Speyer. Einmal ist es richtig eng am Sonntagmittag um 11.39 Uhr: Die Organisatoren haben vergessen, eine Ampel in der Industriestraße auf einer Kreuzung zu demontieren. Und dann ist da noch dieser weiße Skoda eines Anwohners, der den Transport auf den letzten Metern beim Abbiegen in die Heinkelstraße blockiert.
Als der Halter des Fahrzeugs gefunden ist, brandet spontan Applaus unter einigen der schätzungsweise 2000 Menschen auf, die sich hier quasi zum Frühstücksfernsehen getroffen haben. Derweil stehen Anwohner auf ihrem Balkonund können das 1973 in Dienst gestellte U-Boot fast mit den Händen greifen, als es plötzlich kolossartig um die Ecke navigiert wird.
Mehrere Tausend Beobachter begleiten U17 ins Technik Museum Speyer
Ja, es sind skurrile Bilder, die hier entstehen. Ein U-Boot, eigentlich weit unter der Wasseroberfläche der Weltmeere unterwegs, steht plötzlich rund einen Kilometer vom Speyerer Dom entfernt mitten in einer Stadt und wirkt nicht nur ein wenig wie ein Elefant in einem Porzellanladen.
Wäre da nicht Frieder Saam, der in den vergangenen 39 Jahren Transporte möglich gemacht hat, die aufwändiger waren, als mal eben eine Essecke von Ikea ins heimische Wohnzimmer zu wuchten. 500 Tonnen ist die Last schwer, die er auf seinen mehr als 50 Meter langen Aufliegern hinter sich her zieht. Seine Lesebrille trägt er ganz vorne auf der Nase und im Führerhaus seines Lastzugs hocken zwei noch nicht zehnjährige Jungs, die ihn für das bewundern, was er tut. Frieder Saam ist trotzdem etwas unwirsch, als Journalisten ihn fragen, wo die Gefahren eines solchen Transports liegen.
Keine Transparente: Naturschützer halten sich zurück
Um kurz vor neun besteigt Saam an diesem Morgen seinen Lastzug. Seit Mittwoch hat er im Auwald mit mehreren Dutzend Kollegen aus allen möglichen Branchen das Stahlungetüm, das eine für das Museum kostbare Fracht ist, vom Altrhein an Land geholt. Er sei selbst Waldbesitzer. Das sei ja keine Rodung gewesen, diktiert er den Journalisten in den Block, als er auf den Unmut und den Streit im Vorfeld der U-Boot-Anlandung in Speyer angesprochen wird.
Die Naturschützer, die sich am Sonntag zurückhalten und nicht mal Transparente entrollen, sehen das anders. Auch die „Letzte Generation“, von der man dachte, sie würde diese öffentliche Bühne für eine weitere Klebeaktion nutzen, ist daheim geblieben.
So ist es an der Friedensinitiative in Speyer, wenigstens darauf hinzuweisen, dass man hier ein Kriegsgerät bejubelt. Der Rest der Menschen klatscht in die Hände und klickt mit der Fotokamera bei strahlendem Sonnenschein. Endlich mal wieder eine Attraktion wie damals, als im Jahr 2008 der russische Raumgleiter Buran ins Speyerer Museum rollt. Das ist der Tenor. Ebenfalls mit am Start ist damals - Frieder Saam.
Auf 240 Rädern unterwegs - es funktioniert alles nahezu perfekt
Bis auf winzige Ausnahmen klappt wirklich alles so, wie die Logistiker sich das anhand physikalischer Grundsätze ausgedacht haben. Von den hydraulisch verstellbaren Achsen mit ihren 240 Rädern bis zur Hupe am Lastzug - es funktioniert nahezu perfekt. Auch Victor Toyka ist zufrieden.
Gemeinsam mit seinem Marinekameraden Ullrich Späh steht er neben der Speyerer Feuerwache, als sein Boot um die Ecke biegt. 1973 gehört Toyka zur ersten Besatzung des U-Boots. 50 Jahre ist das her. Zwischenzeitlich war er der zweite Kommandant des Ozeankreuzers. Mit Heidelberger Bier wird er 90 Minuten später auf den erfolgreichen Transport mit rund 30 weiteren Marinekameraden anstoßen. Das „letzte Geleit“ für sein U-17-Boot gewissermaßen.
Geschlagene vier Stunden dauert der Transport
Ein 51-jähriger Bensheimer und sein elfjähriger Sohn sind erstmals bei einem solchen Transport. Schon am Morgen um 7 Uhr finden sie sich dort ein, wo für 8 Uhr der Start im Auwald geplant ist. Doch keines der 240 Räder an den 30 Achsen des Schwerlasttransports bewegt sich um diese Zeit. Stattdessen ist viel Polizei und THW unterwegs. Sie begleiten den Tross rechts wie links und schauen, dass ihm niemand zu nah kommt, als es um 9 Uhr tatsächlich endlich losgeht.
Geschlagene vier Stunden dauert es, ehe Saam per Signalhorn aus seinem Lkw ankündigt, nun in der Endposition zu stehen. Hunderte haben die letzten Meter verfolgt und sehen nun, wie der Mann seine Mannschaft abklatscht. Für etwa ein Jahr soll der Stahlkoloss nun hier stehen. Große Batterien sollen nach Ankündigung des Technik Museums ausgebaut werden. Damit wird das U-Boot um hundert Tonnen erleichtert.
Wie berichtet, soll das drehen des U-Boots hier möglich gemacht werden, um beim Transport auf dem Neckar im kommenden Frühjahr unter der Alten Brücke in Heidelberg hindurchzukommen. Zwei Millionen Euro werden bis dahin für die Logistik aufgebraucht sein. Fast sicher ist auch, dass der Auwald dann wieder leiden muss.
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