Ludwigshafen. Manchmal ist es nur eine Frage der Zeit, bis man weich wird: Wer lange und oft auf Social-Media-Plattformen unterwegs ist, kennt das Phänomen, dass einem während des lustigen Scrollens durch die Lebensgeschichten der Schönen, Reichen und Verrückten vor allem Kleidung in die Werbeanzeigen gespült wird, die man exakt in diesem Moment gut gebrauchen könnte. Hier die Übergangsjacke, dort das Sommerkleid. Einmal draufgeklickt, öffnet sich nicht selten die Büchse der Pandora. Ein unschlagbarer Preis für ein optimal in Szene gesetztes Kleidungsstück. Dass die Schnäppchenware oft von katastrophaler Qualität ist, fällt erst auf, wenn sie mal das heimische Ankleidezimmer erreicht hat.
Nicole Taussig arbeitet für die Verbraucherzentrale in Ludwigshafen und kennt seit mehr als vier Jahren das Geschäft der sogenannten Asia-Shops. Sie und ihre Kolleginnen warnen in immer kürzeren Abständen davor, zu schnell zuzugreifen. Sie kennt das Trügerische bei der Sache: „Viele Shops geben sich als deutsche Unternehmen aus“, sagt sie. Endet die Internetadresse des Anbieters mit „.de“, sind viele Kunden schon überzeugt, es mit seriösen Anbietern zu tun zu haben.
Farbe und Größe der Artikel passen oft nicht zur Produktwerbung
Tatsächlich sitzen viele dieser Textilshops irgendwo in China, wie eine 29-jährige Frau aus Speyer erfahren musste, die der festen Überzeugung war, einen Hammerkauf getätigt zu haben. Als die Kleidungsstücke im Gesamtwert von 118 Euro ankamen, wurden die Augen groß und der Hals dick. Farben, Größen - in sehr vielen Fällen stimmt nichts mit den ursprünglich bestellten Artikeln überein. Das größere Problem fängt in diesem Moment aber erst an, denn es gibt nur selten die Möglichkeit, den Einkauf auf einem unkomplizierten Weg zurückzugeben und das Geld wiederzubekommen.
Ein 47-jähriger Käufer aus der Vorderpfalz hat das am eigenen Leib erfahren. Eine leichte Jacke kaufte er im Frühjahr 2023 - vermeintlich bei einer Düsseldorfer Firma mit einem seriös klingenden Namen. Als die L-Jacke im S-Format geliefert wurde, wandte er sich per Mail an das Unternehmen, und es wurde skurril. Die entweder automatisch oder per Google-Übersetzer generierten Antwortmails gingen nur unwesentlich auf das eigentliche Problem ein. Bilder sollte er schicken von der zu kurzen Jacke. Als er darauf bestand, das Teil zurückzugeben, bot man ihm weitere Rabatte auf den schon sehr billigen Preis an. Am Ende gab er auf, denn eine Retoure kommt in manchen Fällen teurer als der eigentliche Kaufpreis. „Ich habe die Jacke innerhalb der Familie verschenkt“, schildert er das Ende der Geschichte.
Juliesboutique.de ist nicht in Düsseldorf, sondern in Ningbo
Noch nicht vorüber ist die Story der 29-jährigen Speyererin, die bei dem Anbieter „juliesboutique.de“ über Klarna bezahlt hat. Wie sich herausgestellt hat, befindet sich „juliesboutique.de“ nicht etwa in München oder Düsseldorf, sondern in der chinesischen Stadt Ningbo, die bisher nicht als das Mailand des Ostens in Erscheinung getreten ist. 80 Euro würde die Rücksendung des 118-Euro-Einkaufs dorthin kosten, habe man ihr in der Postfiliale gesagt. Zehn mitunter schwer verständliche Mails wurden seit Juni ausgetauscht - natürlich wurden auch wieder Rabatte angeboten.
Als Kontaktperson vor Ort ist Wang Maoqin angegeben, der bei genauerer Recherche immer wieder bei sogenannten Fake-Shops auftaucht. Gerne würde man nach Ningbo fliegen und schauen, ob der Mensch tatsächlich existiert. Die Erzählungen über die Asia-Shops gleichen sich jedenfalls, und es gäbe an dieser Stelle viele weitere Stimmen aus der Region, die aber den Artikel-Rahmen sprengen würden.
Immer bewusster wird bei der Vielzahl der Fälle, dass Konsumenten hierzulande im Internet nicht den Kapuzenpullover fürs Leben suchen, sondern ein cooles Teil, das bei nächster Gelegenheit durch ein neues cooles Teil ersetzt wird. Gedanken darüber, wie es möglich ist, derart billige Klamotten in die Welt zu verschicken, machen sich demnach nur wenige. Nicht zuletzt deshalb wurde die Debatte über Großanbieter wie Shein, die ebenfalls in China produzieren, zuletzt sehr groß - selbst wenn Shein im Vergleich mit den beschriebenen Asia-Shops im Hinblick auf Käuferschutz und Widerrufsrecht fast noch seriös daherkommt. Verbraucherschützerin Taussig hat einige grundsätzliche Ratschläge: „Ist in einem Online-Shop überhaupt kein Impressum angegeben, sollte auf gar keinen Fall dort bestellt werden“, sagt sie. Ein Impressum findet sich meist am Ende einer Webseite. Aber auch Seiten mit einem Impressum dürfe man nicht blind vertrauen. Das Landeskriminalamt und die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz raten zudem, keine Zahlungen per Vorkasse zu tätigen und vor einem Kauf Bewertungen anderer Käufer zum Beispiel bei Trustpilot zu lesen. Das wird in Zukunft wohl auch Marco Melzner tun, der in Schifferstadt lebt. Er habe sich einen Trenchcoat bestellt. „Der kam dann ungefähr in einer Größe, dass er einem Zwölfjährigen passen würde“, erzählt er. Er habe dann die Adresse des Unternehmens über Google Maps recherchiert. „Die Rücksendung wäre an einen Wolkenkratzer in China gegangen“, so seine Erfahrung, die er mit vielen teilt. Mehr als 800 Anrufe hatte die Verbraucherzentrale dieses Jahr zu Asia-Shops, sagt Nicole Taussig.
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