpartnerin erstmals am 17. Mai per E-Mail angeschrieben, führt Tier-Sprecherin Luisa Lindenthal aus. Eine zweite E-Mail am 23. Juli und eine dritte Mail am 22. August sei auch noch an zwei Gruppenpostfächer der Stadtverwaltung (verkehrsinfrastruktur@worms.de sowie stadtentwicklung@worms.de) gegangen. Dabei habe man jeweils angefragt, wie man das Angebot in Worms aufbauen könne. „Wir haben einen Vorschlag für eine Vereinbarung mit dem Verteiler geteilt und erwähnt, dass diese Vereinbarung als Grundlage für eine gemeinsam erstellte Vereinbarung verwendet werden kann“, sagt die Unternehmenssprecherin. Da auch die Gruppenpostfächer angeschrieben wurden, habe man die Abwesenheitsnotiz der Mitarbeiterin nicht beachtet.
Im übrigen habe sich Tier über die Sondernutzungssatzung der Stadt Worms informiert. Darin gebe es keine Hinweise auf eine Erlaubnispflicht für E-Scooter-Sharing im so genannten Free Floating, also ohne festgelegte Vermietungsstandorte. Ebenso gebe es keine Gerichtsurteile aus Rheinland-Pfalz, die eine Erlaubnispflicht festlegten. Aus diesem Grund habe Tier sich entschieden, seine E-Scooter in Worms auch ohne Genehmigung zum Ausleihen zur Verfügung zu stellen.
Erstaunt ist die Sprecherin auch darüber, dass die Stadt eine Presseerklärung veröffentliche, aber zuvor nicht mit dem Unternehmen den Kontakt gesucht habe. Die Beseitigungsanordnung der Stadt liege Tier noch nicht vor. Deshalb werde man seine Elektroroller weiter in Worms anbieten. Diese würden auch schon gut angenommen würden.
Wormser E-Roller-Streit: Beide Seiten signalisieren Gesprächsbereitschaft
Immerhin signalisieren beiden Seiten Gesprächsbereitschaft. Tier sucht nach eigenen Angaben nun den offenen Austausch mit der Stadt und ist an einer gemeinsamen Lösung interessiert. Auch die Stadt ist nicht grundsätzlich dagegen, E-Scooter als zusätzliches Mobilitätsangebot zuzulassen - aber eben nur zu vorher festgelegten Rahmenbedingungen. So habe Tier einseitig sogenannte Parkverbotszonen definiert, in denen Roller nicht geparkt werden dürfen.
Es sei aber Sache der Kommune zu entscheiden, wo die Roller stehen dürfen und wo nicht. Bürgermeisterin Stefanie Lohr (CDU) und Stadtentwicklungsdezernent Timo Horst (SPD) betonen gemeinsam mit Nachdruck: „Was wir definitiv nicht wollen, ist, dass die E-Scooter kreuz und quer im Stadtgebiet abgestellt werden können.“
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-metropolregion-e-roller-in-worms-zoff-zwischen-stadt-und-tier-_arid,2238742.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/worms.html