Rhein-Neckar. In zwölf großen Mehrfamilienhäusern hat das Gesundheitsamt des Rhein-Neckar-Kreises ein Konsumierungsverbot für Wasser direkt aus der Warmwasserleitung bereits verhängt. Grund sind Rohre, die vor Jahren mit Epoxidharz saniert wurden. In den Warmwasserleitungen wird mittlerweile die hochgiftige Chemikalie Bisphenol A ausgeschwemmt - und zwar bis zum Hundertfachen des ab Januar gültigen Grenzwerts von 2,5 Mikrogramm pro Liter.
Bisphenol A im warmen Leitungswasser: Hunderte Häuser könnten in Heidelberg und dem Rhein-Neckar-Kreis betroffen sein
Die zwölf Häuser sind indessen nicht das Ende der Fahnenstange. Das Gesundheitsamt bereitet aktuell das Konsumverbot für zwölf weitere Häuser vor, wie der Leiter des Referats für technischen Gesundheitsschutz im Kreisgesundheitsamt, Stefan Kramer, auf Anfrage dieser Redaktion sagt. Die Behörde rechnet mit Hunderten von Gebäuden, die alleine in Heidelberg und im Rhein-Neckar-Kreis betroffen sein könnten. Das Phänomen ist bundesweit verbreitet.
Berichte dieser Redaktion Ende November über die Problematik hatte zahlreiche Menschen hellhörig werden lassen. Der Informationsbedarf sei hoch, berichtet Kramer. Gerade erst hat das Gesundheitsamt von Mietern und Eigentümern den Hinweis erhalten, dass drei weitere, bislang nicht bekannte Häuser betroffen sein könnten.
Langer und gründlicher Weg bis zum Konsumverbot von warmen Leitungswasser
Allerdings sperrt das Gesundheitsamt den Bewohnern von Häusern nicht leichtfertig das Warmwasser ab. Bis zu einer förmlichen Anordnung des Konsumverbots ist es ein langer und gründlicher Weg. Im Verdachtsfall stehe am Anfang eine oder mehrere Analysen des warmen Leitungswassers. Ausgeschwemmt wird das Bisphenol A nachweislich ausschließlich durch Warmwasser. In Kaltwasserleitungen ist die Chemikalie nicht nachgewiesen worden. Ist der Nachweis positiv, wird ein Anhörungsverfahren eingeleitet. Darin dürfen sich auch die Eigentümer äußern. Erst danach erlässt der Kreis die Anordnung.
Chemikalie Bisphenol A: Das kann sie im Körper anrichten
Bisphenol A gilt als krebserregend. Es wirkt im Körper wie ein Hormon und kann in den Entwicklungsphasen von Kindern Schäden anrichten, die die Geschlechtsentwicklung stören und unfruchtbar machen können. Darüber hinaus kann Bisphenol A Schäden an Leber, Nieren und Brustdrüsen anrichten.
Die Sanierung von Wasserleitungen mit Epoxidharz ist in der Sanitärbranche wohl bekannt. Es wurde vor allem massenhaft in großen Wohnkomplexen angewandt, die in den 1970er und 1980er Jahre errichtet worden waren. Die dort verbauten Stahlrohre hatten nach 20 bis 30 Jahren Rost angesetzt. Die Innenverkleidung der Leitungen mit Epoxidharz war eine kostengünstige Alternative zum aufwendigeren Austausch der Rohre.
Allerdings ist längst nicht jeder Installateur von der Technik überzeugt. „Ich halte davon gar nichts“, sagt beispielsweise Clemens Keller, stellvertretender Obermeister der Sanitär-Innung des Rhein-Neckar-Kreises aus Ketsch. Die Rohre müssten zuerst sandgestrahlt werden. Das sei in der Hausinstallation mit vielen verwinkelten Leitungen schwierig. Man wisse nicht, ob man überall hinkomme. Auch gegenüber der Beschichtung von Stahl mit Kunststoff hat Keller so seine Vorbehalte. „Das könnte Risse geben.“ Außerdem könnten sich Taschen bilden, die sich negativ auf die Wasserqualität auswirken könnten.
Sanierung mit Epoxidharzen: Das sagt der Rohrsanierungsverband (RSV)
Der Rohrsanierungsverband (RSV), Lobbyverein der Branche, hält die Einschätzung für falsch, Epoxidharz als gesundheitsschädliches Material zu verdammen. Epoxidharze seien vielmehr, je nach Rezeptur der Inhaltsstoffe vom Umweltbundesamt erlaubt.
Zu den Fällen im Rhein-Neckar-Kreis sagt der Verband wörtlich: „Die hier aufgetretenen Grenzwertüberschreitungen sind nicht durch eine Verfahrensgruppe im Allgemeinen, sondern durch deren falsche Anwendung und Prüfung. Wir treten der pauschalen Schlussfolgerung entgegen, das eingesetzte Material beziehungsweise Verfahren sei grundsätzlich ungeeignet oder gesundheitsgefährdend.“ Auf Nachfrage sagt eine Sprecherin des Verbands, dass es in Deutschland tatsächlich nur einen einzigen zugelassenen Anbieter eines Beschichtungsverfahrens zur Rohrinnensanierung mit Epoxidharz gebe. Im Internet seien aber immer noch Firmen zu finden, die ihre Leistung ohne den strengen Konformitätsnachweis des Umweltbundesamtes anböten.
Das Kreisgesundheitsamt ist nur für die Überprüfung von gewerblichen Immobilien zuständig, also von großen Mehrfamilienhäusern. In welchem Umfang auch Privathäuser betroffen sind, kann Stefan Kramer nichts sagen. Ein Thema sei das jedoch auch in diesem Bereich: „Solche Rohrsanierungen sind definitiv auch in Privathäusern passiert.“
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