Speyer. Sagen wir doch am besten gleich, wie es ist: Die Perspektive auf das monströse Gerät, das in den vergangenen Tagen entlang des Flusses bestaunt wurde wie das achte Weltwunder - sie könnte unterschiedlicher kaum sein. Da saßen und standen am Ufer langhaarige Männer mit Bierflasche und Rastazöpfen neben Familienvätern in feschen Windblockerjacken und erinnerten sich vermutlich unabhängig voneinander an die Phase in ihrem Leben, als sie ihren elterlichen Erzeugern mit lobheischenden Augen den ersten selbst zusammengesetzen Bagger aus gelben Legosteinen präsentierten.
„Gänsehaut“ an Bord
In Deutschland, dem Land von dem man in gar nicht ferner Vorzeit noch sagte, hier sei die Ingenieurskunst zu Hause, brach sich in den vergangenen Tagen so etwas wie Technikbegeisterung bahn. Medienmenschen freuten sich in den Redaktionen über munteren Verkehr auf den Livetickern. Wo und wann ist U-17 zu sehen? Glaubt man Museumssprecherin Simone Lingner, die einige Tage mit an Bord des Schubschiffs unterwegs war, dann standen gar „Millionen“ am Ufer. Richtig „Gänsehaut“ habe sie gehabt. Von der Mitte des Stroms grüßte freundlich das Technik Museum Speyer Sinsheim.
Deutlich weniger euphorisch ist am Dienstagabend die Stimmung in einem etwas heruntergekommenen Raum in der Speyerer Altstadt. Dort sitzt gegen 19.30 Uhr ein Dutzend Mitglieder von den Grünen sowie der Friedens- und Umweltschutzbewegung zusammen und legt angesichts der für den Mittwoch angekündigten Ereignisse kollektiv die Stirn in Falten. Ein U-Boot? Ein Kriegsgerät? Eine Waffe, die in Zeiten eines Krieges in Europa gefeiert wird wie Putins verbliebene Panzer vergangene Woche auf dem Roten Platz? Wie passt das zusammen? Welches Bild vermittelt man da? Was ist das für eine Gesellschaft, die so etwas feiert? Und sowieso seien die beiden Technik Museen in Speyer und Sinsheim Orte, an denen Gerümpel aus Kriegszeiten zusammenhanglos und ohne kritische Einordnung präsentiert würden?, heißt es in der Runde, ehe man den Schmerz darüber in einem Schluck aus einer kleinen grünen Eichbaum-Flasche ertränkt. Und dann ist da noch diese Internetseite des Technik Museums zu U-17, die in Schwarz-Weiß gehalten ist und für einige Beobachter im Design eine mindestens rückwärtsgewandte Anmutung hat.
Ermittlungen nicht abgeschlossen
Für nicht besonders zukunftsweisend hält die Grünen-Fraktion in Speyer auch die Entscheidung der eigenen Parteikollegin im Umweltamt, die für die Anlandung des Boots einen Kahlschlag auf 800 Quadratmetern im FFH-Naturschutzgebiet ohne Absprachen mit dem Umweltausschuss genehmigte. Man erstattete Anzeige gegen Unbekannt. Die Ermittlungen der Polizei sind noch nicht abgeschlossen. Vier Stunden lang saß Initiator Volker Ziesling nach eigenen Angaben als Mitglied der Grünen-Fraktion bei der Kriminalpolizei, um Gründe zu erläutern.
Sanfte Landung im Naturhafen
Vorerst beendet ist hingegen der schwierigste Teil des Transports des nicht überall gleichermaßen beliebten U-Boots. Andreas Hemmer, Standortleiter des Technik Museums Speyer, setzt aber sein Sonntagsgesicht auf, als er am Mittwochmorgen nach Ankunft des Kolosses im Speyerer Naturhafen in die Kameras der Fernsehteams flötet, dass bisher alles nach Plan gelaufen und man bis hierhin total zufrieden ist. Selbiges bestätigt auch Spediteur Heinz Rösler, dessen Unternehmen des Transport ab Kiel verantwortet hat. Mehr als zwei Dutzend Männer arbeiten am Mittwoch bis zum Abend, um das etwas unhandliche Exponat in die bestmögliche Position zu bringen.
Das eigentliche Anlanden des Pontons mit dem 500-Tonnen-Gerät läuft quasi geräuschlos ab. Als würde er den Sarg der verstorbenen Königin Elisabeth transportieren, so sanft setzte der Kapitän des Schubschiffs Pieter van der Wees ans Auwald-Ufer. Zu weiteren Beeinträchtigungen der Natur unter Wasser kommt es dabei augenscheinlich nicht. Auch das war eine Befürchtung der U-Boot-Kritiker am Dienstagabend. In welcher Weise Protest geplant ist ließ man offen.
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Nun steht der für das regionale Publikum interessanteste Teil am Sonntag bevor. Bei voraussichtlich sommerlichen Temperaturen werden wie damals beim Transport des russischen Raumgleiters Buran im Jahr 2008 Tausende Zuschauer entlang der Strecke erwartet. Wer damals dabei war, der weiß, dass dieses Ereignis Volksfestcharakter entwickelte. Radfahrer, Fußgänger säumten die Trasse ins Museum.
Was das Boot für viele Menschen interessant macht, ist seine schiere Größe und womöglich auch der Umstand, dass ein solcher Stahlkoloss alleine durch Veränderung von Druck in den Tiefen der Weltmeere schwimmen konnte. 29 Mann war die Besatzung stark, aber ein wirkliches Gefecht hat U-17 nie geführt. Bereits 2010 wurde es außer Dienst gestellt. Als Dauerleihgabe soll es ab dem Jahr 2024 in Sinsheim zu sehen sein. Bis dahin wird das Objekt in Speyer bearbeitet. Batterien mit einem Gewicht von rund 100 Tonnen werden laut Spediteur Rösler ausgebaut. Wenn die Genehmigung der Deutschen Bahn zur Passage von Gleisen bei Bad Rappenau vorliegt, wird es weitertransportiert - wieder durch den Auwald.
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